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Sonntag. Nr. 229. 3«. September I8SS Oeipzib' Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittag« ä Uhr aus gegeben. Preis für das Viertel jahr 1'/r Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Mgeuitiue Zeitung. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erudition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnferttonsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Drei Tage vor Sewastopol. H Lager vor Sewastopol, 7. Sept. Wir haben im Verlaufe der letzten Tage einen concentrischen Angriff deS Feindes auf die Tscherna- Rjetschkalinie erwartet, aber alle unsere dagegen getroffenen Vorbereitungen und stete Wachsamkeit waren bis heute vergeblich. Testern Nachmittag sah man vielmehr starke russische Kolonnen von den Jnkermanhöhen gegen Sewastopol ziehen, und seit heute Morgen sind am jenseitigen Ufer der Tscherna-Rjetschka nur sehr wenig feindliche Truppen zu sehen, welche ihre verlassenen Stellungen nur mit einigen Kosackenschwärmen besetzten. Im Tschuliowthale haben indessen unsere Patrouillen noch etwa fünf feindliche Bataillone mit etwas Cavalerie bemerkt, die bisjeht keine Vorbereitungen zum Abzüge trafen. Vorgestern bei Tagesanbruch eröffneten die französi schen Batterien wieder ein furchtbares Feuer gegen den Platz. Ich befand mich unfern des Cathcart-Hügels, von wo man eine sehr hübsche Aussicht auf den von unserer Stellung aus rechts gelegenen Theil der Stadt er hält. Mit einem gewöhnlichen Fernrohr konnte man sehr gut die Details der furchtbaren Zerstörung erblicken, welche unsere Geschosse in der Umge bung der Karabelnaja angerichtet hatten. Besonders waren die schönen Landhäuser, die auf den Höhen gegenüber des südlichen Hafens gelegen sind, gänzlich zerstört, denn von vielen blieb buchstäblich nur ein wirrer Steinhaufen übrig, während bei andern Dach und Frontemauern eingestürzt waren, sodaß das Innere der Gemächer zutage lag, in denen sich auch hier und da noch Möbel befanden. Zu meiner Linken bemerkte ich in den französischen Trancheen eine außerordentliche Bewegung, woran ich durch den Rauch'der Geschütze wenig gehindert ward, da der Südwind denselben gegen die feindlichen Werke und die Stadt trieb, was den Gegner auch im richtigen Zielen beirrte. Inmitten des betäubenden Getöses der Kanonade hörten wir mit einem male einen furchtbaren Knall und sahen in der Ge gend der Flaggenstockbatterie, die ganz von Rauch umhüllt war, eine Feuer- ' säule aufzucken, die eine ungeheure weiße Dampfwolke weit über die Höhe des gelbgrauen Geschührauchs emporschncllte. Erst Abends erfuhr ich, daß eine französische Bombe in das russische Pulvermagazin geschlagen habe, welches die Flaggenstockbatterie und die umliegenden feindlichen Befestigun gen. mit der nöthigcn Munition versorgte. Das Feuer der Franzosen ward von Minute zu Minute heftiger und conccntrirte sich hauptsächlich gegen den Malakowthliwn und die Redanbatterie, von wo der Feind sehr gemä ßigt antwortete. Die englischen Geschütze schossen indessen nur pausenweise und auch die Chapmansbatterie war mit ihren Bombenwürfen sehr sparsam. Mach einem, entsetzlichen Feuer von beinahe drei Stunden stellten die Fran zosen dasselbe ein, da die Geschütze vor Hitze zu zerspringen drohten und auch die Mannschaft einiger Erholung bedurfte. Punkt 10 Uhr Morgens aber hörte man wieder zwei Explosionen zu unserer Linken, die aber diesmal von einem Minenofen und einer Flattermine herrührten, welche die Franzosen zur Demolirung des Parapet eines Vorwerks entzündet hatten, das in der rechten Flanke des Malakow lag. Dies war auch das Signal zur Wiedereröffnung des Feuers auf der ganzen französischen Linie, welches wieder mit furcht barer Vehemenz zu wüthen begann. Die russischen Geschütze antworteten immer schwächer, und nur die Flaggenstock- und Gartenbatterie verlhcidigte sich noch mit bewunderungswürdiger Hartnäckigkeit. Man sah jetzt auch mehre starke russische Colonnen über die Brücke von der Nordseite herzie- hen, um wahrscheinlich die bedrängten Besatzungen der südlichen Befesti gungen zu unterstützen. Die Franzosen und Engländer setzten ihr Feuer den ganzen Nachmittag fort und erst gegen 8 Uhr Abends, als es schon dunkel war, wurde das Signal zum Stopfen gegeben. Die Kanonen schwie- gen, aber nur um den Mörsern und größern Haubitzen Platz zu machen, die jetzt einen Feuerregen spien, der in solcher Ausdehnung wol noch bei keiner Belagerung vorgekommen sein dürfte. Der dunkle Nachthimmcl war buchstäblich von einer unaufhörlich sich kreuzenden Masse sprühender Feuer schweife erhellt, und der Erdboden erzitterte von dem grauenhaften Gedröhne der Wurfgeschühe. Kurz nach 8 Uhr schlugen aus einem russischen Schiffe die Hellen Flammen empor, man konnte aber den Brand nicht weiter be obachten, da der Wind, der häufig wechselte, den Rauch nach der Hafen- scite hintrieb. Um 8'/» Uhr fing cS in der Stadt an vier verschiedenen Stellen längs des Hafens zu brennen an. Die ganze Stadt war durch die Lohe beleuchtet, was natürlich unsern Artilleristen noch zu einer richti ger« Elevation der Geschütze diente. Nach Mitternacht war das brennende Schiff im Hasen schon gesunken und auch die Feuersbrunst in der Stadt ließ an zwei Orten beträchtlich nach. Von Schlafen war, wie begreiflich, keine Rede, und wer hätte auch im Angesicht eines solchen Schauspiels an eine Ruhe gedacht? Gestern dauert« das Bombardement mit gleicher Hef tigkeit fort und man konnte am Nachmittag, während die Kanonade pau- sirte, ganz deutlich die Verwüstungen sehen, die unser« Projektile an den feindlichen Werken angerichtet. Tai^e Linien der Erdwerkt zu beiden Sei ¬ ten dcS Malakow waren abgekämmt und bildeten nur eine unförmliche Erd masse mit zerschossenen Schanzkörben, Blendungen, Geschützen, Wagen rc. Dazwischen tobte Menschen und Pferde, rauchende Holztrümmer, Sand säcke, Quadersteine, kurz Dinge der verschiedensten Art. Unser Verlust war aber an diesem Tage noch sehr bedeutend, denn noch stand der Malakow, der Große und Kleine Reda» und die Gartenbatterie inmitten der sie rings umgebenden Zerstörung und antworteten mit einem zwar nicht besonders hef tigen, aber doch sehr gut gezielten Feuer. Die ganze vergangene Nacht wurde das Bombardement forterhalten, um den Feind an jeder Ausbesse rung seiner Werke zu verhindern. Es ist jetzt 2 Uhr Nachmittags und ich muß zum Schluß meines Berichts eilen, wenn er noch heute nach Ba- laklava und von dort zur Post soll. Die Kanonade dauert fort, und man sagt mir, daß die Obergencrale der verbündeten Armeen einen Kriegsrath gehalten haben, um sich über die letzten Dispositionen hinsichtlich eines Hauptsturms zu besprechen. Ganz Sewastopol ist in eine ungeheure Rauch- Wolke gehüllt, die uns gar keine Aussicht gestattet. Ein sardinischer Stabs offizier mit zwei Adjutanten ritt soeben den Cathcarthügel herauf und bringt die Nachricht, daß sechs piemontefische Bataillone, darunter die BersaglieriS, den Befehl erhalten haben, die französischen Linien zu verstärken. In un serm Rücken hört man den Generalmarsch wirbeln, der die Reserven auf die betreffenden Sammelplätze ruft. Eine lange französische Colonne zieht im Schnellschrilt nach der Richtung des Malakowwerks zu; die Regiments- musik ist an ihrer Spitze. Der kommende Tag wird uns wahrscheinlich die Entscheidung bringen, denn Alles weist auf einen Hauptschlag der Ober- generale hin. Das furchtbare Bombardement übertrifft bei weitem alle bis her stattgehabten,- und das Verthcidigungssystem des Feindes ist auf allen Seiten erschüttert, wenn nicht schon gebrochen. Indessen waren gestern in der Stadt und am Hafen noch immer große feindliche Massen zu sehen, die sich eilig hin- und hcrbewegten. Wie dem auch sei, wir haben jedenfalls alle Chancen, einen Hauptsturm zu wagen, und dem consternirten Feinde muß keine Zeit mehr zur Besinnung gelassen werden. Mit Einem Wort: Jetzt oder Nie! Deutfchlan Preußen. " Berlin, 28. Sept. Ueber den gegenwärtigen Stand der Dinge in Paris empfangen wir heute folgende, uns als genau be zeichnete Mitlheilungen, durch welche die Andeutungen, welche wir bereits in unsern jüngsten Briefen über die Situation gegeben haben, ihre Bcstäti- gung und weitere Ergänzung finden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß Frankreich und England darüber einig sind, daß zu den vier Friedensgaran tien nun auch noch die weitere Foderung auf Ersatz der Kriegskosten zu tre ten habe. Diese Foderungen werden aber ohne welche Verbindlichkeit für die Westmächte in Bezug auf die Zukunft gemacht. Die vier Friedensgaran tien, wie dieselben von westmächilicher Seite auf den Conferenzen zu Wien inlerpretirt worden sind, sowie ein entsprechender Ersatz der KriegSkosten für sämmtliche im Kriege gegen Rußland acliv verbundene Mächte bilden das Minimum der westmächtlichen Foderungen für jetzt; sind die Westmächte genöthigt, den Krieg fortzusetzen — was mit Rücksicht auf die Haltung Ruß lands natürlich nicht zu bezweifeln ist — so wollen sie sich auch in Bezug auf etwaige weitere Friedensbedingungen freie Hand Vorbehalten. Auf einen Waffenstillstand, dessen Herbeiführung man von österreichischer Seite sehr wünscht, will man sich in Paris durchaus nicht einlaffen. Es bleibt Oesterreich überlassen, die betreffenden Bedingungen dem russischen Hofe mitzutheilen, und wenn dieser sie dann einfach und ohne Umschweife annrhmen will, so wird man in Paris den Frieden als wiederhergestellt betrachten ; auf Unterhandlungen und alles Sonstige, was einen Aufschub herbeisühren könnte, will man aber um- sowrniger eingehen, als einmal dem klaren und pracisen Verlangen der West mächte gegenüber jede weitere Diskussion schon an und für sich überflüssig ist, und sodann auch, worauf man in Pari« ausdrücklich hingewiesen haben soll, die alliirtcn Truppen in der Krim den Rest der guten Jahreszeit auf alle Fälle hin noch dazu benutzen müssen, um sich bessere Winterquartiere zu erkämpfen, als sie im vergangenen Jahre gehabt haben. Daß Oester reich cs für geeignet halten werde, am russischen Hofe einen Versuch zur Annahme der bezeichneten Bedingungen zu machen, ist kaum anzunehmen; wenigstens wären die betreffenden Bemühungen voraussichtlich das Ueberfiüs- sigste von der Welt. All« Wünsche in Bezug auf.eine baldige Wiederauf nahme sind also als völlig gescheitert zu betrachten. Aus vorstehender kur zer Zusammenstellung der Eröffnungen, welche den österreichischen Diplo- maten in Paris gemacht worden sind, geht Zweierlei als unznxifelhast her- vor: erstens, daß jene Angaben unrichtig sind, in welchen davon die Rede ist, daß die Westmächte, außer der Foderung auf Ersatz der KriegSkosten, auch noch eine weitere Foderung im Ginn einer territorialen Eroberung aufstellcn, und zweitens, daß jene andern Mitlheilungen nicht weniger unbegründet sind,