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S88 v Berlin, 23. Acbr. Oberst v. Olberg war vorgestern, am 21.Fcbr., wieder tzi Berlin eingetroffen. Die Chancen des Vertrags sind etwas gestiegen, obgleich die Zweifel an dessen Zustandekommen nicht aufgegeben sind. — In der gestrigen Schlußsitzung der Creditcommission wurde mit bedeutender Majorität eine an den König zu richtende Adresse angenommen, die in warmem patriotischem Tone die Sorge der drohenden Jsolirung her- vorhebt und die Ueberzcugung ausspricht, das, eine feste und konsequente Politik die nothwendige Garantie für Preußens Zukunft bilde. Die Com mission beschloß ferner, der Kammer vorzuschlagen, die gefoderte Creditverlän- gerung für den nicht erschöpften Theil abzulehncn. FürLctztereS stimmte die strenge Rechte mit der äußersten Linken gegen die gemäßigten Fraktionen (gemä ßigte Linke, Katholiken und Bethmann-Hollweg), welche nach vorangegan- gener Annahme des Adreßvorschlags für die Creditbewilligung stimmten, aber in der Minorität blieben. Die Motive der Rechten sind unbekannt, da ein von ihnen eingebrachtes, aber abgelehntes Amendement nichts Der gleichen vermuthen ließ. Eine Verabredung mit der Linken hat nicht statt gefunden. Einige sind sogar der Ansicht, daß auf Seiten der Rechten ir gendein Misverständniß waltete und sic sich irrthümlich durch die Crevitbc- willigung zu gleicher Zeit für die Adresse zu engagiren fürchtete. — Die National-Zeitung sagt: „Nach den gestern Abend in der Com mission zur Berathung des Gesetzes über die Creditbewilligung von 30 Mil lionen vom Ministerpräsidenten abgegebenen Erklärungen darf man der Vermuthung Raum geben, daß der im Entwurf von Paris hierhcrgelangte Separatvertrag zwischen Preußen, England und Frankreich in den nächsten Tagen von Seiten Preußens unterzeichnet werden wird." —. Die pariser «Presse» bringt die preußische Depesche vom 30. Jan. an den Grafen Arnim in Wien. Dieselbe lautet in der Rücküber setzung aus dem Französischen: Sie werden aus den Journalen Kunde von einem Schriftstück erbalten haben, Las Graf Buol außer dem Circular vom 1-1. Jan., das auch uns communicirt wurde, unter demselben Datum vertraulich an die kaiserlichen Gesandtschaften in Deutschland, ich weiß nicht ob an alle oder nur an einige, gerichtet hat. Ich brauche wol nicht erst zu bemerken, daß uns das gedachte Schriftstück vom kaiserlich österreichischen Eabt- nete nicht mttgetheilt worden ist; doch darf ich nach Dem, was uns schon vor dessen Veröffentlichung über dessen Inhalt aus den Berichten der Gesandten bekannt wurde, an der Echtheit desselben ebenso wenig zweifeln, wie daran, daß der Wortlaut desselben auch den Weltmächten mitgetheilt ist und daß insbesondere die französischen Gesandt schaften in Deutschland darauf angewiesen sind, in der Richtung dieses Schriftstücks thütig zu sei». Da dies letztere uns, wie schon erwähnt, vom wiener Cabinet nicht communicirt ist, so brauche ich mich nicht mit der unangenehmen Aufgabe zu befassen, Ew. Exc. mit einer darauf Bezug nehmende» Eröffnung zu beauftrage». De» Ein druck, den dasselbe hier und, wie wir gewiß wisst», t» ganz Deutschland Hervorrufen mußte, brauche ich weiter nicht zu schildern. Sc. Maj. der König, unser allcrgnädig- ster Herr, wird sich trotz dieser überraschenden und schmerzlichen Anzeichen nicht in der lleberzeugung irremachen lassen, der Allerhöchsttieselben noch jüngst in der Bundes versammlung Worte zu geben befohlen haben, daß in der Grundbestimmung des Bun des eine genügende Garantie für Len rechtlichen Bestand seiner Verhältnisse liegt, welche weder durch besondere Zusicherungen verstärkt z» werde» braucht, noch durch Anlockun gen einer wirklichen Gefahr preisgegcben werden kann. Manteuffel. * Aus der Provinz Sachsen, 22. Febr. An verschiedenen Orten ist Heuer die Wiederkehr von Luthe r's Todestag durch Gesang und reli giösen Vortrag sowol von den Missions- als von den GustaoAdolf-Vcr- einen unter öffentlicher Einladung aller Verehrer des großen Mannes ge feiert worden. Doch blieb die Theilnahmc allerwärts nur äußerst spärlich, weil die jetzt ausschließlich beliebte Art der Verehrung der Mehrzahl, die sich an den Geist der Reformation halten will, nicht entspricht. — Mit dem Beginn der Fastenzeit haben die sämmtlichen Prediger Naumburgs eine Mahnung wiederholt, die sie bereits vor Jahresfrist in Gemeinschaft mit den dortigen Kirchengcmeinderäthen „an die Vorstände aller geselligen Ver eine, an alle Einwohner, an Reich und Arm ergehen ließen, gemeinsam dahin wirken zu wollen, daß in der bevorstehenden Fastenzeit weder öffent liche noch Privatgesellschaften solcher Art veranstaltet werden, welche der ernsten und hochwichtigen Vedeulung der Fastenzeit verletzend gegenübcrtrc- tcn könnten". Diese Wiederholung wird aber Heuer keinem andern Geschick verfallen als im vorigen Jahre, wo alle Welt stumm an ihr vorüberging, weil die Schale nicht den Kern, der doch fehlt, zu schaffen im Stande ist, und überdies bei dem harten Winter und der bestehenden Theuerung beson dere Lustgcdanken bei den Wenigsten aufkommcn, vielmehr die Allermeisten vollkommen zufrieden sind, wenn sie nur ihre Blöße decken und Brot für den hungernden Magen herbeischaffen können. Abgesehen davon aber auch würde wol schwerlich Jemand bereit sein, die auf den Schultern der Gc- werbtreibcndcn ruhenden Steuern, die doch auch während der Fastenzeit zu zahlen sind, für die sieben Fastenwochcn auf sich zu nehmen. — Der Ver- waltungsrath der Samariterherbergc zu Horburg bei Schkeuditz hat jetzt einen dringenden Hülferuf an theilnchmende Menschenfreunde ergehen lassen, aus dem man ersieht, daß in dem Nettungshause seit der Gründung der Anstalt, Ostern 1833, vier arme Waisenknaben und vier arme Waisen mädchen Hut und Pflege erhalten haben, und daß nach dem jetzt vom Fa- milienrath entworfenen Sratut künftig nur arine Mädchen des mcrseburgcr Regierungsbezirks Aufnahme finden sollen. Württemberg. Die Ulmer Schnellpost berichtet aus Ulm vom 21. Febr.: „Wie wir hören, soll heute früh ein Armeebefehl vom Kricgs- ministerium dahier angclangt sein, welcher die Anordnung gibt, daß die fünf ersten Infanterie- und die drei ersten Cavalerieregimentcr sich alsoglcich in Kriegsbereitschaft zu stellen haben." Thüringische Staaten. **Altenburg, 23. Febr. Das Dunkel, welches über den Zweck der jüngsten Reise unsers Ministcroorstandes nach Frankfurt in weitern Kreisen noch herrscht, ist noch nicht aufgeklärt und -weiß man nicht, ob sie unserer VcrfassnngSfrage, oder der KricgSb«. rcitschaft des Militärs, oder Beidcm gegolten hat. Auf letztere scheint der Umstand hinzudcutcn, daß auch München das Ziel der Ncise gewesen ist. Im Zusammenhang mit der Kriegsbereitschaft stehen auch die am gestrigen Tag: bekannt gewordenen Beförderungen im Militär; es sind ein zweiter Major, ein Hauptmann und sechs Lieutenants ernannt worden. Daß Letz teres nun auch ohne verfassungsmäßige Zustimmung der Landschaft zu der dadurch bedingten Erhöhung des Militäretats geschehen mußte, ist cine dec traurigen Folgen der überstürzten Landschaftsauflösung, da unzweifelhaft bei der vereitelten Etatberathung diese Mehrausgabe genehmigt worden wäre. — Vor wenigen Tagen hat sich auch hier ein Verein für äußere Mis- sio n gebildet, der mit dem leipziger Missionsverein in Verbindung getreten ist. Die Gründer gehören sämmtlich dem geistlichen Stande und in ihrer Mehrzahl der strenggläubigen Richtung an. Wenn auch die achtbaren Per sönlichkeiten, dcrcn Namen mit unter dem Programm stehen, dafür bürgen, daß es sich um den Ernst der Sache und nicht blos um eine Aeußerung der modernen kirchlichen Richtung handelt, die man jetzt über unser Länd chen gleich einem Nebel hängen möchte, so wird die Sache doch im Publi cum nur im letzter« Sinne aufgcfaßt und deshalb mit mehr oder weniger MiStrauen betrachtet. Bei der allgemeinen Abneigung gegen diese Richtung, namentlich in ihrer jetzigen Handhabung, wird voraussichtlich die Theil- nähme eine sehr geringe sein. A n h alt. Dessau, 25. Febr. Der Bundesbeschluß vom 8. Febr. in Betreff der Kricgsbcreitschaftsetzung der Conlingentc macht bereits dem Landtage für das Herzogthum Anhalt-Bernburg zu schaffen. Der selbe ist gegenwärtig mit der Berathung deS Finanzetats beschäftigt und infolge dessen kamen in der gestrigen Sitzung die Posten für die Militär bedürfnisse zur nähern Erörterung. Hiernach stellt sich im Vergleich zu dem vorigen Jahre ein Mehrbedarf von 7600 Thlrn. heraus, welcher sei tens des Staatsministeriums dadurch motivirt ward, daß man gcnöthigt werde, das im verflossenen Jahre eingchaltcne System der Beurlaubungen nunmehr fallen zu lassen, damit der bundesmäßigen Qualification des Con- tingents vollständig genügt werden könne. Es müsse deshalb eine kriegs- tüchtig eingeübte Mannschaft mit Einschluß der Ersatz- und Neservetrnppen vorhanden sein. Man werde jedoch nicht über die von Bundeswegcn vor- geschriebcne Stärke des Bataillons von 550 Mann hinanSgchen. Ueber die zu Ende gehende Militärconvention mit der Krone Preußen werden dem nächst wieder Unterhandlungen ausgenommen werden, doch sollen hierbei noch günstigere Bedingungen zu erzielen in Aussicht stehen, als cs bisher der Fall gewesen. Anlaß dazu biete zuvörderst der Umstand, daß mit der diesseitigen Staatsregicrung in Betreff der Formation Eines anhaltischen Truppcncorps trotz einer zweijährigen mehr oder minder lebhaften Verhand- lung kein befriedigender Abschluß sich hat erwirken lassen wollen. Wir glauben, daß hierbei die in Deutschland so oft schon hinderlich gewordene Frage eines allzu ängstlichen Particnlarismus nicht ohne erheblichen Ein fluß geblieben ist, obschon wir unerörtert lassen, von welcher Seite derselbe vorwiegend festgehalten worden ist und wird. Will man aber der allge meinen Stimme, der vox ^opuli, Glauben schenken, so haben die bern- burgischen Finanzen durch den Abschluß der eben ablausenden Militärcon- vcntion keine sonderliche Schonung erfahren. Wie dann vom Minister tische aus dem Landtage weiter entwickelt wurde, beabsichtigt man in einer spät'crn Friedenszeit cine Umbildung des bernburger Infanterie- in ein Schützenbataillon. Die zu diesem Behufe dann anzuschaffenden Büchsen würden 8000 Thlr. kosten; dem Wesen nach verringert sich die Summe indessen insofern, als die jetzt in Gebrauch befindlichen Gewehre schlecht be schaffen sind und ohnedies bald durch neue hätten ersetzt werden müssen, und als Preußen bereit ist, die alten Gewehre an Zahlungsstatt anzunch- men, neue zu liefern und ratenweise Abzahlungen zu verwilligen. Der Militäretat wird sich dann von 46,000 auf 40,000 Thlr. mindern. Das Mini sterium verlangte hierauf für eine eventuelle Mobilmachung, welche es für höchst wahrscheinlich in Aussicht stellte, einen vorläufigen Credit von 16,919 Thlrn. Hierdurch müssen dann statt der bisherigen neun Simpla zwölf Simpla Kriegssteuer ausgeschrieben werden. Es ist zu bemerken, daß die Besteuerung des Hcrzogthums Anhalt-Bcrnburg bei weitem höher ist als die in dem Herzogthum Anhalt-Dcssau-Köthen, wo überhaupt bei ungemein mäßiger Abgabenbelastung die obschwebendc Militärausrüstungs- und Mo- bilisirungsfrage noch keine Steuerhöhung crfodert hat und auch wol schwer lich erfodern wird. Interessant ist noch, daß in der in Rede stehenden Landtagsfitzung von Seiten des Ministeriums ein erheblicher Ausfall in den zu hoch gegriffenen Zollcinnahmcn in Aussicht gestellt wurde, insofern man 21 Sgr. per Kopf berechnet habe, während im Jahre 1854 durchschnitt- lich nur 18 Sgr. erlangt seien und die gegenwärtige Periode cine Besse rung nicht erwarten lasse. Als nun auf Antrag des Finanzausschusses ministeriellcrseits die postulirtc Summe unter der Bedingung, daß der Land tag eintretendenfalls der Staatsregierung die nöthigen Gelder sofort zur Disposition stellen werde, fallen gelassen wurde, sprach sich mit dem letztem Anträge der Landtag insgcsammt zustimmend aus. Vielfach meint man, cs werde diese Foderung Kalo in verstärkter Gestalt Wiederaufleben. Hier orts huldigt man purv der preußischen Politik und kann noch immer nicht die Hoffnung auf einen „guten" Frieden aufgebcn, zumal, wenn vor Se wastopol erst eine Entscheidung herbeigeführt worden ist. Davon macht man in der That und wol auch mit Recht den Gang der nächsten Zukunft ab hängig. Mecklenburg. Der Volksfreund berichtet aus Bützow vom-20. Febr.: „AufHelgoland ist jetzt eineWerbcstation errichtet, um deutscheLan-