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laufes im Dienste der Ausdruckssteigerung bereits in sehr bedeutendem Maße einbezieht, hat Beethoven in diesem Konzert auf die übliche große Solokadenz vor Schluß des ersten Satzes verzichtet. Dennoch wird dem Soloklavier in der abschließenden glanzvollen Coda in organischer Verbindung mit dem Orchester part noch einmal Gelegenheit zu virtuosem Brillieren gegeben. Der zarte zweite Satz (Adagio un poco mosso) bildet in seiner besinnlichen Innigkeit einen starken Kontrast zu dem vorangegangenen. Sein feierliches, ergreifendes Liedthema, zunächst in edler Harmonisierung von den Streichern musiziert, wird vom Soloinstrument im Verlaute des ziemlich kurzen Satzes in Figurationen aus perlenden Trioienketten, Terzen- und Sextenpassagen sanft umspielt. Aus dieser träumerischen Stimmung erfolgt unmittelbar der Übergang in das Finalrondo, wobei am Ende des Adagios durch das Soloklavier bereits ganz leise das Anfangsmotiv des Rondothemas vorausgenommen wird, mit dem dann im Allegrotempo der geistvolle, sprühende Schlußsatz beginnt. Eine äußerst feine thematische Arbeit voll der verschiedensten Ausdeutungen und Kombi nationen kennzeichnet dieses schwungvolle Finale, dessen musikalische Substanz neben einigen Seitenthemen im wesentlichen das tänzerische, durch eigenartige Verschmelzung zwei- und dreigeteilter Rhythmen gleichsam widerspenstig wir kende Anfangsthema, ein daran anschließendes Motiv mit punktiertem Rhythmus sowie ein lyrisches, gesangvolles Thema bilden. Nach einem Duo zwischen dem scheinbar immer mehr ermattenden und fast verlöschenden Klavier und der stän dig leise das punktierte Motiv wiederholenden Pauke schließt das Konzert nach einem plötzlichen Aufschwung des Soioinstrumentes endlich doch wieder in jubelndem Tutti, Beethovens 8. Sinfonie F-Dur op. 93 folgte unmittelbar auf die 7. Sinfonie. Das Werk entstand während eines Kuraufenthaltes in den böhmischen Bädern im Sommer 1812 und wurde nach einer handschriftlichen Bemerkung des Meisters auf der Partitur („Sinfonia Lintz im Monath October 1812") in Linz, wo er nach der Kur für einige Wochen seinen Bruder Johann besuchte, vollendet. Die erste Aufführung fand in einem eigenen Konzert Beethovens am 27. Februar 1814 in Wien statt, zusammen mit der „Siebenten" und der Programmsinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria". Bei den Zeitgenossen fand die „Achte" zunächst wenig Anklang. „Das Werk machte keine Furore", hieß es in einer kritischen Stimme nach der Uraufführung. Beethoven zeigte sich darüber recht verärgert, er meinte, seine „Kleine Sinfonie" (so nannte er sie im Vergleich mit der „Großen" A-Dur-Sinfonie) habe den Hörern wohl deshalb nicht gefallen, „eben weil sie viel besser ist". Der Grund für diesen Mangel an Verständnis (genaugenommen steht ja die achte, ebenso wie die vierte Sinfonie, auch heute noch ein wenig im Schatten ihrer berühmten Geschwisterwerke) lag nicht etwa in der besonderen Schwierigkeit des Werkes, im Gegenteil, man hatte wohl nach den vorangegangenen Schöpfungen neue Stei gerungen erwartet und war nun enttäuscht durch eine scheinbare Zurückwendung auf Vergangenes (Anklänge an frühere Werke, Anwendungen von sinfonischen Prinzipien Haydns), die aber hier durchaus keinen Rückschritt, sondern eher einen Rückblick von einer höheren Stufe aus darstellte. Heitere Scherzhaftigkeit, be schauliche Behaglichkeit, launiger Humor, kraftvolle Lebensbejahung und ausge lassene Freude charakterisieren das formal bemerkenswert geschlossene Werk, in dem, wie auch schon in der 7. Sinfonie, wieder dem rhythmischen Element eine große Bedeutung zukommt. Der ohne Einleitung sogleich mit dem frischen, klar gegliederten Hauptthema be ginnende 1. Satz (Allegro vivace e con brio) ist voller schalkhafter Einfälle und kontrapunktischer Neckereien. Er steigert sich nach fröhlich-tumultuarischen Kämpfen bis zum gewaltigen Freudenausbruch der Coda, endet dann aber sehr graziös mit dem noch einmal leise aufklingenden Kopfmotiv des fröhlichen, tänze rischen Anfangsthemas. Auf einen langsamen Satz verzichtend, schrieb Beethoven als 2. Satz ein bezaubernd anmutiges, leicht dahintändelndes Allegretto scherzando. Als Thema liegt diesem Satz ein Kanon zugrunde, den der Meister in heiterer Laune dem Erfinder des Metronoms, Johann Nepomuk Mälzel, gewidmet hatte; die Sech zehntelakkorde der Bläser zu Beginn, die gleichsam das Ticken des mechanischen Zeitmessers nachahmen, bestimmen die Bewegung des reizenden, scherzhaften Satzes. Der 3. Satz (Tempo di Menuetto) erinnert an einen derbkräftigen Volkstanz, im Trio erklingt über Stakkato-Triolen der Violoncelli in Hörnern und Klarinetten eine einschmeichelnde, ländlerartige Melodie. Das Finale, der weitaus umfangreichste Satz, in freier Rondoform gehalten, stellt den eigentlichen Höhepunkt des Werkes dar. übermütige Laune, „grimmiger" Humor äußern sich hier in mancherlei drastischen Einfällen, — so gleich zu Anfang in dem (auch später wiederkehrenden) überraschenden, dynamisch stark betonten tonartfremden Cis, nach dem zuerst im Pianissimo im schnellsten Zeitmaß vorüberhuschenden F-Dur-Rondothema, das dann im Fortissimo-Tutti gebracht wird. Das kontrastierende zweite Thema erklingt als lyrische Kantilene der Vio linen. Mit größter kontrapunktischer Meisterschaft und bewundernswerter Erfin dungsgabe, immer neuen geistvollen Wendungen und Kombinationen bei der Wiederholung der Themen ist dieser Satz, der trotz des dominierenden Humors auch ernstere Gegenströmungen, schroffe Einwürfe aufweist, gestaltet. Durch einen jubelnden, wirbelnden Freudentanz wird das Finale abgeschlossen. Dr. habil. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG Sonnabend, den 23.. und Sonntag, den 24. Juni 1973, jeweils 18.00 Uhr, Schloßpark Pillnitz 2. SERENADE Dirigenten: Preisträger des Dirigenten-Wettbewerbes um den Carl-Maria-von-Weber Preis der Stadt Dresden 1973 Solist: Werner Metzner, Klarinette Werke von Willy Focke, Weber und Haydn Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1972/73 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: Polydruck Radeberg, PA Pirna — 111-25-12 2,3 ItG 009-63-73 12. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1 972/73