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i«rr heiterer, wonniger Sonntagabend, die Luft fächelte erfrischend vom Meeres- ufer um unsere Schläfe, al« eine Schar Männer, etwa 80 an der Zahl, in der Gegend de« Nordcrlhors dahergcschritten kam, die einstimmig ein deutsches, cchtdeutsches Lied, welches in ihrem Vaterlande verboten ist, hellauf und mit volltönenden Stimmen choralmäßig sangen. Ihr Bericht erstatter, der zufällig in Begleitung mehrer Freunde (Dänen) ebenfalls Wohlgemuth von einer Landpartie hcimkehrte, konnte sich nicht des Ver gnügens berauben, den Wagen halten zu lassen, um die kräftigen deut schen Gestalten unter Sang und Klang nahe an sich vorübermarschi- ren zu sehen. Eine Thräne der Freude über diese lieben, süßen Hei- malsklängc mochten ihm in den Augen stehen, und der Zugführer, den ich kannte, mußte dies bemerkt haben, weil er auf mich zutrat und mir auf recht herzlich derbe deutsche Weise seine kräftige Hand zum Gruße bot. Selbst Danen mit ihren Frauen und Mädchen strömten hin ter dem Zuge her und stimmten ein in den herrlichen deutschen Gesang, und es wäre Niemandem eingefallen, dieselben wegen ihre Liebe zum Vatcrlande zu verhöhnen. „Ein kräftiger Schlag Menschen", sagte mein Freund, der Candidat H. (der sonst nicht gut auf die Deutschen zu sprechen ist), „und schade", fügte er hinzu, „daß dieselben nur außerhalb ihres Vaterlandes ihre Einheitsbestrebungen geltend zu machen suchen!" Der Zug ging nach der im vorigen Jahre nach deutscher Art neu erbauten bairischen Bierhalle des Hrn. Heimann, wo hoch am Plafond ein großes Faß (nicht ckber wie das in Hei delberg) angebracht ist, auf welchem zwei sehr schöne, große, aus Holz ge- schnitzte Figuren reitend zu sehen sind. Die zur rechten Hand am Ein- gange stellt einen deutschen Bierbrauer vor, der seinem Nachbar, einem dä nischen Brauer, das Halbglas mit bairischem Bier vollgefüllt zum Anstoßen auf gute Freundschaft hinhält, worauf der Däne, der das kleine mit Weißbier gefüllte Glas in der Hand hält, bereitwilligst eingeht. Links und rechts um diese beiden Trinker sieht man die dänischen und bairischen Fah nen in herrlichster Eintracht gruppirt. Hr. Heimann hat es gut verstan- den, obgleich ein geborener Däne, seinen Gedanken Ausdruck zu geben! Hier sicht man nun Alles bunt gemischt. Arbeiter mit Arbeiterinnen, Bürger und Bürgersfrauen, ja selbst Herren und Damen der höhern und höchsten Gesellschaft verschmähen es nicht, sich in den Knäuel von diesen frohen Menschen zu wagen, um das gute bairische Bier zu trinken und sogenannte frankfurter Würstel zu essen. Selbst der Erbprinz Ferdinand beehrte im vorigen Jahre diese Bicrhalle, und in der diesjährigen mag er schon öfter, was ich aber nicht weiß, anwesend gewesen sein. Bairisches Bier ist die Losung an allen Orten in Kopenhagen, und unbemerkt schlüpfen deut sche Gebräuche, an denen Dänen selbst so großen Wohlgefallen haben, bei solchen erfreulichen Erscheinungen mit in ihre Sitten hinein. Vor nicht gar langer Zeit konnte oder wollte man hier noch kein bairisches Bier trinken, und die Dänen tranken nichts Anderes als Weißbier und den hierzu unvermeidlichen Danskebrannlwein. Jetzt aber hat das Trinken bairischen Biers so überhandgenommen, daß die sämmtlichen Bierbrauer, deren hier gerade nicht wenige sind, und die sich auf die Erzeugung desselben in ausgedehn tester Weise verlegten, nicht so viel produciren können, als zur Konsumtion nothwendig ist. Bereits muß um theures Geld aus Norwegen und Deutsch land Bier bezogen werden. Wir haben stettiner, Wismarer, kieler und chri- stianicr Bier an allen öffentlichen Orten. Skußlanr. Die sowol von russischer als westmächtlicher Seite vorliegenden tele graphischen Nachrichten über die Wirkung des Bombardement von Sweaborg weichen bedeutend voneinander ab, wie aus dem Wortlaut ersichtlich ist, den wir hier folgen lassen. Die eine Depesche ist aus Dan zig vom 17. Aug. Morgens datirt und sagt: „Dcr Nulture, der am 13. Aug. Sweaborg verließ, ist hier eingctroffen. Die Mannschaft desselben meldet, daß, nachdem Sweaborg mit Ausnahme der Festungswerke von Seiten der Wcstmächte gänzlich zerstört worden, die Flotte derselben am 13. Aug. theilS nach Kronstadt, theilS nach Nargen gesegelt sei." Eine pariser De pesche vom 17. Aug. Morgens lautet ferner: „Der heutige Moniteur ent hält einen Artikel, in welchem eS über die Affaire bei Sweaborg heißt: «Die Tragweite ist für die folgenden Operationen im Baltischen Meer un berechenbar. Die Stadt ist in Äsche, die Batterien sind zusammengeschos- sen, Sweaborg existirt nicht mehr.»" Dagegen besagt eine Depesche aus Petersburg vom 16. Aug.: „Das Bombardement von Sweaborg hat ge endet und weder an den Batterien noch an den Festungswerken Schaden verursacht; einige Häuser sind verbrannt. Helsingfors ist unversehrt, eine eng lische Fregatte kampfunfähig. Die Flotte ist nach Nargen." Ueber das Bombar dement am 9. und 10. Aug. bringt der Russische Invalide vom 11. Aug. folgende Depeschen: „9. Aug., 12 Uhr 20 Min. Das heute begonnene Bombardement Les Feindes gegen Sweaborg wird mit solcher Heftigkeit fortgesetzt, daß in einer Minute 15 — 20 Schüsse fallen. Unsere Artillerie, hauptsächlich von der Nikolajew'schen Batterie erwiderte es mit Erfolg. — 2 Uhr -10 Min. Nachmittags. Das Feuer des FeindeS hat sich außerordentlich ver- stärkt; die Zahl seiner Schüsse beläuft sich in einer Minute auf 30. Zwei der feindlichen Fregatten und rin Dampfer haben sich zwischen Melck-Oe und DrumS-Oe postirt und richten auf die letzte Insel ein lebhaftes Feuer. Im Ganzen sind von der Flotte an 5000 Bomben geworfen. — 5 Uhr 55 Min. DaS Bombardement des FeindeS dauert ununterbrochen fort, doch hat eS von 3 Uhr Nachmittags ab nachgelassen. Auf der Insel Said- hamn wirkten unsere Batterien mit so großem Erfolg, daß die feindlichen Fahrzeuge Mittags aus unserer Schußweite sich entfernten, und daß eins der Schiffe, welches am Hintertheil beschädigt wurde, hinwegbugsirt wer- Len mußte. — 8 Uhr 15 Min. DaS Bombardement nimmt noch nicht ab, — 10. Aug., 12 Uhr 29 Min. Mittag-. Mit dem Einbruch der Nacht fing der Feind an außer den Bomben Congreve'sche Raketen nach Sweaborg hineinzuwerfen. Nach einer ungefähren Schätzung wurden am 9. Aug. von 7 Uhr Morgen« bi« 8 Uhr Abends nicht weniger als 10,000 Bomben vom Feinde in die Stadt geworfen; augenblicklich wirft er noch außer den Raketen bi« zu 30 Bomben in der Minute. — 2 Uhr 10 Min. Nachts. Das verstärkte Schleudern der Raketen auf die Fe- stung, die Inseln und Fort- nimmt nicht ab. Die Zahl der geworfe- ncn Bomben ist nicht so groß. Der Geist unserer Krieger ist vortrefflich. — 7 Uhr 34 Min. Von 2 — 4 Uhr Nachts war das Feuer schwächer; doch von 4'/, Uhr Nachts hat sich die Wirkung des Bombardement der Mör serboote von neuem verstärkt. — 9 Uhr 50 Min. Der Feind hat seine Mör ser- und Kanonenboote mehr nach seiner linken Flanke hingezogen und con- centrirt sein Feuer gegen die Befestigungen von Wcsterswarte; doch, Gott sei Dank! bisjctzt ist es ihm noch nicht gelungen, denselben Schaden zuzü- fügen. Alle Werke und Batterien sind unversehrt." -f-Helsingör, 15. Aug. Nach einer soeben hier an das englische Generalkonsulat eingegangenen telegraphischen Depesche wurde Sweaborg vom 9. bis zum 11. Aug. ununterbrochen bombardirt, und die Festung sammt allen andern Gebäuden soll total in Flammen stehen. Heute als am Namenstage des Kaisers der Franzosen soll das Bombardement von der westmächtlichen Armada an mehren Stellen im Baltischen Meere ge- gen die russischen Festungen erneuert beginnen, vornehmlich aber Hclsing- fors, welches mit bedeutenden Strandbatterien versehen ist, hierzu auser- sehen sein. Die Helsingforser haben, wie Sie bereits mittheiltcn, bis auf wenige unbemittelte Bewohner die Stadt verlassen, und am 9. Aug. woll ten Alle daselbst davonlanfen und mußten mit Gewalt von russischen Sol- baten zurückgchalten werden. Es scheint sonach, daß auS dem bisherigen Schcinkrieg im Baltischen Meer Ernst werden sollte. Durch ein englisches Avisodampfschiff, welches außen auf der Rhede liegt, wurde die Nachricht hier verbreitet, daß ein preußisches Kauffahrteischiff, welches Kohlen und Proviant für die englische Flotte an Bord hatte und von einem englischen Kriegsdampser in der Finnischen Bucht ins Schlepptau genommen war, auf eine ncugclegte unterseeische Höllenmaschine der Russen gestoßen sein soll und total zertrümmert wurde, auch mit Besatzung und Last sofort ver sank. Das Kriegsschiff hätte keinen Schaden gelitten. Die Russen sollen in großer Menge neue derartige Höllenmaschinen an die Stelle der von den Engländern aufgefischten ausgelegt haben. o Kopenhagen, 16. Aug. Berichte, die uns durch englische Kriegs- dampfschiffe heute und gestern zukamen, entwerfen ein gräuliches Bild von der durch volle drei Tage mit 12—14 großen Kriegsdampfschiffcn erfolgten Bombardirung SweaborgS. Die Festung soll einer Ruine gleichen und alle Pulverthürme, durch Bomben zertrümmert, mit schauerlichem Getöse mit Menschen und Steinen in die Luft geflogen sein, sich aber trotz des großen Menschenverlustcs noch immer kräftig zu Vertheidigen suchen. Der Kampf soll, wie man sich hier erzählt, am 9. Aug. früh begonnen haben. Glückt die totale Einäscherung SweaborgS von Seiten der westmächtlichen Armada, so wird ohne weiteres ihr nächstes Streben sein, die gleichfalls so starke Festung Kronstadt mit Feuer und Schwert heimzusuchen, da der Muth, durch den Erfolg gesteigert, nach neuer russischer Festungsvernich tung sich sehnt. Wenn Sweaborg in Asche gelegt ist, so ist die Stadt Hel singfors, der Sitz des Commandirenden in Finnland, Generals v. Berg, in der höchsten Gefahr. Türkei. Wie aus der Ostsee, kommen jetzt auch auS der Krim Nachrich ten von erneuter Thätigkeit auf dem Kampfplatz. Wir erhielten heute über Berlin folgende telegraphische Depesche: * London, 17. Aug. Abends. (Telegraphische Depesche.) General Liprandi hat die Tscherna-Rjetschkalinie mit etwa 60,000 Mann angegriffen, wurde aber mit einem Verlust von 4 — 5000 Mann zurückgeschlagen. Der Verlust auf Seiten der Alliirten ist nur klein. — Berichten aus Konstantinopel vom 6. Aug. zufolge werden im Lager von Maslak 60,000 Mann erwartet. Im Frühjahr soll eine Operation nach Bessarabien bevorstchen. Der Malakow soll Mitte September wieder bestürmt werden. — Die Oesterreichische Zeitung vom 16. Aug. sagt: „Wir erhalten von guter Seite die Mittheilung, daß die Alliirten fest entschlossen seien, den Kriegsschauplatz im künftigen Frühjahr an die Donau zu verlegen. Man hofft, den Krieg in der Krim bis dahin in einer die Waffenehre be friedigenden Weise erledigt zu haben. Die Sachen in Deutschland dürften dann allerdings durch die Nähe des Kriegsschauplatzes ein ganz anderes Ansehen erhalten, und unser Gewährsmann berichtet unS von unumwun denen Erklärungen des Grafen Walewski an den preußischen Gesandten bei Gelegenheit der Urlaubsreise des Letztem nach Berlin, in welchen von preu ßischen Häfen die Rede gewesen sein soll. Daß die Alliirten ferner im Sinn haben, die Türkei permanent zu occupiren, haben wir bereits er wähnt, und fügen nur noch hinzu, daß dieser Entschluß den deutschen Großmächten bereits mitgetheilt worden ist. Varna, Gallipoli und die Dar danellen werden zu großartigen Waffenplätzen umgeschaffen, welche stets schlagfertige TruppencorpS beherbergen werden. ES ist ferner beschlossen, um Rußlands Halsstarrigkeit zu brechen, im nächsten Frühjahr die Be schießung und Zerstörung aller nur zugänglichen russischen Häfen einzulei ten. Die französischen und englischen Werfte arbeiten rastlos an einer Un zahl von Kanonenbooten."