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1S3L nach welchen die Westmächtc sich Oesterreich gegenüber in Bezug auf ihre eigent lichen Intentionen nicht klar und bestimmt auösprcchen wollten, wodurch der be absichtigte nähere Anschluß Oesterreichs an die Westmächte selbstredend nicht gefördert werden könne. Was die angeblichen, Nußlands territoriale Ver kleinerung bezweckenden Intentionen betrifft, so können die Eventualitäten, welche mit dem fortgesetzten Kriege möglicherweise verbunden sein können, gegenwärtig natürlich gar nicht mit in Betracht gezogen werden. Gegen- wärtig handelt cs sich nur um Das, was die Westmächte jetzt wollen, und daß in ihren gegenwärtigen Foderungen noch nichts enthalten ist, was auf eine territoriale Verkleinerung Rußlands hinzieltc, das geht aus dem vor hin Gesagten klar genug hervor. Anders freilich können die Dinge liegen, wenn die russischen Truppen demnächst in offenem Felde geschlagen und auf Pcrekop oder noch weiter zurückgedrängl werden; diese Eventualität ge hört aber, auch wenn sie noch so bald eintreffen sollte, eben der Zukunft an und mit der unmittelbaren Gegenwart hat sie nichts zu schaffen. Was die angebliche Zurückhaltung der Westmächtc Oesterreich gegenüber betrifft, so bezieht sich dieselbe nur auf Das, worüber die Westmächtc natürlich selbst im Dunkeln sein müssen. Die weitern Ereignisse auf dem Kriegs schauplätze können allerdings glücklich für sie ausfallen, eS kann aber auch gerade das Gegentheil der Fall sein. Es kann darum auch hin sichtlich des Maßes der über die Kriegskosten hinaus an Rußland etwa noch zu stellenden Mchrfoderungcn im voraus umsoweniger etwas Be stimmtes gesagt werden, als, auch wenn die Erfolge der verbündeten Ar meen schon im voraus gewiß wären, doch nicht abzusehcn ist, wie lange der Widerstand Rußlands die Fortführung des Kriegs noch nöthig machen könnte. In jeder andern Beziehung aber ist den österreichischen Staats männern über Das, was die Westmächte jetzt wollen, vollkommene Klar heit gegeben. Möglich ist es, oder vielmehr wahrscheinlich, daß das wiener Cabinet Anstand nehmen dürfte, auf dem von den Westmächten proponir- ten Boden ihrer gegenwärtigen Stellung das Anschlußwerk zustande kom men zu machen; jedenfalls aber kann nicht gesagt werden, daß Oesterreich wegen mangelnder Klarheit der wcstmächtlichen Erklärungen daran gehin dert wurde. Im Gegentheil ist man in hiesigen politischen Kreisen der Meinung, daß gerade wegen der in genannter Beziehung so unzweideutig hervorgetretenen Klarheit die gegenwärtigen Bestrebungen der österreichischen Diplomatie in Paris in ihrem wesentlichen Kern bereits als gescheitert zu betrachten sein dürften. t Berlin, 28. Sept. Der Ausfall der hiesigen Wahl der Wahl- männer scheint, soweit bisjetzt ein sicheres Urtheil darüber zu fällen ist, der Regierung günstiger zu sein, als es bei den Wahlen vor drei Jahren der Fall war. Dabei ist aber hcrvorzuheben, das sich in Bezug auf die Bestrebungen der äußersten Rechten fast in allen Wahlbezirken der Haupt stadt eine entgegengesetzte Meinung unverhohlen unter der Mehrzahl der Wäh ler aussprach. Dieser Gegensatz hinsichts der äußersten Rechten ist bei den diesmaligen Wahlen in erhöhterm Maße hervorgctreien als bei den frühcrn Wahlen. Es wurde angeführt, daß cs gerade die Aufgabe der Städte Preußens sei, den Bestrebungen der Rittergutsbesitzer cntgegenzutreten und für die Interessen und die Gleichberechtigung aller Stände zu wirken. Diese Aussprüche gaben sich in den Versammlungen der conservativen Bür ger kund, wie bemerkt werden muß. Die Betheiligung der demokratischen Par tei bei den gestrigen Wahlen ist im Allgemeinen sehr schwach gewesen. Die Berathungen der Wahlmänner der Hauptstadt, bezüglich der Wahl der neun Abgeordneten Berlins, nehmen morgen Abend ihren Anfang. — Der von der diesseitigen Regierung zu dem Zwecke nach Rom gesandte Rechtskun dige Oppenheim, die bekannte zwischen Rom und Preußen schwebende An gelegenheit hinsichts des Palastes Cafarclli auf dem Wege des Rechtens zu betreiben, dürfte binnen kurzem hierher zurückkehren, ohne daß jedoch seine Bemühungen von dem gewünschten Erfolge gekrönt worden seien. ^Breslau, 27.Sept. Der Wahlkampf der Deputaten zur II. Kam mer wird hier mit einer Erbitterung geführt, welche eine Spaltung zwi schen den Parteien klar werden läßt, die nicht zum Wohle des Landes gedeihen kann. Die Neue Oder-Zeitung ist wegen Wahlartikel in dieser Woche zwei mal mit Beschlag belegt worden. Die Führer der Golhaischen Partei hier, die sich jetzt „die Verfassungstreuen" nennen, hatten vor eini- gen Jahren durch eine Anleihe von 30,000 Thlrn. die Breslauer Zeitung als ihr Organ angekauft. Diese ging vor einigen Monaten in die Hände eines andern Verlegers über, unter welchem die Breslauer Zeitung das Organ der KreuzzeitungSpartei in Schlesien ward. Die frühem Ankäufer der Breslauer Zeitung, namentlich die Herren Handelskammerpräsident Mo linari, Exminister Milde, Rechtsanwalt im Ruhestände und Güterbesitzcr Gräff, haben sich nun der demokratischen Neuen Odcr-Zeitung genähert. In mitten dieser Parteien geht in dieser Alles bewegenden Zeit die Schlesische Zeitung mit keiner entschiedenen Meinung heraus, verdirbt es geradezu mit keiner Partei, am allerwenigsten mit der größten Schar der Lauen, die sich vor jeder klar und bestimmt ausgesprochenen Meinung wie vor jedem entschiedenen Charakter fast entsetzen, und läßt sich so von den beiden an- dem Zeitungen die Abonnenten in die Hand arbeiten. Sogar im Schoos der jüdischen Gemeinde, die sich hier in Altgläubige und Reformjuden spaltet, ist ein Wahlstreit ausgebrochen. Jede Partei will, daß nur ihr Rabbiner eine Meinung über die Wahlen haben solle. Von Berlin aus ist seit einigen Tagen der Kunsthändler Julius Kuhr hier,, um im Treu bunde, den er hier gestiftet hat, für die Wahlen im konservativsten Sinne, dabei jedoch merkwürdig genug oppositionell gegen die Partei der Kreuzzeitung, zu wirken. In einer Auffoderung an die Gutgesinnten, die Hr. Kuhr hier in 1S,000 gedruckten Exemplaren in alle Häuser und Ta ¬ schen fliegen ließ, wird sogar gesagt: „wer krank sei, solle sich in.die Wahl versammlung tragen lassen!" Dieser Passus machte in der trüben Zeit der Cholera, die jetzt in ihrer Abnahme noch immer hier schwankend ist, einen tragikomischen Eindruck. Da man häufig die Cholerakranken in eigens dafür bestimmten grünen Tragebettcn über die Straßen nach dem Lazareth transportiren sicht, so kann man unwillkürlich dem Gedanken nicht ent gehen: wie würden diese Conservativen, ihre Führer voran, auseinander stieben, wollte sich ein Cholerakranker in einen Versammlungssaal tragen lassen, um seine Stimme abzugcben? Baiern, -s-München, 27. Sept. Die Anregung der Bun desrc- form und einer Volksvertretung beim Bunde von Seiten unserer Kammer der Abgeordneten hat selbst hier lebhaftes und allgemeines Interesse erregt und so, wenn nöthig, neuerdings den Beweis der zähen Natur gewisser Ideen geliefert. Die Behandlung der Sache in der Kammer selbst hat nach hierzulande und anderwärts gemachten Erfahrungen mehrfach über rascht, ebenso was die fast vollständige Einmüthigkeit der Kammer als was die Bereitwilligkeit des Ministeriums betrifft. Hat doch Hr. v. d. Pford- ten nur die Opportunität in Frage gestellt und sich zu seinen Ansichten auf den Dresdener Conferenzen 1850 unumwunden und fortdauernd be kannt. Bei der Eröffnung dieser Conferenzen aber hat der Ministerpräsi dent, wie erinnerlich, einer Vertretung des deutschen Volks beim Bund entschieden das Wort geredet. Ob auf diese versöhnliche Abwickelung der interessanten Angelegenheit der neueste Stand der orientalischen Frage von Einfluß gewesen ist, steht dahin. Gestellt darf doch wol diese Frage um somehr werden, als kürzlich bei einer ungleich weniger ernsten Sache, in den Motiven zu dem Gesetzentwurf über die Gerichtsverfassung, für die Nichtdurchführung der Trennung der Justiz von der Verwaltung auch der Grund angeführt wurde, daß durch diese Trennung „ein momentaner Zu stand allseitiger Geschäftsstockung und Verwirrung" entstehen könnte, wel cher „im Falle des Hinzutritts äußerer, aus der dermaligen europäischen Weltlage hervorgehender Erschütterungen sehr wesentliche Gefahren für die öffentliche Ordnung herbeizuführen drohe". Thüringische Staaten. Lj Weimar, 28. Sept. Seit einiger Zeit ist das großherzogliche Buudescontingent hier und in Eisenach in seiner vollen Stärke eingezogen und nimmt die gewöhnlichen Herbstübun- gen vor. Heute Abend wird der Großhcrzog, welcher zur Zeit noch in Wilhelmsthal bei Eisenach residirt und seinen Aufenthalt daselbst bei der schönen Witterung noch länger ausdehnen zu wollen scheint, hier erwartet, um eine Inspektion der Truppen abzuhalten.— Das Jubiläum des Augs burger Religionsfriedens ist im Großherzogthum nach den Bestim mungen der Deutschen evangelischen Kirchcnconferenz und den Vereinbarun gen der Abgeordneten der thüringischen Kirchenregierungen auf derselben feierlich begangen worden. Oesterreich. Dem Pester Lloyd schreibt man aus Wien untcrm 25. Sept.: „Eine der vorzüglichsten Ursachen der bevorstehenden Ernennung, des Frhrn. v. Prokesch-Osten zum Jnternuntius besteht darin, daß die Decemberalliirten übereingckommen sind, die Verhandlungen über den vier ten Garanliepunkt baldmöglichst zu beginnen, da män nicht wissen könne, wie lange der gegenwärtige Krieg noch dauern wird, die Lösung der dies- fälligen Fragen aber zu wichtig sei, als daß sie noch länger hinausgeschobcn werden sollte. Nun besteht zwar in dieser Beziehung bereits ein Entwurf, der den gegenwärtigen Großvezier Ali-Pascha zum Verfasser hat, und wel cher auch gelegentlich der Anwesenheit des Letzlern in Wien von den Ver tretern der Decemberalliirten discutirt und gebilligt worden war. Man war damals übereingckommen, die Verhandlungen über den vierten Garantie punkt mit Anfang des Monats Juli in Konstantinopel beginnen zu lassen, welcher Beschluß jedoch, wahrscheinlich aus Anlaß der während dieser Zeil sowohl auf diplomatischem als kriegerischem Schauplatze eingetretenen Er eignisse, nicht zur Ausführung kam. Mitterweile wurden aber von Paris aus neue, jenen Entwurf des Großveziers ergänzende, Vorschläge gemacht, die zu einem gegenseitigen Meinungsaustausche zwischen dem diesseitigen und dem Tuileriencabinet führten. Frhr. v. Prokesch-Osten wird nun in Pa ris die diesfälligen Verhandlungen zu Ende führen, und hofft man um so eher, daß cs ihm gelingen werde, eine vollständige Verständigung zu errei chen, als es ja bekannt ist, daß man über die Hauptpunkte bereits einig geworden ist. Daß der Baron unter Anderm auch ein Ultimatum nach Paris mitgenommen habe, welches Oesterreich Rußland vorlegen wolle, findet hier keinen Glauben und wird diese Nachricht wol auch nur eine Erfin dung sein; dagegen ist es wahr, daß er den Auftrag hat, eine Modificirung Ves Decembervertrags vorzuschlagen, da derselbe namentlich in Betreff des dritten Punktes durch die seit seiner Ratification eingetretenen kriegerischen Ereignisse als antiquirt betrachtet werden müsse." — Aus Wien vom 27. Sept, wird berichtet: „Dem allgemeinen Verneh men nach wird noch heute Abend mit dem Hause Rothschild ein Abschluß wegen Gründung eines Creditinstituts erwartet und waren die Unter handlungen des Hrn. Pereire anscheinend erfolglos." Schweiz. ***Bern, 26. Sept. Monsignore Bovieri hat den BundcSrath mit einem neuen Protest behelligt; derselbe ist, wie ich beiläufig bemerken will, nicht eigentlicher päpstlicher Nuntius, sondern nur Geschäftsträger deö Pap stes als weltlichen Fürsten, daher, streng genommen, nicht berechtigt, sich in kirchliche Dinge zu mischen. Der BundcSrath ist nur zu gutmüthig, wenn er ihn in dieser Richtung gewähren läßt und Protest auf Protest Mimnil, Dit Pfqrrsttllt in Ssghio (Cantön Tessin) wär vvn weltlicher