Volltext Seite (XML)
1424 dritten Punkt gleich den beiden früher« zu behandeln, über einen even- tuellen Krieg jedoch keine Entschlüsse fassen und wegen einiger Schiffe keine Feindseligkeiten beginnen zu wollen. In einer Depesche vom 12. April berichtet Lord I. Russell über eine neue Confcrenz mit dem Grafen Buol, worin dieser die Mittheilung machte, Oesterreich könne sich zu nichts weiter verpflichten, bevor die russischen Vor- schlage vorgelegt seien. Oesterreich sei übrigens von der Nothwendigkeit einer Beschränkung der russischen Seemacht nicht überzeugt, und bei der Abfassung der vier Punkte wäre auch nicht davon, sondern von der Revi sion der Verträge vom Jahre 1841 im Interesse des europäischen Gleich gewichts hauptsächlich die Rede gewesen. Die Vertreter der Westmächte und der Türkei versuchten hierauf zu beweisen, daß die Gefahr für die Pforte zumeist in der russischen Flottenübermacht liege. Graf Buol schien dies nicht zugeben zu wollen und bemerkte, er könne dem Deutschen Bunde wegen zweier Schiffe mehr oder weniger keinen Krieg Vorschlägen, worauf Hr. Drouin de Lhuys erwiderte, daß der Decembervertrag nicht mit Frank furt, sondern mit Oesterreich geschlossen worden sei. Hr. Drouin de Lhuys und Lord I. Russell drangen in den Grafen Buol, die Verwerfung der Limitations- oder Neutralisationsfrage zum Kasus iovlii zu machen, in Welchem Falle Rußland gewiß nachgeben werde. Aber Graf Buol war unbeugsam und erklärte, ein Kusus bnlli werde für Oesterreich erst dann entstehen, wenn Rußland die Integrität der Türkei nicht garantircn wolle. Eine weitere Depesche Lord I. Nussell's enthält einen Vorschlag des selben, der folgende Punkte umfaßt: 1) Rußland darf vier Linienschiffe, vier Fregatten und sechs kleinere Schiffe halten, wogegen die Alliirten mit der Hälfte dieser Macht ins Schwarze Meer einlaufen dürften. Vergrößert Rußland seine Flotte, so vermehren in demselben Verhältniß die Alliirten ihre Schiffe im Schwarzen Meere. 2) Die Türkei erhält die im Vertrage von Adrianopcl abgetretenen Donauinseln zurück. 3) Die russisch-asiatische Grenze ist neu zu definircn.' 4) Eine allgemeine europäische Garantie der Gcbietsumschreibung der Türkei, wie im Tractat dcsinirt. 5) Die von Rußland jetzt geräumten Festungen an der asiatischen Küste sind nicht wie- der zu besehen. Diese Präpositionen Lord I. Nussell's wurden am 16. April telegraphisch nach London befördert, kamen daselbst am 17. April an und wurden am 18. April von Lord Clarendon folgendermaßen beantwortet (Auszug aus Depesche Nr. 7): „Wir halten dafür, daß die Limitation der russischen Flotte unbeschränkt sein soll. Nach Ihrem Vorschläge wäre sie zu bedingt. Wir müssen das System des «Gegengewichts« soviel als mög lich vermeiden, und haben Sie die Gründe dafür selbst der österreichischen Regierung vollständig auseinandcrgesetzt." Deutsch lLNd. Frankfurt, 20. Juli. In der gestrigen 23. Bundestagssitzung wurde zunächst von Oesterreich eine ausführliche Mittheilung über den Stand der orientalischen Frage gemacht. In dieser Mitthei lung wurde der Bundesversammlung der Verlauf der stattgehabten Fcie- densconferenzen und sonstigen diplomatischen Verhandlungen zur Kenntniß gebracht und die Stellung Oesterreichs sowol zu den Westmächten, wie Ruß- land gegenüber klar dargelegt, sodann aber der Deutsche Bund eingeladcn, die Stellung ferner zu behaupten, die er durch die Beschlüsse vom 9. Dec. v. I. und 8. Febr. d. I. eingenommen habe. Es wurde beschlossen, über die Angelegenheit in nächster Sitzung abzustimmen. (F-kf. Pz.) Die National-Zcitung, welche auch aus Frankfurt die Mittheilung er halten, daß Oesterreich seine Vorlage wirklich in der Sitzung des Bundes tags vom 19. Juli eingebracht hat, erfährt zugleich, daß der orientalische Ausschuß bereits einen Beschlußentwurf formulirt hat, über welchen Preußen sofortige Abstimmung beantragt. Dieser Beschlußcntwurf besteht: 1) aus einem Dank für Oesterreichs Bemühungen für den Frieden; 2) aus einer Kundgebung der Ucbereinstimmung mit der Ansicht Oesterreichs, daß es mit Bezug auf die früher« Bundesbeschlüsse nicht nölhig sei, neue Ver bindlichkeiten zu übernehmen; 3) aus der Erklärung, daß die Kriegsbereit schaft fortdauern solle. Nur für den Punkt 3 brachte Preußen eine un- wesentliche RebactionSänderung in Vorschlag. Alle Gesandten, mit Aus nahme des bairischen, stimmten dem Entwurf bei. Hr. v. Schrenk war infolge der Abwesenheit des Königs von München ohne Instruction und wollte den Entwurf darum an den Ausschuß zucückgcwiescn haben. Da mithin der Entwurf-nicht alle Stimmen in sich vereinigte, so mußte die eigentliche Beschlußnahme auf die nächste Sitzung verschoben werden. Preußen. F Berlin, 20. Juli. Es fällt in Wien auf, daß Preu ßen sich jetzt nicht an Oesterreich anschließen will, wo letzteres dieselbe Poli- tik befolgt wie Preußen. Allerdings nimmt Oesterreich nun ebenso wenig am Kriege theil wie Preußen. Aber dessen Stellung ist immer noch eine so unklare und beunruhigende wie früher. Es will die vier Propositionen und zwar in der von ihm beliebten Form aufrechterhalten; dadurch kann es in Con- slict mit den Westmächten und vorkommendenfalls mit Rußland gerathen"; aus diesem Conflict kann ein Krieg entstehen. Soll Preußen wegen dieser österreichischen Ansicht dann zu den Waffen greisen? Oesterreich behält, trotz der Entlassung seiner Reserven, immer noch ein zahlreiches Heer mo- bil; soll Preußen, beziehungsweise ganz Deutschland, in gleichem Verhäll- niß seine Truppen mobilmachen? Es mag allerdings Oesterreich sehr wün- schenswerth sein, seine bisherige Politik, welche weder im Osten noch im Westen, weder von den Diplomaten noch von den Publicisten gebilligt wurde, von Preußen gebilligt und dadurch moralisch unterstützt zu sehen; es mag ihm noch mehr darum zu thun sein, jetzt, wo eS isolirt dasteht, weil eS mit seiner Politik cS mit Allen verdorben hat, an Preußen und Deutschland einen mächtigen Bundesgenossen zum Beistände bereit zu haben. Allein dann hätte eS sich vom Anfang an nicht an die Westmächte, son- der« an seine deutschen Bundesgenossen hallen, die deutschen Interessen nicht blos an der untern Donau, wo sie zugleich österreichische sind, son- der« auch in Norddcutschland unterstützen und vermeiden sollen, eine solche Differenz, wie sic jetzt zwischen Oesterreich und Preußen statlsindet, hcrbci- zuführcn. Solange aber Niemand weiß, wozu Oesterreich schließlich sich entschließen wird, solange ferner zu fürchten steht, daß cs Deutschland in seine außerdeutschcn Händel hineinzichcn und dadurch mit aller Welt in Streit verwickeln werde, solange wird Preußen, welches jetzt factisch an der Spitze des Bundes steht und Oesterreich ans seiner Suprematstellung heraus in die von 1850 zurückgcdrängl hat, sich wohl hüten, die österrei- chische Politik mit allen ihren Antccedentien und Consequenzen zu der sei- nigen zu machen und sich dadurch zu einer Nebenrolle in Deutschland zu verurthcilen. t Berlin, 20. Juli. Wie wir hören ist man im hiesigen Finanzmini sterium bereits eifrig mit den vorbereitenden Arbeiten für die Aufstellung des Budget, welches beim Zusammentritt des Hauses der Herren und des Hauses der Abgeordneten vorzulegcn ist, beschäftigt. Die allgemei nen Wahlen für letzteres HauS dürften vor dem Herbst nicht vorgenom- men werden. Es bekundet sich deshalb bisjetzt hier noch gar keine Thä- tigkcit in Bezug auf diese Wahlen. -77-Berlin, 20. Juli. Ich gebe Ihnen einige Auszüge aus einem höchst interessanten Briefe aus dem Lippeschcn, der sich im Preußischen Wochenblatt abgedruckt findet. Das Schreiben beginnt mit den Wor ten: „Hr. Fischer ist verhaftet! So rief mit Freuden ein Jeder dem Andern die Mär entgegen, die vor einigen Tagen die Weser-Zeitung, die frankfurter und leipziger Blätter uns brachten. Ans diesem Jubcl über eine unserm höchsten Staatsbeamten widerfahrene Beschimpfung möge man den Antheil ermessen, dessen sich Einser Cabinetsministcr im ganzen Lande erfreut." Der Brief geht sodann auf die Berufung des ehemaligen Flot- tencommissars zum Minister in Schaumburg-Lippe über, in welcher Bezie hung cs heißt: „Es ist eine traurige Geschichte, diese Berufung, durch welche die Revolution geschlossen werden sollte. Ein Land, blühend wie ein Gar ten, ein Volk von einfachen Sitten, in schlimmen Tagen durch Treue be wahrt, ein im Ganzen sehr achtbarer und pflichlgetreuer Beamtenstand, Al les seufzt unter der eisernen Zuchtruthe eines Individuums, das, berufen von unserer Junkcrpartei, dieser letzter» sofort den Gnadenstoß gab, sowie es sich in den Sattel gehoben hatte, und in einer in den Annalen deut scher Geschichte unerhörten Weise bisjetzt mit dämonischer Gewalt die Krone beherrschte, aber, statt sie zu stützen und in der öffentlichen Achtung zu heben, ihre Rechte und Interessen nur bloßstellte, der fürstlichen Familie die Liebe des Landes raubtc, und die sonst so allgemein respcctirte Negie rung zu allgemeinem Eespötte machte." Hierauf wird Das, was Hr. Fi scher mährend seiner Amtsführung als Minister gethan und ausgcführt, nä her beleuchtet. Auf dieses Detail wollen wir aber nickt weiter eingehen. Die angeführten Stellen genügen auch vollkommen. Es steht das Alles zwar außer Zusammenhang mit der Geschichte, die Hrn. Fischer in Gotha passirt ist, aber es ist doch sehr „schätzbares Material" zur Completirung des Urthcils über Hrn. v>. Fischer im Allgemeinen, und je eifriger gewisse Blätter für Hrn. vn. Fischer jetzt in das Horn des Unwillens und der Ent- rüstung stoßen, desto angemessener dürfte es Blättern von anderer Gesin nung wol erscheinen, zur Verbreitung dieses „schätzbaren Materials" das Ihrige bcizulragen. — Der Preußische Staats-Anzeiger berichtet aus Erdmannsdorf vom 19. Juli: „Der König hat gestern wieder einen, wenn auch nur leichten, Fieberansall gehabt, diese Nacht aber gut geschlafen." — Die Ostsee-Zeitung meldet aus Stettin: „Aus Hull vom 10. Juli ist hier die Nachricht eingcgangen, daß die Ausfuhr von Eisenplat- ten von ^/i« Zoll und darüber nach Preußen verboten ist. Es lagerten in Hull bereits große Quantitäten für preußische Rechnung unter Zollauf sicht. Am 14. Juli soll das Verbot noch auf halbzölliges Rundeisen und Stahl ausgedehnt worden sein." — AuS Köln vom 18. Juli schreibt man der Weser-Zeitung: „Das Mi noritenkloster ist bereits zum großen Theil nicdergerisscn, um dem neuen Museum Platz zu machen. Außer der ursprünglich ausgeworfcnen Summe von 100,000 Thlrn. und den nachträglichen 30,000 Thlrn. hat der Schenk geber Richartz ferner 12,000 Thlr. für Frescogemälde, dann die Repara tur der anstoßenken Minoritenkirche, und für den Fall, daß die Gelder nicht reichen, noch fernere Zuschüsse zugesagt, sodaß man annehmen darf, die Geldsumme werde sich auf 180,000 Thlr. belaufen. Das Beispiel wirkt; ein anderer stillreicher Bürger Kölns, Namens Frank, hat es übernommen, eine neue großartige Pfarrkirche zu St.-Mauritius im byzantinischen Stil, an die Stelle der alten baufälligen, aufzuführen. Es herrscht in Köln überhaupt noch aus der Zeit der freien Reichsstadt her viel Localpatriotis mus. — Die Erdarbeiten zum Brückenbau gehen auf der kölner Seite leb haft vorwärts; eine geringere Thätigkeit entwickelt sich auf der deutzer Seite." Baiern. Augöburg, 19. Juli. Zwei in der heutigen Frühstunde vorgekommene Unglücks fälle nehmen die Theilnahme der hiesigen Be völkerung mit Recht in Anspruch. Mit Ausbesserung einer sogenannten Senkgrube, die über 50 Fuß tief sein soll, beschäftigt, stürzte der betreffende Arbeiter (ein Maurer) in dieselbe. Als auf den entstandenen Lärm mehre Personen sich zur Hülfeleistung herbeidrängten, erklärte sich ein junger Mann