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162« Deutschlan-. Preußen. Der Hannoverschen Zeitung schreibt man aus Berlin: „Die Verhandlungen mit den vormals NeichSunmittelbaren sind zwar noch nicht zum Abschluß gebracht, auch soll die Auffoderung unserer Negierung, daß dieselben ihre Ansprüche einzeln einbringen möchten, von dem Prinzen von Bentheim - Steinfurt im Namen seiner Auftraggeber abgelehnt und daS Erscheinen derselben in dec I. Kammer dadurch auch für die bevorstehende Session zweifelhaft geworden sein; nichtsdestoweniger sind die Gerüchte, welche diese CoUision in ein noch schärferes Licht stellen, als unbegründet zu bezeichnen und ist die Möglichkeit einer befriedigenden Lösung dieser Frage noch keineswegs abgcschnitlen. Am allerwenigsten dürfte der in süddeutschen Blättern aufgetauchten Vcrmulhung beizustimmen sein, daß die Mediatisir- ten sich bereits entschlossen hätten, von der Verhandlung mit unserer Re gierung gänzlich Abstand zu nehmen und ihre Rechtsansprüche unmittelbar beim Deutschen Bunde geltend zu machen. Es ist dies umsoweniger zu erwarten, als Privilegien, welche die Bundesacte dem ehemaligen reichs ständischen und reichsrilterschaftlichcn Adel zugestcht, vorzugsweise von der preußischen Negierung in Obhut genommen wurden. Die Interessenten wür den sich offenbar im Lichte stehen, wenn sie eine Appellation über die In stanz hinaus versuchten, welche bisher zu ihren Gunsten das Meiste ge- than hat." Knrhcssen. Kassel, 11. Aug. Der Consistorialrath und Referent im Ministerium des Innern, Or. Vilmar, ist nun doch zum General- superintendentcn ernannt worden. Dem Vernehmen nach sollen in der ge strigen Sitzung des Gesammtministcriums, welcher der Kurfürst beiwohnte, noch mehre wichtige Beschlüsse gefaßt worden sein, welche nicht ohne Einfluß auf die Entwickelung der dermaligen Verhältnisse bleiben werden. (Frkf.J.) Oldenburg. Dem Vernehmen nach hat der Graf Karl A. F. v. Bentinck den Versuch, der Ausführung der Verträge über das Aldenburg- Bentinck'sche Fideicommiß Hindernisse zu bereiten, aufgegeben, und kürz lich die ihm persönlich zukommenden 200,000 Thlr. aus der Staatskasse empfangen. (O. Z.) Freie Städte. Frankfutt a. M., 11. Aug. Das Frankfurter Journal enthält folgenden Artikel: „In den jetzt so vielfach auftauchenden Fragen ist die eigentlich theologische Seite bei weitem die minder wichtigste. Dogmatische Behauptungen könnten getrost der Geistlichkeit überlassen blei ben, wenn diese sie nur mit geistigen Mitteln geltend zu machen suchte. Freilich aber wird die Rcchtgläubigkcit, das sogenannte Positive, welches nicht selten der Natur und der Vernunft gegenüber destruktiv erscheint, durch weltliche Mittel und Gewalten gestützt. Was jedoch nicht blos dem Frie den und der Sicherheit der staatlichen Gesellschaft, sondern eben auch der an ihrer Spitze stehenden weltlichen Macht die größte Gefahr droht, das sind die politischen und socialen Foderungcn der Kirchengewalt, welche nicht minder das historische Recht des Throns als das sociale der Familie antasten. Insbesondere verweisen wir für das Verhältniß des Papstthums zum Staat auf das Juliheft der von Bran und Fischer mit Umsicht und Besonnenheit redigirten Minerva. Dort beweisen uns «culturpolitische Warne stimmen» durch urkundliche Belege von der frühesten bis in die heutige Zeit, daß keine Staatsgewalt, und am wenigsten die monarchische, die an geblich göttlichen Rechte des römischen Bischofs anerkennen darf, wenn sie nicht ihr eigenes Vernichtungsurtheil aussprechcn will. Gerade in einer Zeit der Erdbeben sollte die erneuerte Oberlehnsherrschaft des Papstes ernster ge faßt und zurückgewiesen werden, vorzüglich durch die protestantischen Regen ten, deren katholische Unterthanen nach römischer Theorie ihre Negierung nur dulden, ohne ihre Berechtigung und somit auch die eigene Bürgerpflicht wirklich anzuerkcnncn. Noch heute verbietet der Papst ausdrücklich den Ge horsam gegen die Staatsregierungen, wo deren Gesetze nicht mit den Satzun gen der römischen Kirche übereinstimmen. Ja, nach der bekannten erblichen Unfehlbarkeit der Päpste bleibt ihr alter Ausspruch in Geltung: daß nur ihre Gewalt von Gott, die der Fürsten aber vom Teufel stamme, aus dem sich dann die Berechtigung der Volkssouveränetät durch die Jesuiten von selbst ergibt. Ist ja sogar das scheußliche Recht des Wortbruchs ge gen die Ketzer überhaupt noch kürzlich dem französischen Volk in einem oft ficiösen Organ für Kirche und Schule gepredigt worden! Für die Belege dieser Thalsachen verweisen wir unsere Leser wiederholt an die erwähnten «Warnestimmen.»" Oesterreich. oWien, 17. Aug. Sichcrm Vernehmen zufolge sind die Berathungen über die die Verbesserung der Geld- und Finanzver- hältnisse betreffenden Maßnahmen nunmehr endgültig geschlossen, und soll der Kaiser dieselben gelegentlich des gestern in der Hofburg stattgefunde nen MinisterrathS definitiv genehmigt haben. Näheres ist darüber bisjeht noch nicht bekannt geworden, und es ist einstweilen nur so viel gewiß, daß die zu hoffenden Maßregeln sowol eine Verminderung der Ausgaben als auch eine Vermehrung der Einnahmen resultiren, und zwar soll der erstere Zweck durch Einführung durchgreifender Ersparungen in allen Branchen des Staatshaushalts, der zweite durch theilwcise Erhöhung der Grundsteuer erreicht werden. T ch tv * iß* ***Bern, 15. Aug. Er hat gesprochen. Wer? Der Bischof zu Rom. Während er unsern Nachbar, den Savoyarden, mit dem Bannstrahle belegt, widmet er uns in seiner letzten Allocution folgende Stelle: „Wir müssen euch auch von unserer unglaublichen Bekümmerniß in Kenntniß setzen, die unsere Seele in Hinblick auf den beklagenswerthen Zustand unserer heiligen Religion in der Schweiz, und besonders in den bestkatholischm Cantonen dersel ¬ ben zerreißt. Denn auch hier ist die Freiheit, die Macht der katholischen Kirche unterdrückt, die Autorität der Bischöfe und des Heiligen Stuhls mit Füßen getreten, die Heiligkeit der Ehe und des Eides verletzt und verachtet, die Priestcrscminarien und Klöster sind entweder ganz aufgehoben oder lediglich der Willkür des Staats unterworfen. Die Vergebung der Pfründen und geistlichen Güter ist usurpirt, die katholischen Geistlichen werden unwürdig behandelt und verfolgt. Wir bezeichnen euch heute nur kurz diese traurigen Thalsachen, die nicht genug beklagt und misbilligt werden können, da wir beabsichtigen, in einem künftigen Vortrag vor eurer Versammlung auf die sen beklagenswerthen Zustand zurückzukommen." Der Bannstrahl steht dem nach auch für uns in Aussicht; ob die Alpen dann keine Rosen mehr tra- gen werden, ist freilich mehr als zweifelhaft, jedenfalls würde aber durch eine so heilsame Erschütterung des Zwerchfells eine Verminderung der Gc- müthskrankhcitc«, soweit sich solche noch in der gesunden Luft der Schwei- zcrberge vorfindcn, eintrcten. Die Anspielung auf die verletzte Heiligkeit der Ehe bezieht sich auf das eidgenössische Gesetz, das gemischte Ehen ge- stattet, und einen in gegenwärtigem Augenblick noch vielbesprochenen Fall. Ein Urner, Käslin, wollte eine reformirte Zürcherin heirathen, verreiste in den Heimatscanton seiner Geliebten, kaufte sich daselbst ein Bürgerrecht und kehrte mit seiner Neuvermählten heim. Die urner Behörden weigerten sich aber, ihr den Aufenthalt zu gestatten, da sie nach dem Gesetz Uris, wo die Ehe, wie ich höre, gar nicht verkündet worden war, nicht als Frau, sondern nur als Concubine anzusehen sei. Die Sache kam vor die letzte Bundesversammlung und wurde gegen Uri entschieden. So politisch frei sinnig die meisten Schweizer denken, so haben dagegen die bestehenden Kir chen daselbst noch viel Mittelalterliches. Der Protestantismus wie Katho- liciSmus stehen sich düster und zu stetem Kampfe bereit gegenüber, finste- rer als in Deutschland. Die größere Nähe der Gegner, der Zusammenstoß in fast zu gleichen Theilen von den Confcssionen bewohnten Cantonen, die Trübung des religiösen Lebens und Ringens durch politischen Beisatz (in- dem entweder die Geistlichkeit weltliche Macht anstrebt, oder eine Partei unter religiösen Vorwänden, durch ein „Jngefahrerklären" der Religion, eine andere zu stürzen sucht), die freicrn Formen der Republik, zumal die Presse, machen den Kampf erbitterter und anhaltender. Unrecht liegt da auf beiden Seiten. Die katholische Geistlichkeit Deutschlands, wenigstens des südöstlichen, die am preußischen Rhein kennt Verfasser nicht, ist weit freisinniger als die Freiburgs, St.-Gallens und der Urcantone; die Solo- thurns, wie auch einzelne Geistliche, z. B. Pfarrer Kälie in Zürich, der ehe malige Cistcrcienser Meier in Luzern, der schon, als er noch im jetzt auf- gehobenen Kloster St.-Urban war, dem Freimaurerorden bcigetreten sein soll, sind rühmliche Ausnahmen. Dagegen ist aber auch den protestanti schen Geistlichen und Staatsmännern keine zu große Duldsamkeit nachzu rühmen, und der Vorwurf, daß die katholische Schweiz die Rolle der Aschen brödel spiele, zwar sehr oft übertrieben-, aber nicht ganz ohne Grund. Es geht diese confcssionelle Befangenheit so weit, daß Hochschullehrer, die frei- sinnig sein, die alte Volksreligion lichten wollen, katholische College«, deren Freisinn unzweifelhaft war, zu verdrängen gesucht haben, blos weil sie Phi losophie oder Geschichce oder ähnliche Fächer in „glaubensverwandlen" Hän den sehen wollen. Wo soll dann ein freierer, den Menschen allein in das Auge fassender Standpunkt gefunden werden, wenn Männer der Wissen schaft religiösen Census üben? Die Schweiz ist, wenn Sie wollen, reli giöser als Deutschland, eine Erscheinung, die sich übrigens in allen Frei staaten findet, wo die Religion gewissermaßen das Bindende der ganzen Gesellschaft wird; aber Deutschland kennt größere Toleranz. „Nathan der Weise" hätte hier noch oft Gelegenheit sein Evangelium zu predigen. Um die confcssionelle Feindschaft ganz zu begreifen, darf man den Zusammen hang mit der Politik nicht übersehen. Die katholische Bevölkerung ist in der Minderheit; dieses Gefühl wird immer empfindlicher, je mehr die Sou- vcränctät der Cantone, hinter der sie Schutz und Selbständigkeit fand, ver ringert wird. Es begreift sich daher, daß die „echten" Katholiken Feinde der Ccntralisation, des neuen Bundes, Männer des sogenannten Rück schritts sind. So kommt cs dann, daß für den gewöhnlichen Mann auö dem Volke KathollciSmus und Finstcrniß verwandte Begriffe sind, eine An sicht, in der er freilich bestärkt werden muß, wenn er Aecker und Schulen in katholischen Cantonen weit schlechter bestellt sieht als bei sich daheim. Doch das ist ein Thema, das sich kaum in einem socialen Gemälde der Schweiz, umsoweniger in einem Zeitungsartikel erschöpfen läßt. Glauben Sie aber ja nicht, daß das Leben hier ein unschönes, beständig unheimli ches sei. Wennschon nicht zu leugnen ist, daß das deutsche Leben 1p ge sellschaftlicher Beziehung weit freier und von Borurtheilen unabhängiger ist, so zieht die Schweiz den Denker gerade durch ihre Regsamkeit, die stete Bewegung, die dadurch geweckte Thätigkeit auf allen, zumal den prakti schen Gebieten an. 'Möge die zunehmende Centralisation da nicht störend eingreifen, indem sie Alles eintöniger macht und statt der politischen Schlach ten in den tausend Gemeinden und den parlamentarischen Kämpfen in den Duodcz-Großräthen nur eine steife, schwarzfarbigc Debatte im Bundesrath- hause in Bern stehen läßt. Der Föderalismus hatte das Gute, daß in der Schweiz immer wenigstens an Einem Orte Leben war. Nickte der Westen z. B. zu einem politischen Schläfchen ein, so war währenddessen schon wie der der Osten wachgeworden. Btalten. Sardinien. »Turin, 12. Aug. Die Excommuication ist zwar ein Ereigniß, welches schon zu den seltener«, namentlich in unserm Jahrhundert, gehört; allein eS hat dieser Aet der päpstlichen Machtstel-