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Sonnabend. . Nr. 47. 24 Februar I8SS. EetPztg. Di. Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Mr aus- gegeben. Prei« für das Viertel- i«hr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Dmtschk Mgtmiiic Ztitmig. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Brpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). lFnfertionSflebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. »-«tschlan d. Frankfurt a. M., 19. Febr. Man schreibt der Kölnischen Zeitung: „Die Aeußerung des preußischen MUitärbcvollmächtigten steht nicht verein zelt da. Der Düsseldorfer Zeitung wird geschrieben: «Der Gegensatz des österreichischen Antrags und des Bundesbeschlusses läßt sich dahin be zeichnen: die Bundesversammlung weist das Ansinnen Oesterreichs zurück, daß der Bund mir Oesterreich die Offensive gegen Rußland ergreife, und hält zugleich eine Vorbereitung der Mobilmachung für nöthig, um Deutsch land gegen diejenigen Nachbarn zu schützen, welche es etwa zur Theilnahme an dem Kriege gegen Rußland zwingen wollten.» Wir glauben, daß Deutsch land diesen Bundesbeschluß anders versteht." Preußen. N Berlin, 22. Febr. Es darf bei allen guten Aussich ten auf eine größere Annäherung zwischen Preußen und dem Westen sowie auf das Zustandekommen eines Arrangements nicht aus den Augen gelassen werden, daß alle gestern mitgetheilten Zweifel von Denjenigen, die sie erhoben, nicht aufgegeben sind. Man gibt die Annäherung zu, will aber noch immer an das Zustandekommen eines günstigen Vertrags nicht recht glauben. Die Nachrichten der französischen Presse sind jedenfalls verfrüht. Man kann die Hoffnung auf einen guten Ausgang scsthalten, darf denselben aber nicht als schon erfolgt annchmen. Einige sind der An sicht, daß jene allzu optimistischen Nachrichten aus Paris zum Theil darauf berechnet sind, Oesterreich zum Abschluß der Militärconvention zu drängen; denn es scheint nach dieser Seite hin noch nicht Alles definitiv geregelt. Es hieße nicht die Pflicht des Berichterstatters erfüllen, setzte ich Sie nicht von diesen Zweifeln in Kenntniß. Der Vertrag bewahrt seine Chancen, hat aber hier, da der Westen keinen Scheinvertrag zugeben wird, noch mehr als Eine Schwierigkeit zu überwinden. — Wir haben Recht gethan, an daS Gerücht der Reise des Königs nach Strelitz nicht glauben zu wol len. Man hat weiter nichts davon gehört. — Ein Correspondent der Leipziger Zeitung vom Rhein bezeichnet Fol- gen-rS als die Bedingungen, welche der Generallieutenant v. Wedell in Paris für einen Separatvertrag Preußens mit den beiden westlichen Großmächten zu stellen beauftragt worden sei: „1) Es solle keine Gcbiels- verringerung des russischen Reichs von den verbündeten Mächten gefodert werdens 2) alle revolutionären Elemente seien fcrnzuhaltcn; 3) was die an Rußland zu richtenden Garanticfoderungen anbclange, so würve nicht über die auf den Wiener Conferenzen schon ausgestellten vier Punkte hinauszu gehen sein; 4) hinsichtlich des dritten dieser vier Punkte (Aufhebung der russischen Suprematie auf dem Schwarzen Meere) sollen nur solche Fode- rungen erhoben werden, die von Rußland nach seiner Machtstellung würden angenommen werden können ; 5) ein Bevollmächtigter Preußens habe thcil- zunehmen an den in Wien bevorstehenden Friedensunterhandlungen mit dem russischen Bevollmächtigten, Fürsten Gortschakow. Für den Fall, daß diese Bedingungen von den Westmächten zugestanden werden würden, wurde das Anerbieten gemacht, daß Preußen ein Heer von 100,000 Mann an seiner Ostgrenze aufzustellcn bereit sei. Die Mission des Generallieutenants v. We dell erfolgte im unmittelbaren Auftrage des Königs von Preußen. Sie ging nicht direct von dem preußischen Ministerium aus. Dieses wird ihre Resultate sich aneigncn, wenn sie in einem befriedigenden Maße erlangt werden." -j-Aus dem Regierungsbezirk Merseburg, 22. Febr. Bei dem 4. ArmeecorpS sind bereits alle Vorbereitungen getroffen, um bei dem ersten Befehl zu einer Mobilmachung sofort vollkommen gerüstet tazustehen. Auch die Offizierstellen bei dem ersten Aufgebot der Landwehr sind bereits sämmtlich besetzt, und selbst beim zweiten Aufgebot, wo noch vor kurzem, namentlich bei der Cavalerie, ein Mangel in dieser Hinsicht wahrgenommen wurde, ist diesem dadurch, daß ehemalige Offiziere freiwillig ihren Degen wieder angeboten, jetzt größtentheils abgeholfen. Außerdem zählt dieses Ar meecorps eine Menge Wehrleute, die als ehemalige Freiwillige erster Classe mit dem Qualificationszeugniß zum Lieutenant versehen sind. ^Breslau, 21. Febr. Die 16 Alcantarincrmönche sind aus Neisse wieder freigelassen und auf der Heimreise nach ihrem Stammkloster in Westfalen begriffen. Ihre Tracht ist die der Barfüßler, nur eine Sandale haben sie unter die sonst unverhüllten Füße, selbst bei der jetzigen Kälte, ge bunden. Die Mönche zeigen ein« Trappistenschweigsamkeil und eine Jesuitcn- unterwürfigkeit unter ihren Vorgesetzten, den durch seine excentrischen Briefe in jüngster Zeit bekannt gewordenen Pater Lothar. Dieser scheint das Wort für Alle zu führen und ist überaus redselig, wobei Mienen und Bewegun gen, wie von Dampfmaschinen getrieben, den feurigen, pomphaften, heraus- gedonnert«» Wort«» Nachdruck geben. Mit seiner tiefen Devotion und allertzttrruesten Unterthänigkeit für di« Person des Königs von Preußen treibt der Pater Lothar eine dick aufgetragene Ostentation, deren Absicht lichkeit mit zu gewaltigen Drückern in seinen Reden hervortritt, als daß ihre Lauterkeit volle Anerkennung finden und nicht vielmehr der Hinterhalt erkannt werden sollte, sich von der katholischen Kirche und deren Häuptern in Preußen freizumachen, und eine staatliche Kirche im Kleinen zu bilden. Oft schreit Pater Lothar: „Ich bin ein neuer Reformator; ich werde den Schlamm hinausfegen, der noch übriggeblieben ist. Man wird bald von mir hören und staunen!" Gegen den ChristkatholiciSmuö ist er fanatisch, wie rebellisch gegen seinen kirchlichen Vorgesetzten. Wie bitter er aber Ronge ganz besonders deshalb tadelt, weil er, als Priester, sich in weltliche Politik cingcmischt habe, so ruft doch Pater Lothar bald hinterher wieder- holentlich aus: „Ich will eine Heerde bilden; ich will es, und was ich will, wird zur That und zur Wahrheit werden, daß ganz Deutschland Eincm Kö nig unterworfen werde! Sollte Preußen mobilmachen, dann werde ich mitziehen und die Fahne tragen, und das Volk für seinen König begeistern, möge die Fronte sein, wohin sie wolle." Baiern. München, 21. Febr. In der heutigen Sitzung der Kam mer der Ncichsrathe kam die vn. Feust'sche Beschwerdesache (Nr. 23) zur Verhandlung. Der betreffende Ausschuß hatte die Beschwerde wol formell, aber nicht materiell für begründet erachtet. Nach längerer Debatte über die Frage, ob die Kammer oder der Ausschuß berechtigt sei, über das Bcgründetsein einer Beschwerde zu entscheiden, verneinte die Kammer die vom Präsidium vorgelegte Frage, ob es bei dem Ausschußbeschlusse sein Verbleiben haben solle, mit 19 gegen 9 Stimmen; demnach wird das Ple num dieselbe zu entscheiden haben. (Frkf. I.) Baden. Freiburg, 20. Febr. Der unlängst hier im Duell ver wundete stuck, jun. Specht aus Mainz (Nr. 41) ist heute verschieden. Der selbe ist der einzige Sohn sehr vermüglicher Aeitern. Seine Leiche soll dem Vernehmen nach nach Heidelberg gebracht werden. (Bad. Ldsz.) Oesterreich. Die Ost-Deutsche Post bemerkt über das russische Manifest: „Wenn der Kaiser von Rußland einen Befehl erläßt, sein Heer um so viel Tausend und Tausend Mann zu vermehren, so kann er sicher sein, daß er ebenso pünktlich befolgt wird, als wenn der Kaiser von Oesterreich oder ein anderes Staatsoberhaupt in eincm geordneten monarchischen Staate einen ähnlichen Befehl ertheilen würde. Der Selbstherrscher aller Reußen hat sicherlich nicht nölhig, seinem Ukas einen schönstilisirten Aufsatz als «uplu- tio den« volenti»« beizugeben. Di« russischen Manifeste, die wir an der Tagesordnung sehen, kMnen somit keineswegs den Zweck haben, dem leib eigenen oder nicht leibeigenen Unterlhanen die Motive oder die Politik der Regierung demonstriren zu wollen. Dazu sind diese Aktenstücke gar nicht angethan. Ja, das erste Aktenstück zu Ansang des Kriegs, wo an den Fanatismus der orthodoxen Bekenner offen und hell appellirt wurde, das mochte allerdings einen volksthümlichen Zweck haben, de» cs wol erreicht Halle. Aber das vorletzte und vollends das jüngste Manifest geht mit so leisen Tritten auf den Zehen, es lispelt so leise und winkt so zart, daß es unmöglich der großen Menge der Klein- und Großrusscn gewidmet sein kann, die sich auf solche Sprache schlecht versteht. Das Manifest deS Zar an seine Unterlhanen ist für ganz andere Leute berechnet. Den Sack schlägt man und — uns meint man! Uns, d. h. das übrige Europa, und vor allem die Bewohner der Lande des ehemaligen heiligen römischen Reichs, von denen Einige auf «den schmählichen Gedanken gcrathcn sind, Rußland habe politische Absichten auf die Türkei, auf Konstantinopel, auf die Do- nau und den Pontus!» Daß wir cs Alle erfahren, solche Gedanken, sind pure Verleumdung, denn Jedermann weiß, daß die Russen, wie es im Ma nifest heißt, «ohne Anwendung von Waffengewalt, ohne längeres Blut vergießen zu dem Ziele zu gelangen wünschen, welches wir uns beständig vorgesetzt haben, zur Vertheidigung nämlich dec Rechte unserer Glaubens- genossen und im Allgemeinen der ganzen Christenheit im Orient. Dieser Wunsch ist ebenso von allen Jenen gekannt, die mit Aufmerksamkeit und Unparteilichkeit den Gang der Ereignisse und die unveränderliche Tendenz unserer Handlungen verfolgt haben. Jedem andern Beweggründe, jedem andern Endzwecke in Glaubens- und Gewissenssachen waren wir immer fremd und bleiben cs immerdar». Die Behauptung, daß Rußland in sei ner orientalischen Politik keinen andern Beweggrund kannte, keine andere Tendenz befolgte als die: die Rechte der ganzen Christenheit im Orient zu schützen, ist ein solches kolossales Dementi aller Geschichte, aller Erfahrungen und diplomatischen Tradition, daß wir angesichts der illustrcn Quelle, aus wel cher das Manifest herrührt, keine Kritik an das Gewicht dieses Dementi legen mögen. Sollen wir ein Bekcnntniß unverhohlen ablcgen, so müssen wir sa gen, daß nun, nachdem der Wortlaut des Manifestes vorliegt, das Akten stück uns viel unwichtiger scheint, als man erwartet hat. Der Utas, wel cher di« Bildung «in«r allgemeinen Miliz des Reichs anbefiehlt, das ist das große historische Ereigniß; das Manifest und waö cs sagt, ist Nebensache.