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904 nannten arbeitenden Classe auch Diejenigen, welche im Besitz des Bürger rechts sind, durchgängig von dem „allgemeinen Wahlrecht" schwerlich Ge brauch machen können. Nicht zu übersehen ist ferner, daß die Repräsen tanten des Grundbesitzes, der Gerichte und der Deputationen in ihrer Ge- sammtheit dsn aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Abgeordneten an Zahl überlegen sein und daher in allen Fragen, wo sie zusammenhalten, die Majorität in Händen haben werden; ein Umstand, den die Oberalten als eine Gefährdung der „Bürgerfreiheit" bezeichnet haben. Die Wählbarkeit ist übrigens noch mehr beschränkt 'al- das Wahlrecht; denn man muß nicht blos im Besitze des Wahlrechts sein, um als wählbar zu gelten, sondern man muß außerdem am Tage der Wahl das 30. Lebensjahr vollendet ha ben und seit mindestens drei Jahren hiesiger Bürger sein. Eine besondere Bestimmung schließt ferner die Geistlichen aller Konfessionen- und alle an öffentlichen Untcrrichtsanstaltcn fun'girenden Lehrer von der Wählbarkeit aus. Was Grund gegeben haben mag,-diese Bestimmung in das Wahlgesetz auf- zunchmen, muß ich dahingestellt sein lassen, doch dürfte rS nicht unzweck mäßig sein, hervorzuheben, daß der größere Theil der hiesigen Lehrer nicht zu der Kategorie dev besoldeten Angestellten gehört; denn außer den Ar- menschulcn, deren Existenz übrigens, beiläufig gesagt, ein trauriges, aber charakteristisches Zeichen hiesiger Zustände ist, und dem Johanncum sind fast alle Schulen Privatinstitute. Die Wahl zur Bürgerschaft geschieht auf sechs Jahre, doch soll alle drei Jahre die Hälfte der Bürgerschaft erneuert wer den. Jeder in die Bürgerschaft Gewählt« ist bei Verlust aller staatsbürger lichen Rechte und des Rechts, für die Dauer der nächsten zehn Jahre sin Stadt oder Gebiet irgendein bürgerliches Gewerbe zu betreiben, zur An nahme der Wahl verpflichtet. Außer dem Wahlgesetz hat der Senat auch eine Proposilion, betreffend die „Geschäftsordnung" der zukünftigen Bürger schaft und „ein provisorisches Gesetz über die Gerichts- und Polizeiverfas sung und über das Verfahren in kriminal-, Straf- und UntersuchungSfa- chen" publicirt. Ueber alle diese Vorlagen werden die „Erbgesessencn" in einem demnächst zu berufenden besonder» Convent zu entscheiden haben. Oesterdeich. ^-Wien, 7. Mai. Es ist sehr zü beklagen, daß, wenn es zuM Kriege mit Rußland kommen soll, ein großer Theil der dazu nöthigen und püssenden Zeit auch für dieses Jahr wieder verloren worden ist. Allerdings kann ein Feldzug gegen Rußland nicht so früh er öffnet werden wie gegen Frankreich und in Deutschland; allein im Monat Mat muß und kann er beginnen, da im October in Rußland bereits dtp erste Schnee fällt, Napoleon l. wäre 1812 auch in Rußland glücklicher gewesen, wenn er den Krieg statt nn Juni im Mai begonnen hätte. Allein wie wollen wir im Mai die russische Grenze überschreiten, da unser Heer noch än der Cordonstellung und in rückwärts gelegenen CantonnirUngcn zer streut 'st! Dieser Monat vergeht, ehe eine Concentrirung der Heere mög lich ist. Viele meinen, die österreichische Arm»e würde von der Gegend von Lemberg, also von Ostgalizien aus opcriren, theilS um der Moldau und den dortigen Occupationstruppen näher zu sein, theils um durch einen Feld zug im Königreich Polen Preußen keine Veranlassung zur Unzufriedenheit zu geben. Allein wie sehr man es auch vermeiden wird, Preußen zu der Besorgniß Anlaß zu geben, daß die Polen revoltiren möchten, und daß ihr Beispiel im Posenschen Nachahmung finden dürfte, Hie Linie von Krakau und der obcrn Weichsel darf Oesterreich nicht aus den Augen und unbesetzt lassen. Die dortige Position deckt Mähren und Wien. Es könnte sonst leicht geschehen, daß, während wir auf Kiew operirtcn, die Russen in un- serm Rücken in Mähren cinbrächen. Da die Preußen noch nicht mobil und zusammcngezogen sind, könnten sie dies nicht verhindern, wenn sie es auch versprochen haben. Die hinterliegendcn Bundesstaaten noch weniger, denn sie, sind noch minder gerüstet., So fehlt eS denn überall noch an den nöthigen Vorbereitungen, um den Krieg gegen Rußland zu beginnen. Bei den großen Entfernungen, die überall zu durchschreiten sind, ist es voraus zusehen, baß, selbst wenn der Krieg jetzt erklärt würde, von Seiten Deutsch lands auf große Resultate für dieses Jahr nicht mehr zu rechnen wäre. — Ueber die jetzt schwebenden neuen Vorschläge, deren wir schon an derweitig erwähnt haben und die auch Lord Clarendon im Parlamente be rührt hat, geht der Neuen Preußischen Zeitung aus österreichischer Quelle wie sie bemerkt, folgende Mitthcilung zu: „Wien, 5. Mai. Dem Vernehmen zufolge find vor einigen Tagen von dem österreichischen Cabincte neue Vorschläge in Betreff des dritten Punktes nach London und Paris abgegangen. Dieselben gehen von Pe- tcrsburg aus und wurden bald nach der Abreise des Hrn. Drouin de Lhuys von Seiten des russischen Bevollmächtigten, Fürsten Gortschakow, dem Mi- nister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Buol, mitgctheilt. Schon die von hier erfolgte Uebersendung der Vorschläge an die Negierungen von Frankreich und Großbritannien dürfte beweisen, daß das österreichische Ca- binet dieselben nach Lage der Verhältnisse nicht als unannehmbar betrachte, ohne in Ansehung derselben eine eigentlich vermittelnde Stellung anzuneh men. Man versichert, das Wesen des PtcjcctS gehe dahin, die Regelung der künftigen Machtverhältnisse im Schwarzen Meere mehr auf den Boden der Thatsachen und der alten Verträge zu lenken und die Wichtigkeit einer vorläufigen Auseinandersetzung zwischen Rußland und der Pforte über de ren directe Interessen in den Vordergrund zu stellen. Auf die von Oester reich an die Westmächte vollzogene Mitthcilung des russischen Vorschlages dürfte sich übrigens auch das unklare Gerücht beschränken, daß von Wien aus in diesen Tagen ein sogenanntes Ultimatum sowol nach Westen als nach Osten abgcgangen sei." Wie das Wochenblatt Preß meldet, verlangt Oesterreich von den Ver bündeten, daß sie einen russischen Gegenvorschlag annehmen, welchem zufolge die Westmächte da- Recht haben würden, eine gewisse Anzahl von Kriegsschiffen im Schwarzen Meere zu halten. Oesterreich erklärt angeb. lich/ e» werde sich im Fall einer Weigerung von Seiten der Westmächte seiner denselben gegenüber im Decembervertrage eingegangenen Verbindlich- keiten für enthoben erachten. Frankreich soll den russischen Gegenvorschlag bereit- angenommen haben. Aus Wien vom 5. Mai wird der Time- te- legraphirt: „Die Bedingungen, welche Oesterreich Rußland zur Annahme vorgeschlagen hat, sind nicht befriedigend; allein Oesterreich wird wahrschein lich die Offensive ergreifen, wenn sie nicht angenommen werden. Sollten sich auch die Wcstmächte mit denselben einverstanden erklären, so wird doch Rußland schwerlich ein Gleiches thun." — Die Donau sagt in einem Artikel mit der Uebcrschrift „Der verän derte Kriegsplan": „Wenn der Friede unmöglich, wenn Rußland un beugsam ist, wollen wir den Krieg, aber nicht den Krieg inS Blaue hinein, sondern den ganzen, vernünftigen, ehrlichen Krieg. Seit Monaten haben wir gegen die bisherige Art der Kriegführung das Wort geführt. Seit Monaten haben wir vor den Friedcnstäuschungen gewarnt, welche die rus sischen Unterhändler hcrvorzurufen wußten. Der taurische Feldzug und der Kongreß schleppten sich mühsam und erfolglos hin. Di« Frldherr«» von Sewastopol warteten auf eine Friedensbotschaft aus Wien. Die Diploma ten in Wien sahen sehnsüchtig einem «entscheidenden Schlage« bei Sewa- stopol entgegen. So war die ganze Kriegs- und Friedcnssrage in einen unauflösbaren Knäuel verwickelt. Sewastopol konnte vom Kongreß und der Kongreß von Sewastopol nicht lassen. Endlich war der Kongreß zu Ende. Der Friede erwies sich in diesem Augenblick auf den bisherigen Grundlagen unmöglich. Und siehe da, bereits heute ist auch die Belage- rung von Sewastopol zu Ende; der Krieg in der bisherigen Weise, nach dem bisherigen planlosen System erweist sich ebenso unmöglich wie der Friede, der als eine Konsequenz eines solchen Krieges sich ergeben sollte. Noch ge stern und vor wenigen Tagen durften wir unsexn nachdrücklichen Zweifel darüber qussprcchen, ob Oesterreich sich an dem Krieg«, wie er bisjetzt ge handhabtwurde, betheiligen durfte. Daß Oesterreich nicht neutral bleiben könne, sobald jede Hoffnung guf die Konferenzen zunichte ist, dies haben wir wiederholt ausgesprochen. Aber wir haben uns auch nicht geschämt, zugleich die Ueber- zeugung auszusprcchen, daß Oesterreich sich nicht blindlings in die Offensive gegen Rußland stürzen dürfe, blos um die Schwache der Alliirten zu be mänteln, um noch länger das Schauspiel eines planlosen Feldzugs den Au gen der Welt vorzuführen. Einen Plan, einen klaren, soliden, vernünfti- gen Plan foderten wir, damit Oesterreich, nicht nur das Cabinet, sondern auch das ganze, große Reich sich herzhaft entschließen könne, den Krieg, den, ganzen, ehrlichen Krieg gegen Rußland zu eröffnen. Nun ward «S mit einem male hell. Die Belagerung der taurischcn Festung, heißt es, wird aufgegeben; die festen Positionen an den Küsten des Schwarzen MeereS sollen indessen behauptet werden. Die Hauptmacht der Alliirten jedoch wird sich an einem ncuxn strategischen Knotenpunkte sammelir, um von dort aus mit Oesterreichs energischer Beihülfe den Kampf im großen Maßstabe. gegen Rußland fortzusetzen. Sollten sich diese Mittheilungen bewähren, so sehen wir unsere Voraussicht erfüllt, Denn nur durch einen combinirten, wohl überlegten, festen Angriff — dies war stets unsere Ucherzeugung — kann Rußland zum Weichen und zum Frieden gebracht werden." Italien. Sardinien. Turin, 5. Mai. Der Senat ermächtigt die Negierung zur Einberufung eines Kontingents von 13,000 Mann der Altersklasse 1834. — In Cesena, Fsrli und Ravenna wurden mehre Personen ver haftet. <O«str.Cz.) n Turin, 1. Mai. In der Ankunft des bekannten neapolitanischen Ge nerals Pepe in Turin will man ein schlimmes Zeichen sehen; er erscheint manchen Leuten als Unglücksvogcl, als Vorbote der Revolution. Sicher ist, daß das Volk noch immer erregt ist und daß man von gewisser Seite auch sein Möglichstes thut, es nicht einschlafen zu lassen. Der Espcro, Organ Ratazzi's, sagt gerade heraus, daß wir am Vorabende einer Revolution stehen. Modena. Modena, 2. Mai. Aus Anlaß des Abmarsches dev österreichischen Truppen fand ein Banket des estenfischen Offizicr- corps, und die Bewirthung der österreichischen und estensischen Truppen, sowie ein Ballscst in den herzoglichen Gemächern statt. Die estensischen Offiziere und Soldaten begleiteten ihre österreichischen Waffenbrüder eine Strecke weit. Auch andere Bewohner folgten dem fröhlichen Zuge. (Oestr. Cz.) Araukreich. L Paris, 6. Mai. In den beiden ersten Tagen dieses Monats sind in aller Stille, ohne daß eine einzige politische Zeitung davon Kunde gab, die sechs Fahrzeuge, welche Frankreich bei der blockirenden Ostsee flotte vertreten sollen, unter dem Kommando des Contreadmirals Pcnaud von Brest abgesegelt. Unter den sechs erwähnten Schiffen befindet sich eine Dampfcorvette und zwei Avisodampfer, Pcnaud hatte im vorigen Jahre ein untergeordnetes Kommando in der Ostsee. Wenn man irgendeine krie- gerische Operation in dem Baltischen Meere vorhätte, würde die Regierung Frankreichs natürlich für eine glänzendere Theilnahme sorgen. Indessen zlaubt ein einflußreicher Staatsmann, daß es genüge, Frankreich in der Ostsee in dem Vcrhältniß zu repräscntiren, in welchem England bei den Kriegsoperationen vor Sewastopol betheiligt ist. Der Tod wüthet noch immer in den Reihen der alliirten Marine; der verdienstvolle britische Ad miral Corry ist vor wenig Tagen nach langem Krankenlager in Paris gestorben, und Admiral Mackau ist von seinen Acrztcn aufgegeben. — Di«