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Donnerstag. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme det Montags täglich und, wird Nachmittags -t Uhr aus gegeben. Preis für das Viertel jahr 17, Thlr.; jede ein zelne Rlimmer 2 Ngr: — Rk 196. 23. August L88S Deutsche AllgtMtiiit Zeitiiiig. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!>> Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpcditio» in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Hjnserttonsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschkan Preußen. ? Berlin, 21. Aug. Vor allen andern Fragen tritt unter den obwaltenden Umständen die Getreidefrage in den Vorder grund. Die schwindelnde, in der jetzigen Jahreszeit noch nie dagewcsene Höhe der Preise drängt dazu, daß dieser Frage im Interesse des allgemei nen Wohls von allen Seiten die regste Aufmerksamkeit zugewendet werde, zumal sich namhafte Sachverständige dahin aussptechen, daß die Steige rung der Preise im gegenwärtigen Grade keineswegs gerechtfertigt sei. Eng land sieht man an der Bewegung, welche sich, der Kornbörse bemächtigt hat, keinen Theil nehmen, weil es unserer Zusendungen nicht benöthigt ist, vielmehr seinen Bedarf in dem äußerst reichlichen Ergcbniß der amerikani schen Ernte zu decken hofft. Fasse man die nähern Verhältnisse scharf ins Auge, meinen Sachkenner, so entbehren die jetzigen hohen Preise einer wirklichen Begründung und sind das Erzeugniß überspannter Auffassungen, denen die thalsächlichcn Ergebnisse der allgemeinen Ernte Europas und Amerikas bald cntgegentreten werden. Auch hört man hervorheben, daß, da fast sämmtliche Handelskammern und kaufmännische Genossenschaften Preußens ihre Meinung dahin geäußert hätten, daß eine zeitweise Aufhe bung des Getreidezolls dem beabsichtigten Zweck nicht entspreche, eine Er ledigung der bedeutungsvollen Frage in Betreff der grundsätzlichen gänzli chen Aufhebung der Getrcidezölle sich immer mehr als unabweisbar dar stelle. Für diese gänzliche Aufhebung des Eingangszolls auf Getreide und Hülsensrüchte spricht übrigens auch schon der Umstand, daß dieser Zoll in den letzten Jahren ohnehin schon so oft erlassen werden mußte. Die Er fahrung hat bewährt, daß der Producent dieses Schutzzolls nicht bedurfte, um lohnende Preise aus seinen Produkten zu erzielen. Die Maßregel der Zollvercinsregjerungen, die seil einem Jähre bestandene freie Einfuhr von Getreide und Hülsensrüchte» fortdauern zu lassen, hat bewirkt, daß eine be deutende Menge von Getreide aus dem Auslande bezogen und dadurch einem noch größern Nothstande vorgebeugt wurde. Die Nolhwendigkeit der Aufhebung der Getrcidezölle ist seit längerer Zeit von so vielen Seiten her theils theoretisch erwiesen, lheils durch Erfahrung festgestellt worden, daß cs schwer sein dürfte, noch neue Belege beizubringen. Bekanntlich hat die preußische Regierung schon damals bei der hier versammelt gewesenen Conferenz des Zoll vereins wenigstens Vorschläge für Herabsetzung des Eingangszolls auf Ge treide gemacht, und außerdem ist durch den österreichischenVertrag vom 17. März 1853 der Zoll auf Getreide und Hülsensrüchte sowie auf Oelsaaten aller Art im Zwischenverkehr zwischen Preußen und Oesterreich aufgehoben. Durch diese Schritte nähert sich der Getrcidehandel mehr und mehr dem Zustande des völlig freien Verkehrs, welcher für alle Völker in gleichem Maße noth wendig ist, wenn die ersten und unentbehrlichsten Nahrungsstoffe in einem angemessenen Preisverhältnisse bleiben sollen. In welcher Weise Preußen bei den übrigen Zollvercinsstaaten in Bezug auf diesen so wichtigen Gegen stand Vorgehen werde, dies ist geeignet, die Aufmerksamkeit des gesammten deutschen Handclsstandes in Spannung zu erhalten. — Die von Hannover aus gegen das hiesige Preußische Wochenblatt in mehren Blättern gerichtete Verdächtigung der demokratischen Gesinnung, weil dasselbe offen und unumwunden die hannoversche VcrfassungSfrage besprochen, hat hier bei Vielen große Heiterkeit, aber auch ebenso viel Mitleid erweckt. — Aus Berlin schreibt man der Leipziger Zeitung unterm 20. Aug.: „Auf die schon erwähnte österreichische Circulardepesche ist vor kur- zem von hier auS nach Wien eine Antwort ergangen, in welcher das dies seitige Cabinet den unbedingten Anschluß an die vier Garantiepunkte noch mals ablehnt und sich dabei auf die in dieser Hinsicht schon früher gege- benen Darlegungen beruft. Im Wesentlichen wird gutem Vernehmen nach dabei hervorgchoben, Preußen sehe sich außer Stande, zu den vier Punkten eine andere als die seitherige Stellung cinzunehmen, weil cS nicht abzusehen vermöge, welcher praktische Werth denselben für die Lösung des obschweben- den Streits noch beiwohne. Angesichts der Thatsache, daß namentlich in Bezug auf den wichtigen dritten Punkt wiederholter Versuche ungeachtet eine Verständigung nicht erzielt sei, könne Preußen für die bloße Fiction eines thatsächlich nicht vorhandenen Einverständnisses keine bindenden Ver pflichtungen übernehmen." Württemberg. Man.schreibt dem Frankfurter Journal aus Stutt gart vom 20. Aug.: „Die Ständeversammlung ist heute durch den Minister des Innern aufgelöst worden, was Vielen, die eine bloße Ver tagung oder einen Schluß des jetzigen ordentlichen Landtags vermuthetcn, sehr unerwartet kam. Vorher hatten beide Kammern die Endabstimmung über den Etat vorgenommen und die I. Kammer denselben einstimmig, die II. mit 68 gegen 11 Stimmen gutgeheißen. Ferner hatte die II. Kammer noch die Bcrathung der Motion des Abg. Pfeiffer über die Neugestaltung der öffentlich-rechtlichen Verhältnisse Deutschlands vorgenommen und mit 64 gegen 15 Stimmen den bereits gestern mitgetheilten Antrag der staats rechtlichen Commission in Betreff dieser Motion zum Beschluß erhoben- Interessant ist der Wortlaut der königlichen Verordnung über die Auf- lösung der Ständeversammlung, den ich Ihnen mitzutheilen im Stande bin: Wilhelm von Gottes Gnade», König von Württemberg. Nachdem ein Theil der Vorlagen, welche der Berathung des gegenwärtigen Landtags unterstellt waren, seine Erledigung gefunden hat, bei einem großen Theil der übrigen aber wir von der fer- »ern Thätigkeit der dermaligen Ständeversammlung, im Hinblick auf den Gang, wel chen die Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten während der letzten Sitzungs periode genommen haben, solche Ergebnisse nicht zu erwarten vermögen, wie wir sie im wohlverstandenen Interesse des Landes wünschen müssen, so haben wir nach Ver nehmung nnsers Geheimen Naths beschlossen und verfügen wie folgt: I) Die derma- lige Ständeversammlung ist aufgelöst. 2) Mit Verkündung gegenwärtiger Verordnung hört die Wirksamkeit beider Ständekammcr» auf; die Wahl des jurückzulassenden Aus schusses ausgenommen, zu deren Vornahme die erfoderliche Sitzung der beiden vereinig ten Kammern noch gestattet ist. 3) Es wird nach Maßgabe des §. 186 der Verfas sungsurkunde eine neue Ständewahl angeordnet und hierüber seinerzeit das Geeignete verfügt werden. Gegeben Friedrichshafen, 17. Aug- 1855. Wilhelm. Miller. Wächter-Spittler. Linden. Knapp. Plessen. Nach H. 186 ist die neue Ständeversammlung innerhalb sechs Mona ten, also längstens bis zum 20. Febr. 1856, zu berufen." Hannover. *Aus dem Hannoverschen, 20. Aug. Am 6. Aug. ward in Verden eine feierliche Handlung cxccutirt, welche ihrer Seltenheit wegen wol öffentlicher Mittheilung werth sein dürfte. Ein junges Mäd chen aus Hamburg, katholischer Religion, ging nämlich aus Liebe zu ih rem Bräutigam zum Judenthum über. Obgleich dieselbe, wie daS Gesetz cs erheischt, durch den israelitischen Geistlichen andauernd von einem solchen Schritt abgemahnt wurde, so bestand sie doch fest darauf, die Pflichten einer wahren Jüdin mit Eifer zu erfüllen, und ward endlich, da sowol christliche als jüdische Abmahnungen sie nicht in dem einmal gefaßten Vor- satz wankend machen konnten, nach überstandener Prüfungszeit und unter Veränderung ihres Namens Maria in Mirjam durch den Landesrabbiner vr. Heilbut öffentlich unter die Bekenner alttcstamentlicher Lehre ausge nommen. Thüringische Staaten. Der Neuen Preußischen Zeitung schreibt man aus Gotha vom 19. Aug.: „Vorgestern kam der Färbermeister auö Genlls hier an, dessen beide Töchter bekanntlich von dem katholischen Pfar rer jenes Orts nach Lyon entführt wurden, da deren Vater die häufigen Besuche des Pfarrers nicht dulden wollte, die dieser wegen der Bekehrung der Mädchen zur katholischen Religion im Hause machte. (Nr. 189.) Der Färbermeister, welcher von Gcnlis nach Genf gezogen ist, von dem Auf enthaltsort seiner Töchter durchaus keine Kenntniß und nur in Genf einen Brief ohne Poststempel, anscheinend von seiner älter» Tochter, mit der Nachricht erhalten hat, daß es seinen Kindern wohlgehe, ist jetzt auf dem Wege nach Berlin, woselbst er bei dem König ein Gesuch einzureichcn be absichtigt, daß durch seine allerhöchste Fürsprache bei dem französischen Kai ser seine Töchter ihm endlich zurückgegcbcn werden." - Freie Städte. Frankfurt a. M., 16. Aug. Gestern ging von hier ein von den Nedactionen des Frankfurter Journal und der Frank furter Postzeitung unterzeichnetes Circular an die Nedactionen der größern deutschen Zeitungen ab, worin diese zu gemeinsamen Schritten eingcladen werden, um dem Nachdrucksmisbrauch der telegraphischen De peschen seitens der kleinern Blätter zu steuern. Beigefügt ist dem Cir cular der Entwurf einer Eingabe an den Deutschen Bund, dem die An gelegenheit „aus dem doppelten Gesichtspunkte des Rechts und der staatlichen Interessen zum Zweck schleuniger und wirksamer legislatorischer Abhülfe,, empfohlen wird. Alle Blätter, welche Originaldcpeschen beziehen, werden in dem Circular ersucht, sich diesen Entwurf anzueignen. Der Schwäbische Merkur hat „guten Grund" zu glauben, daß einer der größern Staaten die Angelegenheit am Bund lebhaft unterstützen wird. Oesterreich. Wir haben bereits gestern de» Abschluß des ConcordatS zwischen Oesterreich und Rom angezeigt. Die officiellcOcsterreichischeCorrespon- benz schreibt heute darüber: „Das Gcburtsfest des Kaisers erhielt dieses Jahr eine bespndere Weihe. Am 18. Aug. wurde das zum Abschluß gebrachte Concordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Oesterreich von den betreffen den Bevollmächtigten, dem Pronunlius Sr, Hcil. des Papstes am k. k. Hofe, Cardinal Viale Prcla, und dem österreichischen Specialbevollmächtig- ten Ritter v. Rauscher, Erzbischof von Wien, in der hiesigen Residenz un terzeichnet. Die Veröffentlichung desselben kann, wie sich von selbst ver- steht, nicht geschehen, insolangc nicht die Ratificationen der allerhöchsten Voll machtgeber ertheilt und ausgcwechsclt sind. Allein schon die Thatsache der Unterzeichnung bürgt für den Inhalt des hochwichtigen Acts. Treu dem von großen Ahnen ererbten Berufe, ein frommer Sohn und mächtiger Schirmherr der Kirche zu sein, hat Kaiser Franz Joseph gleich im Beginne