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1621 lung an Intensität gänzlich vcrloren; er sind in Piemont nur Wenige, welche darum einen Stein gegen die Regierung ausheben. Die Steuer- unruhen in Genua haben sich gelegt, die Conscriptionsunordnungen auf Sardinien desgleichen, und von letzter« zeigten die Arrestationen deutlich eine Mitwirkung der Geistlichkeit — ob freilich auf höhere Weisung, kann hier nicht behauptet werden. — Die sterblichen Reste des ehemaligen Ge nerals Wilhelm Pepe wurden unter glänzendem Geleite zur Ruh« be- stattet, und zwar zur Seite Gioberti's. Emanuel Arago, General D'Ayala und Advocat Boggio sprachen am Grabe. Unter den dem Zuge Amvoh- «enden waren von Ministern nur Lanza bemerklich, dann die Senatoren Givia, Castelli, Valerio, Correnti, namentlich viele Offiziere des General- stabS und die Emigranten natürlich in großer Masse. (Nach der Allge- «leinen Zeitung war Pepe Protestant.) Neapel und Sicilien. Man schreibt der Allgemeinen Zeitung aus Nom vom 8. Aug.: „In Neapel wurden bereits drei Herren weltlichen Stan- des exilirt, weil sie das Verbrechen begingen, die Civiltä cattolica zu lesen. Einer derselben ist der Advocat Cattcrini. Als ihm ohne vorhergehendes Rechtsverfahrrn die Exilirung notificirt wurde, erklärte er, man möge ihm doch das Gesetz nachweisen, welches er übertreten habe. Als Advocat müsse er Kenntniß der Gesetze und Verordnungen dcS Staats haben, dem er an gehöre; aber ein allgemeines öffentliches Verbot die Civilta cattolica zu le sen sei ihm nicht bekannt. Man nahm auf diese Vorstellungen keine Rück sicht, sondern entließ ihn mit der Bemerkung, er könne ja in Nom die Ci- viltä cattolica unmittelbar beziehen, vr. Cattcrini befindet sich nun hier in Rom." Spanien. Nach Berichten aus Madrid vom 11. Aug. hatte TagS zuvor auf dem Stadthause der öffentliche Verkauf der Nationalgüter begonnen. Viele Kauflustige waren erschienen, und manche Güter erreichten den dop pelten Schätzungswerts». Frankreich. Paris, 16. Aug. Der Moniteur, welcher heute trotz der gestrigen Feierlich keit des Napoleonstags erschienen ist, beschränkt sich auf die Mittheilung der Vorstellungen, welche bei dieser Gelegenheit in den Tuilerien dem vor her fcstgestellten Programm gemäß stattgefunden haben. Das amtliche Blatt veröffentlicht keine Rede. Das Fest ging übrigens gestern gut von- statten. Die Illuminationen waren glänzend. — Dem Staatsrath ist ein Gesetzentwurf vorgelcgt worden, welcher die Pensionen der Witwen der in der Krim getödteten Krieger verdoppelt. — Der Constitutionnel zieht in einem länger« Artikel eine Parallele zwischen der Lage und den Streitkräften Rußlands und der West mächte, worin er den ungeheuer» Ruin zu schildern sucht, den der für diese ohne Finanzkrise, ohne außerordentliche Aushebungen vonstatten gehende Krieg schon über Rußland gebracht hat, und seiner Ansicht nach, ob Se- wastopol über kurz oder lang genommen werde, dasselbe nothwendigerweise cntmuthigen und brechen muß. Der Constitutionnel macht hierbei folgende interessante Angaben: Rußland, das nie mehr als 500,00V Mann auf den Beinen gehabt, besitze auch jetzt nur 600,000 Mann, und zwar, die in den Nordprovinzen dctachirlen Corps beiseite lassend, 110,000 in der Krim und zu Perekop, 18—20,000 Mann Cavalcric einbegriffen; 80—100,000 Mann von Perekop bis Bessarabien und in den Gouvernements Cherson und Po- dolien, worunter der größte Theil der kaiserlichen Garde, 15,000 in Polen, 50,000 in Finnland und an den Küsten der Ostsee, 30—35,000 in Asien, was mit Einschluß der Petersburger Besatzung und der Depots für die Re gimenter -100,000 Mann ausmache. „Aber", fragt der Constitutionnel, „wie ist es mit der moralischen und materiellen Lage dieser Truppen? Die Sol daten langen in der Krim nur nach Eilmärschen ohne regelmäßige Verpro- viantirung an; alle Provinzen, durch die sie kommen, werden erschöpft durch Requisitionen, wobei alle arbeitsfähigen Leute, Pferde und Karren wegge- nommen werden und eine der Mittel zur Erneuerung ihrer Ressourcen be raubte Bevölkerung zurückblcibt. Wir könnten eine Provinz nennen, die außer dem Militärcontingent nahe an 100,000 Mann zum Transportdienst der Intendantur und Ambulancen geliefert hat, und das auf eine Bevölke rung von 1,500,000 Seelen! Typhus und Cholera richten furchtbare Ver- heerungen unter den in Unordnung den: Sewastopol belagernden Feind ent- gegengeworfcncn Mcnschenmassrn an ..." Kurz dieser Krieg scheint dem Con stitutionnel dermaßen Rußland in jeder Hinsicht zu erschöpfen, daß man in Petersburg selbst schon daran zu denken anfange, wie nur Ruhe und Frie den einen solchen Ruin wiedergutmachen können. — Der Kölnischen Zeitung schreibt man aus Paris unterm 16. Aug.: «Heute theile ich Ihnen «ine Nachricht mit, welche schon oft die Runde durch die Zeitungen gemacht hat und die vielleicht auch diesmal, wie schon oft zuvor, bestritten werden möchte. Ich glaube Ihnen mit Bestimmtheit melden zu können, daß der Kaiser in diesem Augenblick fest entschlossen ist, die mehrmals beabsichtigte Reise nach der Krim anzutreten. Dieselbe soll in den ersten Tagen des nächsten MonatS stqttfinden. Die Gründe, welche den Kaiser bestimmen, sind einleuchtend. Die gewünschte Einheit in der Heerführung der Armee wird nur dann völlig hergestellt sein, wenn «ine Persönlichkeit, die unbestritten über den Generalen steht, an der Spitze der bei den Armeen sich befindet. Dcr Kaiser dürfte sich diesmal kaum wieder von seiner Absicht abwenden lassen, darf man nach der Festigkeit schließen, mit welcher er sie ausspricht, — Ein College von mir hat mitgetheilt, Paß Marschall Kastel lane sich dein; Prinzen Napoleon gerechtfertigt hätte über eine Handlung, die dem Marschall zur Last gelegt wurde. Die Thatsqche ist richtig i doch kann ich hinzufügen, daß Marschall Castellane die Sache geleugnet, und daß nach einer strengen Untersuchung sich hcrausgcstellt hat, dass die An klage gegen den Marschall eine ganz ungerechtfertigte gewesen sei. Derselbe wird also seinen Posten in Lyon wol weiter behaupien, obgleich bemerkt werden muß, daß allerdings die Nebe davon war (nicht aus den durch die Journale angegebenen Gründen), ihn durch Marschall Baraguay d'Hillicrs, aber nicht durch Canrobert zu ersetzen." — Die schwimmende Batterie Devastation, die von Cherbourg vor zwei Tagen abging, ist vom Fregattencapitän Montaignac de Chau- vance befehligt. Sie hat eine Bemannung von 200 Mann und ebenso viel Seesoldaten. Diese furchtbare Kriegsmaschine ist mit 16 50-Pfün- dern armirt und hat Munition zu 500 Schüssen per Geschütz, nämlich 400 Voll- und 100 Hohlkugeln. Seine enormen Kanonen sind auf große Tragweite (über eine Stunde) mit einer Ladung von 8'/z Kilogramm Pul ver berechnet. Das Gewicht einer jeden ohne die Laffete ist 93'/, Ccntner, sonach für die 16 Stücke 1493 Ccntner oder 5493 Centner, wenn nian das Ge wicht dcr Munition hinzufügt. Der Albatros, der die Devastation ins Schlepptau genommen, um sie nach dem Schwarzen Meere zu führen, hat eine Anzahl Munition und Kanonen dieser mächtigen Kriegsmaschine an Bord genommen, um die durch diese schwere Artillerie verursachte beträcht liche Ueberladung zu mindern. Aus der Schweiz, 15. Aug. Man schreibt der Schweizerischen National-Zeitung aus dem Elsaß folgenden Vorfall von Intoleranz, der sich kürzlich zu Thann zugetragen hat, und worüber die dortige Presse schwei gen müsse. Ein dasiger geachteter Fabrikant, Namens Dclaville, welcher selbst der katholischen Confessio« angchorte, dessen Frau und Kinder aber evangelisch sind, lag todesgefährlich auf dem Krankenlager. Der katholische Seelsorger des Orts erschien und erklärte dem Kranken, ihn weder zu Beichte hören noch ihm Absolution geben zu können, eS sei denn, daß er und seine Frau verspreche, die Kinder katholisch umtaufen und erziehen zu lassen. Dclaville verweigerte dies mit dem Bemerken, er habe bei seiner Verheira- thung seiner Frau die evangelische Erziehung der Kinder zugesagt. „Ein Versprechen, das man einem Protestanten thnt, bindet kein Gewissen", ver setzte der Geistliche. „Heiden und Wilde können gerettet und selig werden; Protestanten können cs nicht." Es entstand auf diese Aeußerung zwischen dem Pfarrer und einem anwesenden protestantischen Freunde des Kranken ein heftiger Wortstreit. Der Pfarrer ging, ohne Absolution zu ertheilcn. „Dcr liebe Gott hat Euch erkranken lassen, weil Ihr nicht versprechen wollt, was ich von Euch verlange", meinte der Pfarrer. Als sich der Zustand des Kranken verschlimmerte, wurde dcr Geistliche wieder geholt; er beharrte je doch darauf, nur unter der gestellten Bedingung den Kranken zur Beichte zu hören. Dieser verschied. Die Familie des Verstorbenen hatte sich nun mit dem evangelischen Ortsgcistlichcn dahin verständigt, daß er das Begräb- niß begleiten sollte. Allein es kam Befehl von der Polizei, dcr evange lische Geistliche habe, um nicht Anlaß zu Ruhestörungen zu geben, das Lei- chenbcgängniß nicht zu geleiten. Ueberdies mußte der Verstorbene noch am selben Abend des Verscheidens zu Grabe getragen werden, wobei statt eines Geistlichen ein Polizeicommissar das Geleite gab. Großbritannien. -s-London, 16. Aug. Nach den neuesten Berichten aus Lissabon scheint man auch dort den Anschluß an die Westallianz zu erwarten. Ein gouvernementaleS Blatt, welches immer für Saldanha in die Schranken trat, spricht sich über den Beitritt Spaniens zur Westallianz in solcher Weise aus, daß man zu der Annahme berechtigt ist, daß das portugiesische Ca- binet dem Beispiele des madrider Cabinets folgen werde. Dänemark. X Kopenhagen, 10. Aug. Trotz aller Geiferei in der hiesigen Press« über das „große deutsche Vaterland" verschwindet doch im Publicum nach und nach immer mehr der Haß gegen Deutschland und die hier lebenden Deutschen, und die deutschen Sitten und Gebräuche brechen sich trotz dieser ultranationalen Presse siegreiche Bahn im skandinavischen Norde». Mit wahrer Freude ist es zu sehen, wie selbst auf fremdem Boden dieselben Gebräuche wie im geliebten Heimatlande hellgrünend emporzuwachsen ver mögen, wenn Einheit unter den Deutschen im Auslande herrscht. Gestat ten Sic mir ausnahmsweise heute auf ein Gebiet hinüberzuschweifen, wel ches als Ausnahme zu dcr rein politischen Berichterstattung vereinzelt steht. Schon einige Jahre früher versuchten mehre hier lebende deutsche Pro- fessionisten einen deutschen Gesellschaftsverein zu gründen. ES ge lang ihnen auch unter dem Namen „Concordia" wirklich einen Verein zu schaffen, der aber leider bald wieder in Nichts durch die im Körper selbst entstandenen Misheüigkciten zerfiel, und nur wenige Zweige desselben grün ten, wenn auch vereinsamt, am dorrenden Stamme fort. Dieses Jahr scheint aber einem solchen Vorhaben gedeihlicher werde» zu wollen, da di« wenigen grünenden Zweige, durch neuen Samen genährt, dem Stamme belebende Kraft «inzuimpfcn vermochten. Ein Turnverein, an dessen Spitze ein aus Dresden gebürtiger Optiker steht, ein hoher, junger, schlanker Mann, gab, soviel wir hören, den Impuls zu dessen Schöpfung. Viele Ait- glieder, bisher größtentheils deutscher Zunge, schlossen sich freudig diesem vaterländischen Unternehmen an, und jetzt ist auch bereits eine namhqste Zahl Dänen dem Verein, der im fredttiksberger Schloßgarten seine Turn übungen vornimmt, beigetreten. Doch steht diese Aufgabe des Vereins nicht vereinzelt da. Auch Sang und Klang soll unter den fröhlichen Menschen herrschen und ihr Hguptbestreben geht nun auch dahin, gleichwie in Deutsch land einen Sängerbund zu gründen. Vor nicht langer Zeit, es war ein