Volltext Seite (XML)
7S2 dir Entscheidung da ist, zum Verlassen seiner bisherigen Politik des Lavi- rens und zur thätigen Theilnahme am Kriege gegen Rußland zu bewegen. Die große Mühe, welche der Moniteur in dieser Richtung hin sich gibt, enthüllt seine Besorgniß, daß er sich doch in seinen Wünschen hinsichtlich Oesterreich- täuschen könnte. Daher die wiederholte Aeußerung, daß die Westmächte ihre Foderungen bei der hiesigen Conferenz nur darum herab- gestimmt hätten, um dadurch die an diese Bedingung geknüpfte Mitwirkung Oesterreichs infolge des Bündnisses vom 2. Dec. zu erlangen. Die nächste Zukunft muß eS nun lehren, ob Oesterreich von der bewaffneten Neutra lität und Intervention in den Donaufürstenthümern zum Kriege selbst über gehen wird. Wenn ihm der Moniteur deshalb dazu räth, weil Rußland im Besitze des Schwarzen Meeres und Konstantinopels Oesterreich von allen Seiten mit starken Armen umschlingen, Ungarn revolutioniren, seine sla wische Bevölkerung insurgiren und ihm mit der Schließung der Donau- Mündungen den Lebensnerv abschneiden würde, so macht er damit die Hauptgründe namhaft, welche Oesterreich zur Theilnahme am Kriege gegen Rußland zu bewegen am geeignetsten sind. Indessen bedurfte es einer sol chen Erinnerung nicht, denn die Politik des wiener Cabinets kennt diese Gefahren schon längst und sie haben es auch jetzt wieder trotz der Hülfe von 1849 in Ungarn von Rußland entfernt. Weniger Wichtigkeit hat die Erinnerung an die russischen Plane von 1812. Da Oesterreich damals mit Frankreich gegen Rußland zog, war cs des lehtern Pflicht, die österreichische Macht möglichst zu paralysiren. Der Plan, mit den insurgirten Serben, Bosniaken und Illyriern nach dem Adriatischen Meere zu marschiren, wäh rend Napoleon nach Moskau vordrang, war ebenso excentrisch als der, nach welchem man jetzt Moskau in der Krim erobern wollte. Auch heißt es zu viel behaupten, wenn der Moniteur sagt, die russische Flotte, wenn man das Schwarze Meer nicht neutralisire, würde jeden Augenblick das Mittellän dische Meer und die daranliegcnden Länder bedrohen. Denn die französische Flotte von Toulon und die englischen Geschwader von Gibraltar, Malta und den Ionischen Inseln wären mehr als hinlänglich, ein solches Unternehmen sogleich zuschanden zu machen. Nicht von der Seeseite, sondern von der Landseite her auf der langen Grenze von Krakau bis Cattaro droht Oester reich von dem russischen Koloß Gefahr, wenn derselbe die Türkei erdrückte, und allerdings ist jetzt der günstigste Augenblick da, um diese Gefahr zu entfernen. — Die Neue Preußische Zeitung enthält folgende zwei wiener Correspon- denzcn über den äußern Fortgang der Conferenz en: „Wien, 21. April. Meinem vorgestrigen Bericht habe ich zur Ver vollständigung nachzutragen, daß nach der Conferenzsihung am 19. April sowol von den kaiserlich russischen Bevollmächtigten nach Petersburg als von den westmächtlichen nach London telegraphische Depeschen abgeschickt wurden. Nicht die Antwort aus London, sondern die aus Petersburg dürfte entscheidend sein, denn nicht von jener, sondern von dieser sollte es, dem Vernehmen nach, abhängig sein, wann die nächste Conferenzsitzung stattfinden würde. Daraus wird man entnehmen dürfen, daß der am 19. April nach Petersburg telegraphirte Rapport des Fürsten Gortschakow und des Hrn. v. Titow die Modifikationen ankündigte, unter welchen die west mächtlichen Cabinete jenen Anschauungen ihre Zustimmung zu geben erklärt haben möchten, welche in der bereits erwähnten, der Conferenz am 17. April vorgelegten Note des Grafen Nesselrode enthalten sind. Hr. Drouin de Lhuys und Lord John Russell werden die Rückantworten aus Petersburg jeden falls abwarten und der infolge derselben abzuhaltenden Sitzung der Confe renz noch beiwohnen. In der That hat diese Conferenz, wie ich eben höre, heute stattgefunden; sie dürfte also, nach Lage der Dinge, die Situation in jedem Falle zu einem gewissen Grad der Reife gebracht haben." „Wien, 21. April. In der heutigen Sitzung der Conferenz hat die versuchte Einigung bezüglich des dritten Garantiepunktes nicht erzielt werden können. Die Conferenz hat die nächste Sitzung deshalb noch nicht ange setzt; die Bevollmächtigten erwarten indessen weitere Anweisungen." Die National-Zeitung erhält über den Stand der Dinge folgende Pri- vatmitthcilung von „zuverlässiger Seite": „Wien, 22. April Morgens. Mein letztes Schreiben vom 20. April, das Ihnen über die elfte stattgehabte Con- ferenzsitzung Bericht erstattete, sprach Ihnen bereits die Vermuthung aus, daß auf Basis der in derselben gemachten Interpretation des dritten Punkts von Seiten Oesterreichs, Frankreichs, Englands und der Pforte eine Ver einbarung schwerlich erzielt werden dürfte, indem Rußland eine Beschrän kung seiner Schiffsmacht im Schwarzen Meere auf dem Wege der Verein barung nicht zugestehen würde. In der hiesigen diplomatischen Welt cur- sirt die Mittheilung, daß Fürst Gortschakow bald nach beendeter elfter Sitzung sich eine Audienz bei dem Kaiser erbat, über deren Ausfall die zwölfte statt gehabte Conferenzsitzung genügenden Aufschluß geben dürfte. Diese zwölfte Sitzung hat gestern stattgefunden und war von langer Dauer. Ihr AuS- gang hat zu der Vermuthung genügende Veranlassung geboten, daß eine demnächstige Conferenzsitzung nicht stattfinden werde. Falls sich aber auch zu derselben eine Veranlassung finden sollte — die Hoffnung auf Herstellung des Friedens durch die Konferenzen ist bei allen Gutunterrichteten mindestens sehr geschwächt, wenn nicht fast vollständig geschwunden." Aus Wien wird der Kölnischen Zeitung vom 22. April, 12 Uhr Mit tags, berichtet: „Man will zur Stunde hier wissen, in der gestrigen Kon ferenz hätten sich alle Bevollmächtigte über Inhalt und Fassung deS dritten Punktes geeinigt. Lord I. Russell werde morgen, Hr. Drouin de Lhuys übermorgen abreisen." Telegraphischen Berichten in frankfurter Blättern aus Wien vom 23. April zufolge soll der Ausgang der zwölften Conferenzsitzung zu der Vermuthung genügende Veranlassung geboten haben, daß demnächstige Con- ferenzsihungen nicht stattfinden werden. N Prag, 23. April. Mit dem heutigen wiener Abendzug ist Lord I. Russell hier angekommen und im Englischen Hof abgestiegen, wo 16 Zimmer für ihn bestellt sind. — Sie werden aus der Wiener Zeitung ent nommen haben, daß Ihr Landsmann, Professor Stein in Tharand, als Professor der Zoologie an die hiesige Universität berufen wurde. Wie ich vernehme, sind die Bedingungen, welche ihm unsere Regierung stellte, äu ßerst günstig, und dem jungen Gelehrten geht auch ein so vorzüglicher Ruf voran, daß man die Opfer, zu denen sich die Negierung entschlossen hat, nur billigen kann. Daß die zahlreichen Berufungen von Ausländern an unsere Lehranstalten, wie sie in den letzten Jahren erfolgten, in gewissen Kreisen hierzulande eben nicht mit den freundlichsten Augen angesehen wer den, läßt sich begreifen, umsomehr, als die aus dem Auslande berufenen Professoren sämmtlich unter viel günstigern Bedingungen angestellt sind als die Inländer. Ein längerer Artikel aus Wien in der augsburger Allgemei nen Zeitung Hal dieser Unzufriedenheit neulich Luft gemacht. Inzwischen mag gerade das Heranziehen tüchtiger wissenschaftlicher Kräfte aus Deutsch land eine Maßregel sein, die von allen bisherigen unsers UnterrichtSmini- sters am ehesten Anerkennung verdient. — Nicht geringes Aufsehen macht hier in den Kreisen, denen die pariser Revue des deux Mondes zugäng lich ist, der in dem neuesten Hefte derselben enthaltene Aufsatz von St.-Renö Taillandier über unsern Historiker Palacky. Der Aufsatz betont die natio nalen Hoffnungen der Czechen in so auffälliger Weise, daß er gewiß nach vielen Richtungen hin die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird. »Aus Oesterreich, 21. April. Den Offizieren unserer Armee ist die Weisung zugegangcn, in ihren Uniformen sich streng an die vorge schriebene Norm zu halten. In der letztern Zeit sind die Waffenröcke der Offiziere immer kürzer und kürzer geworden, und die Pantalons derselben richteten sich nach der herrschenden Mode, um so eng als möglich am Bein zu sitzen. Es wurde nun angeordnet, die Schöße der Waffenröcke in der vorgeschriebenen Länge zu tragen und ebenso den Pantalons die angemes sene Weite zu geben. Zur Regelung der Uniformen nach dieser Norm wurde den Offizieren eine Frist von drei Monaten bewilligt. Auch erhielten sie die Weisung, Haar und Backenbart, welche bei vielen derselben in einer unge wöhnlichen Länge cultivirt wurden, vorschriftsmäßig zu stutzen. Spanien. Eine Depesche aus Madrid vom 20. April lautet: „Die Cortes haben heute die Art. 2 und 3 des Gesetzes wegen Verkaufs der National- und Kirchengüter genehmigt. Der erste Artikel des Gesetzes ermächtigt die Re gierung schon zu allen im Entwurf aufgeführten Verkäufen. Die Jncompati- bilitätSfrage wird der königlichen Gutheißung vorgelegt werden. Zur Ver- theidigung der Prcsidien (Arresthäuser) wird man Verstärkungen nach Afrika absenden." — Nach den amtlichen Listen besteht die National Miliz von ganz Spa nien auS 451,660 Mann Infanterie, 13,225 Mann Cavalerie und 1688 Mann Artillerie; auf die Provinz Madrid kommen 28,112 Mann. Frankreich. L Paris, 22. April. Heute nimmt der Kaiser in Boulogne eine große Revue ab, und wird heute Abend hier eintreffen. Während seines Aufent halts in London trafen so viele Depeschen über die Aufnahme, welche Eng land dem französischen Kaiserpaare bereitete, bei dem Ministerium deS In nern ein, daß man damit den ganzen Moniteur der letzten Woche hätte anfüllen können, und nur mit Mühe die richtige Auswahl traf. Diese Depeschen wurden von Hrn. Haußmann, dem Präfecten der Seine, ausgefertigt. Daß Napoleon's Triumphzug durch London den alten Parteien höchst unangenehm ist, können Sie sich wol denken. Nach der Eröffnung der Weltausstel- lung am 1. Mai wird dieselbe noch für 14 Tage geschlossen bleiben. Man konnte aber auf das Unfertige der nöthigen Vorbereitungen keine Rücksicht nehmen, weil der Kaiser darauf besteht, die Ausstellung in Person zu er öffnen, und doch am 2. Mai nach dem Orient abgehen will. Schwerlich wird er über Wien reisen; ob nach der Krim, hängt von den Ereignissen ab, jedenfalls aber nach Konstantinopel. Des Kaisers Absicht, ein militä risches Commando zu übernehmen, sobald die Ereignisse in das Stadium getreten sein werden, wo der Kriegsdonner die Diplomatie entschieden über tönt und zum Schweigen bringt, steht unerschüttert fest. Jener Moniteur- Artikel, welcher nachzuweisen sucht, daß des Kaisers Ansicht über die Krim- expedilion die einzig richtige gewesen, wogegen die englischen Blätter einen unhöflichen Widerspruch eingelegt haben, sollte auf diesen überraschenden Schritt vorbereiten. Uebrigens weiß bei den persönlichen Entschlüssen Na poleon's die rechte Hand nicht, waS die linke vorhat, und da selbst die nächste Umgebung des Kaisers oft absichtlich im Dunkel gelassen wird, so wäre es denkbar, daß gerade die mit Oeffentlichkeit betriebenen Reisezurü- stungen etwas ganz Anderes bedeuten, als gesagt wird. — Wie ich auS glaubwürdiger Quelle erfahre, ist auch das Verhältniß zu den Ostsee- mächten der Gegenstand wiederaufgenommener Diskussionen; man fühlt diesseit und jenseit des Kanals, daß die beim Beginn deS Kriegs aufge stellten Grundsätze über den neutralen Handel sowol für Schweden und Dä nemark als auch für Preußen eine Prämie der Neutralität constituirten, sodaß sie zwar nicht für die Ursache der skandinavischen oder preußischen Neutralität gelten können, wol aber dazu dienen, diese Regierungen in den Augen ihrer Unterrhanen theilweise zu rechtfertigen. Zwar haben die Ad- miralitätSgerichte nicht allzu scharf an den neuen Grundsätzen festgrhalten,