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Nr. 1«9 22. Juli L8SS Dklltschk Agmcim Zritilng «Wahrheit und Recht, Freiheit usd Tesch!» Zu beziehe» durch all« Postämter des Zn- und Auslandes, sowie durch die Eroeditlon in Leipzig (Querstraße Nr. 8). ItreiS für das Viertel jahr I'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Ans«rtionsge-«Hr für de» Raum emerZcilej 2 Ngr. Sonntag. Kripzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 4 Uhr auS- gcgcb.n. Die Bedrängung der deutschen Sprache in Schleswig. * Berlin, 20. Zuli. U«ber die von den Dänen ins Werk gesetzte und eifrig betriebene Bedrängung der deutschen Sprache in Schleswig ent hält die hier erscheinende Protestantische Kirchenzeitung für das evan gelische Deutschland einen von einem schleswigschcn Geistlichen verfaßten ausführlichen Aufsatz unter dem Titel: „Die deutsche Kirche in Schleswig." Derselbe gibt zwar nur eine einfache Darstellung der betreffenden Verhält nisse, um so lauter aber klingt der Nothschrei aus diesen, einfachen That- fachen hervor. Das Herz jedes Vaterlandsfrcundes muß mit tiefer Betrüb- niß davon erfüllt werden. Das kann, das darf so nicht bleiben, und jeden- falls ist es Sache der deutschen Presse, daß sie hier ihre Pflicht thue. Der gesunde Sinn der deutschen Schleswiger wollte niemals von der dänischen Sprache etwas wissen. Nach der Einführung des neuen Sprachrescriptö sendeten viele Landleute, die in ihrem Orte blos dänische Schulen hatten, ihre Kinder nach andern Orten in den Unterricht, wo sich eine deutsche Schule befand. Nach der dänischen Schulordnung ist es auch durchaus erlaubt, die Kinder in jede beliebige Schule zu schicken, eS mag deutsch oder dänisch in derselben unterrichtet werden. Gleichwol wurde das für unstatthaft erklärt, und so sind die deutschen Aeltern gezwungen, ihre Kin der dänisch bilden zu lassen. Mit der Kirche, resp. mit der Predigt, wurde und wird es, den ausdrücklichen Zusagen der königlichen Verordnung ganz entgegen, in gleicher Weise gehalten. Stimmen zur Abhülfe können im Lande nicht laut werden, denn die Presse ist geknebelt. Man ergriff das einzige noch übrige Mittel und petitionirle; aber auch das blieb ohne Er folg, und die Unterzeichner der Bittschriften wurden „wegen Formfehler" obendrein noch oft mit schweren Geldstrafen belegt. Alle Hoffnungen rich- leten sich unter diesen betrübenden Verhältnissen auf den schleswigschcn Land tag, der Ende 1853 zusammentrat. Aus allen Enden des Landes liefen Petitionen ein, deren Unterschriften über 10-000 betrugen. Die dänische Partei bestritt den Werth dieser Petitionen, indem sie sagte, ein Volk, das sich erst seit kurzem gegen seinen König empört (!) habe, könne auch in die ser Sache kein Zcugniß ablegen, dem man Vertrauen schenken könne. Wolle man die wahren Zustände des Landes kennen lernen, so müsse man sich an die Beamten (!) halten, deren Treue gegen die Regierung erprobt sei rc. Das konnte jedoch nicht verhindern, daß die Stände ein Comite' erwählten, welches aus Abgeordneten der Distrikte, in welchen man das Sprachrescript cingcführt hatte, zusammengesetzt war, unter Hinzuziehung deS Professors Sckmid, des allerhöchst dclegirten Mitgliedes der kielcr Uni versität, der zugleich Präsident der Versammlung war. Professor Schmid ist in dem betreffenden Sprachdistrict geboren, halte an einem andern Orte desselben lange gewohnt und an einem dritten ein Civilamt verwaltet, und war daher mit den Verhältnissen dieses Landcstheils sehr genau bekannt. Der von diesem Comite' erstattete, auf der speciellsten Landeskunde ruhende Bericht gibt uns die treueste Darstellung der wirklichen Verhältnisse. DaS Resultat war das ausgesprochene Verlangen: „Die Zustände in Kirchen und Schulen, wie sie vor 1850 waren, wenn auch mit einigen Modifika tionen, wiederhergestellt zu sehen, da sowol Wunsch als Bedürfniß der Ge- meinden hierzu auf das dringendste auffodcrn." In der specicllen Erörterung der Sache wurde als zweckmäßig erachtet, daß in dem gemischten Sprachdistrict die Predigt abwechselnd deutsch und dänisch gehalten, daß die Amtshandlungen in der Sprache vollzogen würden, welche jedes betreffende Gemeindeglied wünsche, daß aber in den Volksschulen der Unterricht deutsch verbleiben müsse, weil päda gogische Rücksichten eine Vertheilung beider Sprachen nicht zulicßcn. Um aber in jeder Hinsicht Billigkeit vorwalten zu lassen und jedem gegründeten Be denken zu begegnen, solle in diesen Districten für eine gehörige Kenntniß des Dänischen Sorge getragen und wöchentlich sechs Stunden dafür ange setzt werden. Für die Distrikte, wo sich beide Sprachen scheiden und wo cs den Umständen entsprechend sein dürfte, wenn die Bewohner beider Lan- dessprachen mächtig wären, wurde der Vorschlag gemacht, daß in derjeni gen Sprache, welche nicht die Unterrichtssprache bildet, vier Stunden wö chentlich, jedoch nur in den höher» Classen der Schulen, unterrichtet werde. In den rein deutschen Distrikten dagegen solle die deutsche Kirchen- und Schulsprache ausschließlich wiederhergcstcllt werden. Zu diesen rein deut schen Districten gehören nun aber nach dem Comitöbericht viele Gemein den, in welche die Dänen durch das Sprachrescript die dänische Kirchcn- und Schulsprache cingcführt haben, wie namentlich die ganze Landschaft Angeln und außerdem acht Kirchspiele der Propst« Flensburg, die nicht zu Angeln gehören. Wie groß die Zahl der Kirchspiele in den Propsteien Husum, Bredstedt und Tondern ist, kann für den Augenblick noch nicht genau angegeben werden. Dieser Comite'bericht wurde nun trotz der Op position der specifisch dänischen Partei mit großer Majorität, nämlich mit 24 gegen 11 Stimmen, angenommen. Der Beschluß fand aber wie alle frühcrn Vorstellungen und Bitten keine Beachtung; im Gegentheil wurde, um das Maß ganz voll zu machen, in der im verflossenen Jahr erschiene nen Verfassung der unheilvolle Zustand unverändert aufrechtgehalten. Die getroffenen Bestimmungen sollen fortan sogar als ein Theil der Verfas- ! sung angesehen werden, „um", wie cs in den Motiven der Verfassung heißt, „der Gleichberechtigung (!) beider Sprachen im Hcrzoglhume Schles wig den stärksten Schutz (!) zu verleihen und so die königliche Zusage zu erfüllen" (!). Die Folgen dieses höchst unseligen Verhältnisses liegen nahe. Da, wo das Vertrauen des Volks zur Regierung immer mehr erschüttert werden muß, wo schon die Kinder ost mit einem gewissen Trotz in die Schule treten, in welcher ihnen eine fremde Sprache aufgedrungen werden soll, wo Prediger das Amt verwalten, die man mit Mistraucn anblickt, wo das Evangelium in einer Sprache verkündigt wird, die man nicht hö ren will: da kann nichts Gutes gedeihen. Beispiele sind oft genug vorgc» kommen, daß an Sonntagen, wo dänisch gepredigt ward, außer den Per sonen, die nothwendig zugegen sein mußten, kein einziges erwachsenes Mit glied der Gemeinde in der Kirche war. Aber auch der deutsche Gottes dienst ist nicht immer mehr so besucht wie vormals. Leider gibt cs wenn auch glücklicherweise nur einzelne Prediger, die in der Sprachfrage mit dem Dänenthum in einer Art von Wohldienervcrhältniß zu stehen schei nen, und von diesen wendet das Volk sich ab. Man muß, sagt der schlcs- wigsche Berichterstatter, die Zustände des Landes und den tiefen Schmerz deS Volks selbst gesehen haben, um die heillosen Folgen dieser gewaltsa men Einführung der dänischen Sprache in ihrem ganzen Umfang ermes sen, um die volle und gerechte Indignation gegen ein Regierungssystem fassen zu können, das so rücksichtlos das Heiligthum der Sprache nicht mehr achtet, daß dem sittlichen und kirchlichen Leben des Volks so tiefe Wunden schlägt. So sind nun die betreffenden Verhältnisse, so die Zähig keit, mit welcher die deutschen Schleswiger an ihrer Muttersprache festhal ten. Verdient diese Zähigkeit nicht unsere volle Sympathie? Ist es nicht unsere heilige Pflicht, Alles aufzubicten, daß der unserer Muttersprache drohende Schimpf abgewendet werde? Ist das nickt etwa auch ein „deut sches Interesse", und wäre es nicht die betrübcndste Ironie, wenn man, indem man mit so vieler Emphase von deutschen Interessen an der untern Donau und im Schwarzen Meere spricht, es zuließe, daß dicht vor unserer Thür und eigentlich noch halb in unserm Hause, das heiligste Gut der deut schen Nation, ihre Muttersprache, in so himmelschreiender Wcisc mit Füßen getreten würde? Aktenstücke in der orientalischen Frage. Wir entnehmen den letzten dem englischen Parlament vorgelegtcn Ak tenstücke» noch Folgendes: In einer an Lord I. Russell gerichteten Depesche Lord Clarendon's vom 3. April wird Erstcrm der Plan der französischen Regierung mit» getheilt, die Ausschließung aller Kriegsschiffe aus dem Schwarzen Meere (die Neutralisation) zu beantragen, und ihm zugleich angeze'gt, daß Hr. Drouin de LhuyS nach Wien reise, um diesen Plan dem wiener Cabinet vorzulegen, nachdem er vorher persönlich die Billigung des londoner Cabi» nets eingeholt habe. Es folgt hier der bekannte französische NeutralisationS- und Limitationsvorschlag. In einer Depesche an Lord Clarendon berichtet Lord I. Russell auS Wien vonl 10. April über eine am 9. April stattgefundene Conferenz, bei welcher er, Lord Westmorland und die beiden französischen und österrcicki- schcn Bevollmächtigten anwesend waren. Graf Buol erklärte bei dieser Ge legenheit, Oesterreich werde es mit Vergnügen sehen, wenn Rußland das NeutralisalionSprojckt annehmcn wolle, könne aber nicht glauben, daß das- selbe in diese seine Entwaffnung willigen werde. Oesterreich wäre nicht minder erfreut, wenn das Limilationsprineip angenommen würde, sci je doch in, Falle einer Weigenmg nicht bereit, den Krieg zu erklären, nach dem Rußland im ersten und zweiten Punkt Concessioncn gemacht habe und im dritten Punkt wahrscheinlich weitere machen werde. Hr. Drouin de LhuyS bemerkte darauf, daß die Westmächte für die befriedigende Erledi gung des ersten und zweiten Punktes einständcn, und ein Gleiches von Oesterreich für den dritten Punkt zu fodern berechtigt seien. Da« Gewicht der Sache beruhe eben auf der solidarischen Verbindlichkeit, für alle vier Punkte gemeinsam einzustehen. Lord I. Russell hob hervor, daß die Idee eines „Gegengewichts" im Schwarzen Meere unpraktikabel sei, daß Oesterreich in Bessarabien nicht die geringste Diversion zu Gunsten der Al- liirten gemacht habe, und daß die Westmächte im Interesse Oesterreichs so wol wie des übrigen Europa die ersten beiden Punkte durchgescht hätten. DaS Ende der Konferenz war, wie Lord I. Russell meldet, daß Graf Buol nicht weiter sagte, Oesterreich wolle im Falle eines Bruchs die West- Mächte nicht weiter unterstützen. Graf Buol sprach vielmehr davon, dcn