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1426 Konstantinopels und beS ganzen Orient in Händen. Man vergesse nicht, Laß dies die einzige, etwa- ansehnliche Armee ist, welche in der europäi. schen Türkei steht und daß diese von keiner Seite einen Angriff zu befürch ten hat. Oesterreich hat also nur noch seine strategische Linie in Italien zu befestigen, und in dieser Beziehung dient ihm das Gespenst des Maz- ziniSmus ganz vortrefflich. Die Wcstmächte können aber nicht einmal an «inen Feldzug in Polen denken, weil sie es dort mit drei Großmächten zu thun hätten, von denen natürlich keine den französischen Truppen freien Durchzug gestatten würde. Was bleibt also übrig? Die Expedition in der Krim hat ihre natürlichen Grenzen. Im Osten liegt der anatolische Kriegsschauplatz, auf welchem weder von de» Bergvölkern viel, noch von den Persern etwas zu hoffen ist. Der Hof zu Teheran freilich stellt sich an, als bedürfe er nur europäischer Hülfstruppen zur Allianz gegen Ruß land, und als sei er bereit, nach Bewilligung dieser Bedingung auf Alles einzugchen. Allein ernste Gründe widersetzen sich einer solchen Zersplitte rung der Kräfte, die bekannte Treulosigkeit und Bestechlichkeit des persischen Hofs steht warnend entgegen, und außerdem würde Frankreich mehr mili tärische Ehre aufs Spiel schen, als wirkliche Vorthcile zu gewinnen wären. Der dauernde Einfluß in jenen Gegenden ist doch nicht Frankreichs Sache. Somit kam man auf die längst verheißene und schon einmal von Napo leon II!. in einer vorjährigen Proklamation verkündete Diversion in Bess arabien zurück. Aber werden hier die Russen nicht auch ihr altes Barba rensystem durchführen, die Alliirten eindringen lassen, jeder großen Schlacht aus dem Wege gehen, und es dem Mangel, dem rauhen Klima und den Krankheiten überlassen, die Feinde langsam aufzureiben? Für alle Even tualitäten ist die vereinigte Flotte im Schwarzen Meere zu einer ganz furchtbaren Macht angewachsen; sie zählt über 120 Kriegsschiffe, darunter mehr als 100 Dampfer. Aber zur See beschwört man den traurigen Ernst der Situation nicht mehr. — Neber die Schwierigkeiten, welche der Bil dung englisch-türkischer Legionen unter General Vivian entgegcn- treten, haben wir nun auch nähere Nachrichten. Abgesehen von persönli chen Jntriguen collidirte diese Unternehmung mit der militärischen Emanci- pation der Rajahs. Nur möchten diese lieber unter ihren eigenen Führern dienen als unter Fremden, noch dazu unter Ketzern! Die englischen Of» fizicre wiederum suchten die besten türkischen Soldaten zu gewinnen, und diese werden von den Türken nicht gern hergegeben. Keinem Volke ist überhaupt der Krieg mehr verleidet als dem, zu dessen angeblichem Besten «r geführt wird, den Türken nämlich. Mit fatalistischer Indolenz bereuen sie eS, nicht lieber den russischen Foderungen nachgcgeben zu haben als Ler westlichen Neuerungssucht, bei der sie nicht nur ihre politische Selb ständigkeit, sondern auch ihre nationale Existenz riskiren. Den Krieg in Ler Krim betrachten sie nun vollends als ein ihnen ganz fremdes Unterneh men, und so sind gerade die Fanatiker unter ihnen geneigt, ihren christli chen Helfern und Gläubigern, wo sie es straflos können, Schwierigkeiten zu bereiten. Die französische Diplomatie hält diesen Hindernissen gegenüber stets an der alten und erprobten Politik fest, sich durch Jdentificirung mit den katholischen Interessen einen starken Anhang in allen türkischen Pro- vinzen zu sichern, und auch die österreichische Diplomatie versucht es seit Hrn. v. Stürmer's Abgang, ihr auf diesem Wege zu folgen. Was bleibt aber den Engländern daneben zu thun? — Hr. v. Seebach, der sächsische Gesandte in Paris, hat Beschwerde gegen die pariser «Presse» geführt, welche sich vorgeblich aus Petersburg hatte melden lassen, daß die Mittheilungen des Hrn. v. Seebach Rußland nütz lich seien. Auf Veranlassung des französischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, an den sich der Gesandte gewandt hatte, wurde der Re dacteur der «Presse» vom Director der Preßangelegenheiten aufgcfodert, sich fernerhin solche Verstöße gegen die Achtung, die man dem diplomatischen Corps schuldig sei, nicht mehr beikommen zu lassen. Großbritannien. * London, 20. Juli. (Telegraphische Depesche.) In soeben statt gehabter Sitzung des Unterhauses fiel die Motion Roebuck's mit 182 gegen 289 Stimmen. Majorität für die Regierung 107 Stimmen. — Nachrichten von der westasrika nischen Küste thun eines bedeu tenden Unfalls Erwähnung, welcher den Engländern bei der Stadt Malagcac am Fluß Mallicuri zugestoßcn ist. Am 21. Mai erhielt nämlich der die britischen Truppen zu Sierra Leone befehligende Capitän Fletcher vom Gouverneur Dougan den Befehl, sich mit 150 Mann an Bord des Kriegsdampfers Teazer (3 Kanonen) einzuschiffcn und den Fluß hinaufzu- segeln, um den Häuptling Bambo Munich Lake zur Zahlung der 1030 Pf. St. zu zwingen, welche er den Engländern vertragsmäßig als Entschä digung für Schaden, den er ihnen zugefügt, zu entrichten hatte. Am 22. Mai kamen die Engländer vor Malegeac an, landeten und begannen die Stadt anzugreifen und in Brand zu schießen. Am folgenden Tage setzten ste das glücklich begonnene Werk der Zerstörung mit dem unglücklichsten Erfolge fort, indem sie von überlegenen Streitkräften zurückgeworfcn wurden und dabei sehr empfindliche Verluste erlitten. Von den 150 Mann, welche die Expedition bildeten, wurden 72 (darunter mehre Offiziere) getödtet, 12 verwundet oder vermißt und 9 gefangengenommcn (Letztere wurden später Wieder in Freiheit gesetzt). Am 24. Mai kehrte der Teazer mit den noch am Leben gebliebenen Mannschaften nach Sierra Leone zurück. Dänemark. ^Kopenhagen, 14. Juli. Auf unserm Seelande liegen, soviel uns bekannt ist, seit Anfang vorigen Jahres acht russische Kauffahrtei- schiffe, welche Schutz wegen Ankunft der englischen Flott« in unfern Ge wässern suchen mußten. Hier liege« hinter der Obhut unserer Dreikronen, bätterie davon allein fünf, welch« an besonder» Festtagen, gleich den andern im Hafen liegenden Schiffen, die Nationalflaggen aufhiffen. Es gewährt sodann immer einen eigenen Anblick, wenn man draußen vor den Dreitrv- ncn die englischen oder französischen Flaggen von einem Kriegsschiffe, hin ter den Batterien aber die russischen der Kauffahrteifahrcr lustig im Winde flattern sieht. Im helsingorer Hafen liegen zwei und in Friedrichsstadt eins vor Anker. Daß die Schiffsrheder aber anfangen Auswege zu suche», sich dieses tobten und nebenbei noch zehrenden Capital- auf eine gute Art zu entledigen, liegt auf der Hand. Auf dem russischen Schooner Reval campirt der Capitän mit seiner Familie, die er sich über das Land von seinem Wohnsitze Reval komme» ließ. Obgleich alle Schiffsmannschaft von den Nhedern entlassen wurde, so geht doch der Gehalt des CapitänS, der die Aufsicht über das Schiff hat, fort, und es kostet den Rheder», die nun nichts verdienen kön nen, doch ein erkleckliches Sümmchen. Die Rheder, dieser Ausgaben müde und vielleicht auch nicht so bald eine bessere Zukunft vermuthend, gaben Ordre, die Versteigerung dieses Schiffs im vorigen Sommer zu versuchen; da jedoch die gcfoderte Summe von 22,000 Thlrn. nicht vollständig erlangt werden konnte, wurde der Verkauf wieder sistirt. Jetzt, wo man diese Schiffe für eine weit geringere Summe verkaufen will, findet sich doch kein Käufer, weil die Erlasse der britischen Negierung in Bezug des angekauf ten rujstschen Eigcnlhums diese Schiffe zur Unthätigkcit verdammen. Schweden. Ä Stockholm, 16. Juli. Eine afrikanische Hitze herrscht gegenwärtig in und um Stockholm. Die Westwinde bringen eine wahre Siroccoluft, die oft das Alhmen erschwert. Infolge der großen Hitze und Dürre fan den auch im Verlaufe der vorigen Woche mehre höchst bedeutende Wald- brände statt, und selbst unser allgemeiner Belustigungsort, der sogenannte Thiergarten, wäre bald ein Opfer de- ausgebrochenen Waldbrandes gewor den. Es brannten hiervon bereit- ein paar Tonnen Landes, und wenn nicht in der größten Eile unsere Garnison zu Hülfe gekommen wäre, so wäre höchst wahrscheinlich dieser schöne größtenthcils auS Eichenholz bestehende Wald total zugrunde gegangen. — Wie verlautet, soll jetzt auch in Schwe den die Werbung für die englische Legion rasch und mit dem besten Er folge vor sich gehen und mehr als 2000 Mann für Englands Rechnung bereits geworben sein. Stockholm, 19. Juli. Der Kronprinz und die Kronprinzessin find gestern von hier über Gothenburg nach Christiani« abgereist.— Das fran zösische Kriegsdampfschiff L'Aigle ist Heuke in Waxholm ange kommen. (H. C.) Rußland. Der Dampfer Geyscr ist am 20. Juli in Danzig cingetroffen. Der selbe hat am 17. Juli das Admiralschiff und das Gros der englischen Flotte, bei der Insel Nargen (nordwestlich von Reval) ankernd, verlassen. In Wiborg wurden einige kleine Scefahrzeuge vernichtet; sonst ist nichts BemerkenswertheS vorgefallen. Die Times bringt Nachrichten von der Flotte auf der Höhe von Kron stadt, die bis zum 9. Juli reichen, indessen über wenig mehr als die täg lich stattfindenden Schießübungen berichten. Am 3. Juli kam ein russi scher Gardecorporal als Ucberläufcr auf dem englischen Flaggenschiff an. Er soll sehr wichtige Mittheilungen über die Festungswerke von Kronstadt und die Vertheilung der Truppen gemacht haben. In Petersburg und Kronstadt soll man sich vor einem Angriff auf die Festungswerke völlig sicher halten, dagegen für die auSgelegten russischen Blockschiffe fürchten. Am 3. Juli Nachmittags wurden alle Boote der Flotte armirt und be mannt und von Kanonenbooten ostwärts in der Richtung der russischen Blockschiffe geschleppt, vor denen sie ihre Evolutionen machten in der ver geblichen Hoffnung, die Schiffe herauszulocken. Am 4. Juli traf mit dem Cuckoo bei der Flotte die Nachricht ein, daß das Blockadegeschwader an der Küste zwischen Nystad und Christianstad 53 große Schiffe von zusammen über 20,000 Tons zerstört habe. Am 5. Juli Morgens verscheuchte der Geyser durch einige Bombenschüsse ein Truppendetachement, das längs der Küste marschirte und sich unter Wegwerfung der Waffen und schwe ren Helme in die Wälder flüchtete. Am 6. Juli wurden die ersten Schüsse aus einem 32-Pfänder, der mittels einer besondern Vorrichtung in einem Winkel von 45 Grad in einem Boote befestigt war, gegen Kron stadt selbst gethan. Die erste Kugel fiel nach 31 Sekunden in einer Ent- fernung von 5000 Jards ins Wasser; das Boot wurde darauf etwas näher ans Ufer gebracht, den neuen Erdbatterieen gegenüber, die sich in der Nähe des Hauses des Gouverneurs befinden, und nun flogen die Schüsse weit über die Batterie hinaus, die mit unschädlichen Bombenwürfen ant wortete. Am 7. Juli näherten sich der Merlin mit den englischen und französischen Oberbefehlshabern am Bord der Riesbankbatterie 2800 UardS, welche mehre Schüsse lhat, ohne indessen den Merlin zu erreichen. Die Geschütze der Kronslotbatterie sollen wegen des defecten Zustandes des Mauer werks haben fortgeschafft werden müssen. Während der Abwesenheit des Admirals kamen zwei russische Kanonenboote, dem Anscheine nach mit Neu gierigen angefüllt, aus der Nordpassage hervor und schlugen eine west lich« Richtung ein. Zwei englische Kanonenboote suchten sie abzuschneiden, wurden aber zurückberufen, und die russischen Schiffe konnten ungehindert in den Hafen zurückkehren. — Der Allgemeinen Zeitung schreibt man auS Hamburg vom 16. Juli: „Jetzt wird Ernst gemacht in der Ostsee. Eine ungeheure Zahl von Ka-