Volltext Seite (XML)
1580 für parlamentarische Zwecke nicht in ein zweifelhaftes Licht stellen lassen dürfen. Der am 10. Mai an die diesseitigen Gesandten zu Paris und London ergangene Erlaß des k. k. Cabincts stellt nämlich unzweifelhaft fest, was die Bevollmächtigten Englands und Frankreichs schon mehre Tage zu vor ihren Negierungen telegraphieren, daß die Nichtannahme des beabsich tigten österreichischen Ultimatums von Seiten Rußlands alsbald den Lusus Kolli und unmittelbar die Unterzeichnung der Militärconvention mit den Westmächtcn zur Folge gehabt hätte. Es bedurfte somit nur der Zustim mung Englands und Frankreichs, und Sir G. Grey hätte die «directe Ver pflichtung Oesterreichs zum Kriege» nicht mehr vermißt." — Die Oestcrreichische Zeitung sagt: „Die französische Negierung sah sich veranlaßt, auf die legitimistischcn Bestrebungen hinzuweisen und ge- »bisscrmaßen die Existenz einer Verbindung zu constatiren, welche Zwecke verfolgt, die bei der gegenwärtigen Lage Europas leicht zu dessen Unheil ausschlagen könnten. Bemerkenswerth ist, daß gerade der Graf von Cham- bord als Derjenige erscheint, welcher sich am meisten davon entfernt hält, während ein Regent, der der erste und eiligste war, das französische Kai- serthum anzuerkenncn, dabei eine Nolle übernommen haben soll, welche die neuerlichen Ausfälle und Beschuldigungen der französischen Blätter als nicht nur durch das Maccaroniausfuhrverbot hervorgerufen erklären könnte. Wenn irgendwo nebenher bemerkt wird, daß sich die bourbonistischen Bestrebungen in Wien einen Mittelpunkt zu verschaffen suchen, so diene zur Antwort, daß Oesterreich recht gut weiß, welche Rücksichten sie dem Verbündeten vom 2. Dec. schuldig ist. Ebenso wenig als Oesterreich den Anhängern einer unglücklichen KonigSfamilie wehren möchte, derselben durch ihren Besuch ihre Achtung zu bezeugen, ebenso wenig würde sie irgendetwas gestatten, was der französischen Regierung Unannehmlichkeiten zu bereiten im Stande wäre." — Die Donau sagt: „Der Abschluß des Concordats mit Nom soll nach einem wiener Blatt nunmehr erfolgt sein. Der Kaiser hat, wie cs heißt, der letzten Sitzung der Commissionsglieder in Person bcigcwohnt. Es werden folgende vier Hauptpunkte als der Inhalt des ConcordatS bezeich net: Die gemischten Ehen sollen dieser neuen Vereinbarung zufolge wieder, Wie bisher in Oesterreich gesetzlich bestimmt gewesen, in den beiden Kirchen verkündet und sodann von dem Priester eingesegnet werden; die aus einer solchen gemischten Ehe entsprossenen Kinder aber hätten in ihrer Neligion dem Geschlecht zu folgen, d. h. die Knaben würden demnach in der Religion des Vaters, die Mädchen in jener der Mutter erzogen werden. Die Er nennung der Bischöfe sollte insofern dem Einfluß des Landesherrn überlassen bleiben, als von ihm der Vorschlag zur Ernennung, vom römischen Stuhl hingegen die wirkliche Ernennung zu erfolgen hätte. Die priesterlichen Se- niinarien sollen fortan der unmittelbaren Ueberwachung der Bischöfe ihrer Diöcese anvertraut werden, und nur diese hätten die geistliche Gerichtsbar keit, die Bestellung der Professoren und alle übrigen aus dieser Ucbcr- wachungspflicht erflicßendcn Rechte auszuüben. Die Pfarrer, als Mitglie der der geistlichen Gesellschaft, würden demnach ebenfalls unter der unmit telbaren Oberaufsicht der Consistoricn und der über sie geordneten Bischöfe stehen. Nur diese hätten also das Recht, die Seelsorger zu installiren und abzusetzen. Sollte aber die Negierung in einem gegebenen Fall einen sol chen Act vornehmen wollen, so wird sie diesen nur im Einvernehmen mit dem betreffenden Bischof bewerkstelligen können. Das Blatt bezweifelt übri gens selbst, daß sich diese vier Punkte in ihrer Wesenheit als wahr heraus stellen werden. Außerdem ist im ersten Punkte Folgendes zu berichtigen: Der katholische Priester segnet bisjeht eine gemischte Ehe nur dann ein, wenn der protestantische Vater den Revers ausstellt, alle Kinder in der katholischen Religion erziehen zu lassen. Im entgegengesetzten Fall findet keine kirchliche Trauung, sondern nur die Einschreibung der Eheleute in das Trauungsbuch statt." Italien. Sardinien. Turin, 5. Aug. Das Diritto will wissen, aus siche- rcr Quelle wie es sagt, daß die wegen des Klostergesctzcs ausgesprochene Ex- communication hier eingetroffen sei. In Recco und verschiedenen an dern Ortschaften der Riviera haben viele Haussuchungen stattgesunden, auch einige Verhaftungen. Selbst die Kirchen hat man sorgfältig durch sucht. In Pontedecimo sollen Steuer unruhen vorgekommen sein, und soll es sogar Verwundungen dabei gesetzt haben. Pontedecimo liegt im Ge nuesischen. Die Negierung soll übrigens Befehl erlassen haben, alle Maß regeln gegen die säumigen Steuerpflichtigen einzustellen. Morgen wird hier in dieser Angelegenheit ein Monstremecling abgehaltcn werden, und zwar im Circus Sales; mehre Oppositionsdeputirte, so namentlich die HH. Va lerio und Advocat Sineo, werden sich dabei bctheiligen. Die Nachrichten von der Insel Sardinien lauten fortwährend sehr ernst. Die Aufre gung ist im Steigen. Es scheint, daß dieselbe vor allen Dingen in den zahllosen Steuern ihren Grund hat; sie wird aber noch durch Gerüchte von neuen Truppensendungen nach dem Orient erhöht. Die Ncuconscribirten sollen sich entschieden weigern abzugehcn, und wie eine Zeitung von Genua wissen will, scheinen die Carabiniers und Chevauxlegers geneigt, sich auf ihre Seite zu schlagen. Die von der neuen Aushebung Betroffenen flüch ten sich in die Berge mit den Banditen und Deserteurs, und man glaubt, es werde der Regierung nicht möglich sein, sie zu zwingen, sich zu stellen. In den Preside-Regimentern zu Cagliari haben Verhaftungen stattgefunden, und mehre Soldaten sollen füsilirt sein. (Allg. Z.) — Während die sardinische Negierung fleißig fortfährt, die aufgehobenen Klöster in Besitz zu nehmen, macht seit ein paar Tagen in Turin eine Urkunde Aufsehen, die von der Armonia veröffentlicht wird und mittels welcher AmadcuS III., Graf von Savoyen, seine Güter den Mönchen von Altacomba im Jahre 1125 schenkte. Sie lautet: Im Namen Gottes .... Ich, Amadeus, Graf von Savoyen, mit Ueberelnstim- nnmg meiner Gattin, schenke Gott, der heilige» Jungfrau Marta und dem Abte von Altacomba, Amadeus und seinen Mitbrüdern des nämlichen Orts, sowol dem jetzigen als dem künftigen, diese Güter meines Lehnguts am Ufer des Chatillonsees rc. Wenn, was unmöglich ist, einer unserer Nachkommen oder Jemand Anderer dieses Geschenk streitig machte oder wie immer ihm Gewalt anthun wollte, so sei er verflucht, und nach dem Beispiele Adam s, der ans dem Paradiese vertrieben wurde, weil er gegen den Willen Gottes gebandelt, soll er von jedem Umgang mit den Gläubigen verstoßen werden; für ihn sei ans ewig der Eingang in das himmlische Reich gesperrt und die Pforten der Hölle seien ihm offen, wo er auf immer mit dem Teufel gemartert werde, und das gegenwärtige Geschenk verbleibe unantastbar bis ans Ende der Welt. — Der große Kirchenbann (oxoommuniostio major), auch Inter dikt genannt, wurde im Mittelalter von dem jeweiligen Papst über ganze Städte, Provinzen und Länder verhängt. Die Folgen hiervon waren, daß der katholische Gottesdienst aufhörte, die Kirchen geschlossen, das Geläute der Glocken eingestellt wurde; kein Sacrament wurde mehr ausgetheilt, keine Leiche mit kirchlicher Feierlichkeit beerdigt. Alle heiligen Wahrzeichen, als: Kreuze, Altäre, Gnadenbildcr, waren mit dem ausgesprochenen Bannflüche entweiht und verloren ihre Wunderkraft. Uebcrhaupt verbietet der große Kirchenbann allen Gläubigen den Umgang und die Gemeinschaft solcher mit der Excommunication belegten Personen. Das letzte Interdikt erließ Papst PiuS VII. gegen Napoleon im Jahre 1809. Cen für ist der mildere Ausdruck für „Strafe" und wird auch „heilige Strafe" (poona moäioiua- Ii8) im Gegensätze zur „rächenden Strafe" (poona vimUoativ») genannt. Es gibt eine dreifache Ccnsur: nämlich die Excommunication (oxoommuni- ostio minor), das Interdikt und für geistliche Sträflinge die Suspension; diese Censuren hoben die von der Kirche dem Betreffenden zngestandenen Vorrechte auf, entzogen ihm das kirchliche Begräbniß und überhaupt alle kirchlichen Rechte, machten ihn unfähig irgendeine kirchliche Weihe zu em- pfangen und verhängten Kirchcnbußcn über den Straffälligen. (Oesterr. Z.) Neapel und Sicilien. Aus Wien vom 5. Aug. schreibt man dem Frankfurter Journal: „Wenn ein Correspondent der Jnde'pendance bclge aus Genua die Aufregung in Neapel für so stark gediehen angibt, daß unsere Regierung eine Intervention in dem Königreich vorbereite und zu diesem Zweck in Triest eine Flotille ausgerüstet werde, so ist dies offenbar eine arge Uebertrcibung des ganzen Sachverhalts. Soviel uns bekannt geworden, wurde von unserer Regierung, welche nicht minder wie die übrigen Mächte die Ungeschicklichkeit des neapolitanischen Ministeriums und seine verkehrten Maßregeln beklagt, kein anderer Schritt unternommen, als daß man im diplomatischen Wege auf die verderblichen Folgen aufmerksam machte, welche die Fehler des Ministeriums nothwendigerweise nach sich ziehen werden. Man könnte Das, was das wiener Cabinct bisjetzt in dieser Frage unternommen, als ein diplomatisches Monitorium bezeichnen, ohne daß jedoch mit Rücksicht auf den Zustand des Landes nothwcndig gewesen wäre, zu crnstern Maß nahmen Einleitung zu treffen." Spanien. Der Jnde'pendance belge schreibt man aus Madrid vom 5. Aug.: „Die amtliche Zeitung hat begonnen, die Liste der geistlichen Güter zu veröffentlichen, welche im Laufe dieses Monats meistbietend verkauft werden sollen. Ueberall, hier wie in den Provinzen, hat die Geistlichkeit der Ueber- gabe dieser Güter sich nach Kräften widersetzt, und die Civilbehörde mußte den Slaatscommiffar vom Bürgermeister und vom Richter begleiten las sen, um sich der in den Kirchenarchiven befindlichen Aktenstücke zu be mächtigen." Frankreich. L Paris, 11. Aug. Es ist ungefähr ein Jahr, als der überraschende, wie Viele behaupten, übereilte Feldzug nach der Krim unternommen wurde, daß der Moniteur, das Gewagte der Unternehmung zugestehcnd, der beunruhigten öffentlichen Meinung die Versicherung gab, daß, falls der Handstreich mis- linge, die vereinigten Seemächte entschlossen seien, das nächste Jahr den Kampf zu erneuern und nicht eher die Waffen aus der Hand zu legen, als bis Sewastopol in ihre Gewalt gefallen sei. Die Zusage ward bisher erfüllt, die Westmächte haben den Kampf erneuert, es wurden die größten Anstrengungen gemacht; die Jahreszeit ist bereits vorgerückt; aber Sewa stopol widersteht, und abermals wird auf officiellem und nichtofficiellcm Wege in England wie in Frankreich der öffentlichen Meinung verkündet, daß die vereinigten Truppen nöthigenfalls auf der Taurischcn Halbinsel überwintern werden, daß man aber nicht ablassen werde, das vorgesetzte Ziel zu verfol- gen. Nun drängen sich aber Jedem, der über die Sache ohne Voreinge- nommenheit denkt, die Fragen auf: Wird denn, was bisher nicht gelang, später gelingen? Wachsen die Kräfte der Belagerten nicht mindestens in dem Maße als die der Belagerer? Mindestens weil Rußland durch Oester reichs veränderte Haltung fertig ausgerüstete Heere zur Anfügung in der Krim gewonnen, was nicht allein Zeitungen und Privatbriefe melden, son- dcrn Lord I. Russell, der kaum aus dem Ministerium getreten, dem Hause der Gemeinen in der Sitzung vom 7. Aug. mitgetheilt hat. Wenn nun Sewastopol auch diesen Winter, auch nächsten Frühling, nächsten Som mer rc. nicht genommen würde, überhaupt nicht zu nehmen wäre, was man unter den bestehenden Verhältnissen durchaus nicht in das Reich der Unmöglichkeit verweisen kann, was dann? Wären dann die Seemächte nicht zwischen zwei furchtbar großen Verlegenheiten, ohne Bewegung nach vor- noch nach rückwärts, eingekeilt? Denn ist es nur anzunehmen, ist cS nur denkbar, daß Ludwig Napoleon und Palmerston Frankreich und England,