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DRESDNER PHILHARMONIE ZUR EINFÜHRUNG Sonnabend, den 1. September 1973, 20.00 Uhr Sonntag, den 2. September 1973, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solistin: Lidia Grychtolöwna, VR Polen, Klavier Fryderyk Chopin 1810-1849 Konzert für Klavier und Orchester e-Moll op. 11 Allegro maestoso Romanze Rondo (Vivace) PAUSE Benjamin Britten geb. 1913 4 Sea-Interludes aus der Oper „Peter Grimes" op. 33a Dawn (Dämmerung) Sunday Morning (Sonntagmorgen) Moonlight (Mondschein) Storm (Sturm) Edvard Grieg 1843-1907 Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16 Allegro molto moderato Adagio Allegro moderato molto e marcato iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii Die polnische Meisterpianistin LIDIA GRYCHTOLÖWNA — eine Chopinspielerln von Rang — stammt aus Rynik. Ihre musikalische Begabung zeigte sich schon im frühesten Kindesalter. Bereits als viereinhalbjähriges Wunderkind konzertierte sie öffentlich. Später studierte sie an der Musikhochschule in Katowice. Nach dem Examen vervollkommnete sie ihre Ausbildung bei Prof. Zbigniew Drzewiecki in Krakow und Warschau sowie bei dem berühmten italienischen Pianisten Arturo Benedetti Michelangeli. Lidia Grychtolöwna ging aus zahlreichen Wettbe werben als Preisträgerin hervor, so aus dem Chopin-Wettbewerb in Warschau 1955, dem Schumann-Wettbewerb in Berlin 1956. dem Busoni-Wettbewerb in Bolzano 1958 und dem Wettbewerb in Rio de Janeiro 1959. Konzertreisen führten die Künstlerin, die vielerorts auch von Rundfunkstationen und Schallplattenfirmen zu Aufnahmen verpflichtet wurde, in viele Länder Europas. Asiens und Südamerikas. Fryderyk Chopin, der große polnische Komponist, verlebte seine Jugend in Warschau, wo er schon frühzeitig Musikunterricht erhielt, zuerst bei Wojciech Zwywny, dann am Konservatorium bei dem Geiger und Fheaterkapellmeister Joseph Elsner. Bereits im Alter von neun Jahren errang er als musikalisches Wunderkind Erfolge. 19jahrig gab er seine ersten Kompositionen heraus, im Jahre 1831 verließ Chopin, der inzwischen in Warschau als Pianist bereits zu einem begriff geworden war, kurz vor dem Ausbruch des Aufstandes des pol nischen Volkes gegen seine zaristischen Unterdrücker die Heimat und siedelte nach Paris über, wo er - von einigen Reisen abgesehen — bis zu seinem frühen lode als gefeierter Pianist und Komponist, freundschaftlich verbunden mit be deutenden Persönlichkeiten seiner Zeit, wie Adam Mickiewicz, George Sand, Balzac, Heine, Liszt, Berlioz, Meyerbeer u. a., geblieben ist. Das kompositorische Werk Chopins umfaßt fast ausschließlich Klaviermusik, aber auf diesem seinem ureigensten Gebiet schuf er eine Fülle kostbarer, unver gänglicher Musik, erschloß er vielfältige neue Ausdrucksmöglichkeiten, eine neue pianistische Technik, ja einen neuen Klavierstil. In seinen Klavierwerken, den Sonaten, Etüden, Mazurken, Nocturnes, Polonaisen, Preludes, Balladen, Walzern und Scherzi ist eine tiefe, höchst persönliche und ausdrucksstarke Aus sage von echt romantischer Prägung verschmolzen mit einer glänzenden Virtuosi tät, die jedoch niemals wie in den Schöpfungen anderer bekannter Klavier virtuosen des 19. Jahrhunderts, beispielsweise Fields, Hummels und Kalk brenners, zum Selbstzweck wird. Von größter Bedeutung für Chopins Schaffen war die Volksmusik seiner polnischen Heimat, von der er sich schon seit frühester Jugend angezogen fühlte. Ein glühender Patriot, schöpfte der Komponist, den Freiheitsbestrebungen und dem nationalen Erwachen seines Volkes stets eng verbunden, aus den polnischen Volkstänzen und -liedern die farbige Harmonik, die gesangvolle, figurationsreiche Melodik und die erregende, leidenschaftliche Rhythmik, die seine Werke auszeichnen, und gab als erster dem nationalen polnischen Stil in der musikalischen Literatur Weltgeltung. Neben den von ihm besonders gepflegten intimen, lyrisch-poetischen kleinen Formen der Klavier musik besitzen wir von Chopin auch einige wenige größere Werke für Klavier und Orchester, in denen die spezifischen Eigenschaften seines durch nationale Tradition, virtuosen Glanz und unerschöpfliche Phantasie gekennzeichneten Stiles gleichfalls zum Ausdruck kommen; so außer den zwei bekannten Klavierkonzer ten und der Grande Polonaise Es-Dur ein Rondo ä la Krakowiak, eine Fantasie über polnische Lieder und Variationen über ein Thema aus Mozarts „Don Giovanni". Chopin vollendete sein Klavierkonzert e-Moll op. 11 ebenso wie das f-Moll-Konzert op. 21 im Jahre 1830. Da das e-Moll-Konzert op. 11 1833 als erstes veröffentlicht wurde, trägt es allgemein die irreführende Bezeichnung I. Klavierkonzert, obwohl es nach dem f-Moll-Konzert entstanden ist. Das am II. Oktober 1830 in Warschau mit dem Komponisten als Solisten uraufgeführte Werk ist dem damals hochgeschätzten deutschen Klaviervirtuosen und Pädago gen Friedrich Kalkbrenner gewidmet. Diese Widmung erklärt auch die betont virtuose Anlage des klar und übersichtlich geformten Konzertes, das bezeich nendes Licht auf den Geist seines Schöpfers wirft. Ein längeres Orchestervorspiel stellt das thematische Material des ersten, in Sonatenform angelegten Satzes vor (Allegro maestoso). Zwei Themen mit ele gant-sentimentalem Charakter bieten Chopin Gelegenheit zu ornamentaler, figurativer, phantasievoll-virtuoser Arbeit. Das Klavier bemächtigt sich bald der führenden Rolle, während das Orchester fortan - wie überhaupt in den Kon zerten Chopins — nur noch untergeordnet in Erscheinung tritt. Der ganze Reich tum der schöp'nrischen Phantasie Chopins entfaltet sich im Klavierpart. Ein zauberhaftes Klangbild stellt der zweite Satz, eine Romanze, dar mit typischem Nocturne-Charakter. Der Komponist schrieb über diesen Satz, daß seine Stirn-