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Mittwoch. Nr. 89. 18. April 18SS Preis für das Wertet jahr l'/z Thlr.: jede ein zelne Nummer 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Deutsche Mgeuieine Zeitung Zu beziehe» durch alt^ Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die <^rpeditio» in Leipzig (Querstraße Nr, 8). <Knfertion»g«bühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. L-Frankfurt a. M>, 13. April. In der gestrigen Bundestags- sihung kam der Vortrag des ReclamationsausschusscS, die Vorstellung und Bitte des Kammerherrn v. d. Keltenburg und des Rittergutsbesitzers v. Vogelsang um Aufrechthaltung der den christlichen Religionsparteien bun- desgrundgesetzlich garantirten Gleichstellung der politischen Rechte betreffend, zur Berathung. In der Sitzung vom 2. Nov. 1854 hätte die Rcclama- tionscommission darauf angelragen, die Mecklenburg-schwerinsche Negierung um Rückäußerung über diese Beschwerde zu ersuchen. Schon am 30. Nov. hat die großherzogliche Regierung die Erklärung abgegeben, daß dem Be schluß der Landtagsversammlung vom 11. Dec. 1852, welcher die beiden Beschwerdeführer von der Ausübung der ihnen zustehendcn Rechte wegen ihrer Confession ausschloß, eine „über die Aeußcrung von Wünschen und Erwartungen hinauSgehcndc rechtliche Bedeutung" nicht beigelegt werden könne; weil nach der in Mecklenburg bestehenden Landesverfassung eine rechtsgültige Feststellung über ständische Berechtigungen und Befähigungen nur durch einen gemeinsamen Beschluß der beiden Landesherren und der Stände, nicht durch einseitige Beschlußnahme hätte gefaßt werden können. Darauf hin hat die Mehrheit des Ausschusses beantragt, den Reclamantcn zu eröffnen: 1) es liege nach dieser Erklärung kein Grund vor, der Bitte der Reclamantcn vom 16. Juni weitere Folgen zu geben; 2) die großhcr- zoglich Mecklenburg-schwerinsche Regierung aufzusodern, diese Erklärung in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Diesen Anträgen wurde beigestimmt. Dagegen ist über den Antrag von Sachsen auf authentische Interpretation des Bundesbeschlusses vom 19. Juni 1845 in Betreff des Schutzes von Werken der Wissenschaft und der Kunst gegen Nachdruck eine Einigung nicht zustande gekommen. Vom Main, 13. April. Man schreibt dem Nürnberger Corrcspon- dcnten: „Von den Zoll- und Münzconferenzen läßt sich, wie ver bürgt mitgctheilt werden kann, wenig Tröstliches melden. Die Zeit der Wiederzusammcnkunfl für die lctztern, anfänglich auf den 15. April fest gesetzt, ist neuerdings auf unbestimmte Zeit hinausgeschobcn worden. Die erster» werden im Laufe des Jahres gar nicht mehr stattfinden, da der nö- thige Stoff zur Behandlung fehlt und überdies Hannover Hindernisse in den Weg legt und seine Sonderstellung hartnäckig behauptet." Preußen. Berlin, 16. April. Man bringt häufig die dermalige Jsolirung Preußens mit dessen Neutralitätspolitik von 1795 und 1806 in Parallele und zieht daraus für dasselbe nachtheilige Schlüsse. Indessen sind die damaligen und die dermaligen Verhältnisse ganz andere. Damals wüthete ein seil Jahren fortdauernder Krieg und eine schrankenlose Erobe rungssucht strebte-nach der Weltherrschaft. Jetzt hat der Krieg erst begon nen, und welche auch die Plane Rußlands sein mögen, es stehen ihm weder die materiellen noch die moralischen Mittel Napolcon's zugebote. Weit ent fernt, wie Frankreich und Napoleon in jenem Zeitraum zur Offensive gegen Europa überzugehen, ist Rußland bereits durch den ersten Feldzug von der Türkei und den Westmächlen in die Defensive geworfen worden. Die Ge fahr der Gegenwart gleicht demnach keineswegs der Gefahr jener Vergan genheit, erfoderl daher auch nicht jene Angriffs- und Vertheidigungsmittel. Preußen kann deshalb wenigstens für jetzt noch in der Neutralität bleiben. Ebenso darf cs aber auch nicht wegen seiner Jsolirung eine Katastrophe von 1806 fürchten. Wo ist der Eroberer, der, nach der Weltherrschaft strebend, das isolirte Preußen nach wiedcrhcrgcstelltem Frieden (früher ist dies über haupt nicht denkbar) angreifcn würde? Würde Europa wol zugeben, daß Napoleon III. oder Alexander II. die Rolle Napolcon's 1. in Europa spielte und eine neue Weltherrschaft durch die Unterjochung Preußens zu inaugu- rircn unternähme? In diesem Fall ständen Preußen jetzt auch größere Wi derstandskräfte als damals zugebote. Wenn übrigens die betheiligtcn Mächte, Rußland und die Türkei sammt deren Alliirten, über die Modificirung frü herer von Preußen garantirler Verträge einig wären, so ist nicht abzusehen, warum sich dieses damit nicht einverstanden erklären sollte. Ist dies aber der Fall, dann bedarf cs der Gegenwart eines preußischen Bevollmächtigten bei der Wiener Conferenz nicht, sondern blos einer dicsfallsigen Notifikation an Preußen. Uekcrdies wie viele Tractate sind schon aufgehoben worden, ohne daß die sic garantircnden Mächte deshalb zu den Waffen griffen. Wie die Verhältnisse in diesem Augenblick stehen, bedarf cs einer Thcilnahme am Kriege von Seiten Preußens noch nicht. -j-Auö dem Regierungsbezirk Merseburg, 16. April. Im hie- sigen Departement werden alle Gesangbücher, welche nur irgendeine ra tionalistische Färbung an sich tragen, binnen kurzem abgcschafft werden. — Die ungemeine Thätigkcit, welche jetzt wiederum in unsern Militär bureaux herrscht, bezieht sich hauptsächlich auf das Institut der Land wehr. Wie man sagt, so sollen die diesjährigen Ucbungen der Wrhrmän- ncr hier weit früher statlfinden als in den vergangenen Jahren. — Einige russische Familien, welche die bevorstehende Badcsaison in Kösen zuzu- bringen gedachten und zu diesem Behufe bereits vor kurzem Logis bestellt hatten, haben jetzt geschrieben, daß „bei dem bevorstehenden allgemeinen Kriege" sie die Reise ins Ausland wieder aufgegebcn. — In der Goldenen Aue wird gegenwärtig auf Rechnung sächsischer Speculanten viel Ge treide, namentlich Hascr aufgckauft. A Posen, 13. April. In unserer Stadt laufen einmal wieder Mo bilmachungsgerüchte um, und zwar zum Zweck einer bewaffneten Neu tralität. Unsere hiesige Zeitung hat sich in ein wahrhaft loyales Blatt ver wandelt und kämpft beharrlich gegen den Polarismus und dessen antipreu ßische Strebungen. — Unsere heimtückische W arthc, die 14 Tage hindurch unsere halbe Stadt unter Wasser gesetzt halte, ist seit einigen Tagen in ihr Bett zurückgckchrt; aber welche Verwüstungen hat sie angerichtet! Ganze Häuserreihen sind vorderhand und auf längere Zeit unbewohnbar; ja ein halbes Dutzend Häuser sind völlig cingcstürzt und bilden mit allen darin befindlich gewesenen Mobilien einen wüsten Trümmerhaufen. Hannover. Z Hannover, 12. April. Es läßt sich keineswegs bc- haupten, daß unser Land wegen der bevorstehenden Verfassungsände rung in Aufregung lebe. Die Stimmung Derer, welche wissen, worum es sich handelt, ist düster und gedrückt. Die Adressen der Communen für Erhaltung der Verfassung laufen bisjctzt sparsam ein. Osnabrück hat noch energischer an die Selbständigkeit des Königreichs und des Königs sowie an gegebene Versprechen und Unterschriften erinnert alS die Hauptstadt selbst; aber Göttingen ist in dieser Hinsicht noch zurück. Wird das Fürstcnthum Bremen mit Eisenbahnprojectcn von der Regierung beschwichtigt, so bedür fen die Elbgegcndcn der Staatsuntcrstühung zur Ausfüllung ihrer Deich brüche, und ihr Schweigen ist ebenfalls erklärlich. Wie cs heißt, wird an dem Patente, welches die Verfassung von 1840 ganz oder theilweise Her stellen soll, bereits gedruckt; doch wird das Ministerium die kommenden Schwierigkeiten nicht verkennen. Der Antrag des ReclamationsausschusscS beim Bundestage vom 22. März d. I. ist unstreitig mit Absicht sehr all gemein gehalten, und die hannoversche Negierung fand keine Handhabe darin. Darauf wurde ihr die Abordnung eines Bundcscommissars vorgc- schlagen, und der Ministerpräsident sollte diesen selbst wählen; allein nun wurde eiligst ein Erpresser nach Frankfurt geschickt, um diesen Freundschafts dienst abzulehnen. Gedrängt möchte Hr. v. Lütcken werden, aber die Sou- veränetät des Königs wagt er nicht zu opfern. Stahl-Gerlach'schc Zu stände erlangt er außerdem doch nicht. In der Verfassung von 1840 ist allerdings von keiner Entlassung der Minister auf einfache Kammcrbcschwerde beim Könige die Rede; aber stellt man die Adelskammer auch in früherer Form her, so wird ihr immer eine Zweite Kammer cntgcgentretcn, welche die Anmaßungen des Adels zurückweist; denn unsere Städte und Bauern wissen recht gut, daß cs sich bei den HH. v. Decken, Lenthe und Knese beck nicht um das formelle Rcpräscntationsrecht, sondern um Wiedererlan gung der Exemtionen, Slaatsdienerstellen rc. handelt. Unsere Wahlcorpo- rationcn haben Anhänglichkeit an einsichtsvolle und bewährte Führer, und diese Führer haben Patriotismus genug, um sich von den Wahlen nicht zurückzuziehcn, wie es in Preußen geschah. Wir werden Rechtsverwahrun gen bekommen, wie sie 1841 trotz aller Anstrengungen des Hrn. p. Falcke nicht abzuwenden waren und wie sie Hrn. Hassenpflug in Kurhesscn hini- dcrn, das Vcrfassungswerk in seinem Sinn abzuschließen. Wir werden dort allerdings Zugeständnisse machen, wo die Nculingshast von 1848 zu weit ging, indem sie namentlich die Provinziallandtage ohne ihre Zustimmung zu beseitigen wünschte; aber die Selbständigkeit der Städte, die Kassencin- hcit, die Schwurgerichte, die Gleichberechtigung der Glaubensbekenntnisse bewiesen sich bereits wohlthuend genug, um verstanden und gewürdigt zu werden. Büßen wir diese Dinge ein, so werden wir sie auch wiedererringcn. Dafür bürgt der Ernst unsere Volks und die bereits 1837 — 41 gemachte Erfahrung; dafür bürgen uns Namen wie Stüvc, Lehzen und Lindemann. — Der Hannoverschen Zeitung zufolge entschieden sich von den 17 Stim men des Engern Naths der Bundesversammlung 15 für den Antrag der Neclamationscommission in der hannoverschen Verfassungsangelcgenheit. Da sich Hannover der Abstimmung enthalten hatte, war folglich nur 1 Stimme gegen den Antrag. Kurhesscn. Kassel, 15. April. Der interimistische Chef des kur fürstlichen Gcncralstabce, Oberstlicutenant v. Meyerfeld, ist gestern nach Dresden abgercist, um an den dort statlfindcnden Verabredungen zwischen Sachsen, Kurhesscn, Nassau und Luxemburg in Betreff der für das 9. Armeecorps nöthigen Ernennungen von Befehlshabern nach Art. 17 der Kricgsvcrfassung des Deutschen Bundes theilzunehmen. — Dem Buch-