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Freitag. Nr 4«. 1«. Februar I8SS Die Ztitmig «schchat mit Ausnahme des Montng« täglich und wird Nachmittags 1 Uhr aus gegeben. Preis für das Biertel- sahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Rgr. DtiiW Agtmiile Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und TeschI» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpeditio» in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Bnfertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland und der Krieg im Osten, in. Preußen. A Leipzig, 15. Febr. Nehmen in den ersten Frühlingstagen die Wesi- mäch.t« ihren zweiten Anlauf gegen Rußland, so nimmt Oesterreich laut Trgctat seinen ersten. Ludwig Napoleon wird sich auf der Höhe zu hal- -ten suchen, worauf ihn das Misgcschick des verbündeten englischen Heeres und das Zögern Deutschlands hohen, und England wird, mit Lord Pal- merston an der Spitze seiner Negierung, die größten Anstrengungen ma chen, sein gesunkenes Ansehen wiederherzustellen. Oesterreichs erster Schritt über OlkuSz und Miechow hinaus wird hoffentlich energisch und siegreich sein. Noch ist es für Preußen nicht zu spät, sich Oesterreich anzuschlicßen und der europäischen Frage damit die besondere deutsche Seite abzugewin- nen. Der Fall von 1840, wo Frankreich Aegypten in seiner Auflehnung gegen di« Pforte zu unterstützen gedachte, war ein ähnlicher wie gegenwär tig; Deutschlands Interesse war indirekter als heute berührt, und doch stellte Friedrich Wilhelm IV. seine Truppen bereits in der.Rheinprovinz aus. Daß Preußen vor kurzem erklärte, innerhalb 14 Lagen schlagfertig in das Feld rücken zu können, war eine höchst erfreuliche Botschaft. Möchten die preu ßischen ^Staatsmänner zugleich Wgeben, Rußlands Friedensliebe sei nur «in Zogepungsmittel, und des Zaren Absicht, welche 1829 scheiterte und gegen wärtig als vereitelt zu betrachten ist, werde, wenn Europa sich nicht wahrt, bei jeder passenden Gelegenheit unter größerer Vorsicht wiederaufgenommen werden. Preußen hgt die Ostsee inS Auge zu fassen, wie Oesterreich die Donaumündung. Jenes sehe sich wohl vor, daß Rußland, wenn cs im Schwarzen Meere Einbuße erleidet, den Verlust nicht in der Ostsee einzu bringen sucht. Niemals wurde es den deutschen Großmächten so leicht ge macht, wie in diesem Augenblick, gemeinsame Ziele zu verfolgen, und doch wag sich Preußen, das sich im Rechtspunkt entschieden gegen das nordische Cabinet erklärte und deshalb unmöglich für dasselbe Partei ergreifen kann, jedes Zugeständniß in jener Richtung Schritt vor Schritt abnöthigen lassen. Aber die Ereignisse drängen sich. Es verstößt gegen das Glaubensbckennt- niß aller unserer Geschichtsbücher, welche die Zeit seit 1815 behandeln, daß französische Heere wieder deutschen Boden betreten. Es spricht gegen jede patriotische Voraussetzung und Erwartung, daß sie sogar befreundet kom men. Und dennoch ist es nicht unpatriotisch, dieselben, wenn sie diesmal durch unsere Gaue gegen die Weichsel ziehen, willkommen zu heißen. Min destens ist es ebenso sehr gegen das in Preußen gepflegte Bewußtsein, daß man in Berljn geneigter ist, mit London und Paris eine selbst Oesterreich vorläufig befriedigende Convention zu schließen als mit dem wiener Cabinet selbst. Oder ist diese Politik weniger gegen die Tradition der preußischen Geschichte? Es sei, es sei! Auch in die neuesten Beweise deutscher Em pfindlichkeit und Eifersucht wollen wir uns finden, wenn endlich das rechte Ziel erreicht wird und wir das merkwürdige Schauspiel erleben, die Einig keit zwischen Preußen und Oesterreich durch England und Frankreich ver mittelt zu sehen. Noch ist zu vermitteln. Wenn die Franzosen freilich erst mit den Oesterreichern an der Weichsel sichen und auf Warschau vorrücken, und wenn die englisch-französische Ostseeflotte wiederkchrt und ihre Truppen in Mau und Riga landet, um den öbern Niemen zu erreichen, dessen Mündung ihnen von Preußen verwehrt wird: wenn das Alles geschieht, bevor man sich in Berlin Bialystocks von 1807, der 1813 gepflogenen Ver handlungen wegen Polen, der 1829 ««gebotenen Nheingrenze und Däne marks erinnert, so ist es möglich, daß Preußens Großmacht, welche nur auf Energiebeweisen und nicht auf geographischer Ausdehnung beruht, aller dings sehr in den Hintergrund gedrängt wird. Was weiter folgen wird, ist dunkel. Meutschland. X Aus Süddeutschland, 12. Febr. Die Nachrichten über die Marsch richtung des französischen Hülfsheers für Oesterreich lauten sehr verschieden. Allerdings führt der nächste, also natürlichste Weg aus Frank- reich nach Oesterreich durch Süddeutschland im Donauthale, und dieser Weg ist es denn auch, welchen die Franzosen stets einschlugen. Durch die neuesten bekannten Bundestagsbeschlüsse ist jedoch diese Straße den Fran zosen verschlossen. Dem Vernehmen nach soll die französische Armee nun durch Oberitalien nach Oesterreich ziehen. Indessen ist dies mit großen Schwierigkeiten verbunden. An sich ist nämlich dieser Weg ein bedeutender Umweg; im Winter wird er noch länger, weil die Straßen über die Alpen jetzt ganz ungangbar sind. Die Franzosen können in dieser Jahreszeit nur an der Ligurischen Küste Italiens Boden betreten; sic müssen Piemont der Länge nach durchziehen, ehe sie nur die Lombardei erreichen. Zwar er warten sie, wenn sic das österreichische Italien durchzogen haben, die Ei senbahnen; aber es ist bekannt, daß der Transport eines Heers von 100,000 Mann nebst Zubehör auch auf den Eisenbahnen einen großen Zeitaufwand erfodert. Deshalb wäre ein Marsch der Franzosen nach Wien durch die Schweiz, Tirol und das Salzburgische die zweckmäßigste Maß regel. Durch die nördliche Schweiz und das Innthal würden sie Oester reich ohne einen bedeutenden Umweg erreichen, und da die Schweiz an der Mitte Frankreichs liegt, könnten sich die süd- und nordfranzöfischen Corps dort leicht conccntriren. Die Neutralität der Schweiz und der Mangel an Lebensmitteln in den zu durchziehenden Gebirgsgegenden sind allerdings Hindernisse dieses Marsches, allein keineswegs unüberwindliche. — Der Bestand dss deutschen Bundesheeres beträgt nach den von der Militärcommission der Bundesversammlung vorgelegten Standcstabellen für 1853: 525,037 Mann, nämlich 1-, 2. und 3. Armeecorps (Oester reich) 153,295 M.; 4., 5. und 6. Armeecorps (Preußen) 170,509 M.; 7. Armeecorps (Baiern) 50,236 M.; 8. Armeecorps (Württemberg, Ba den, Hessen-Darmstadt) 47,557 M.; 9. Armeecorps (Sachsen, Kurhessen, Nassau, Luxemburg, Limburg) 35,336 M.; 10. Armeecorps (Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Hansestädte, Mecklenburg) 49,918 M.; Reserve infanteriedivision 18,186 M- Darunter sind: höhere Stäbe 3371 M.; Fußvolk 404,502 M., davon 28,621 M. Jäger und Schützen; Reiter 71,149 M- mit 42,032 Dienstpferden; Geschützwesen 40,270 M. mit 7424 Dienstpfcrdrn; technische Truppen 5745 M. Dazu kommen noch 1470 Aerzte und 16,838 M. vom Fuhrwesen. Der Belagcrungspark zählt 250 Geschütze, hierunter 122 Kanonen, 31 Haubitzen und 97 Mörser. Der taktischen Eintheilung nach umfaßt das Bundesheer 387 Bataillone, 409 Schwadronen und 147 Batterien mit 1122 Geschützen. Preußen, t Berlin, 14. Febr. An dem Zustandekommen des Son derbündnisses Preußens mit Frankreich und England wird in den hiesigen diplomatischen Kreisen nicht mehr gezweifelt, da die in Bezug auf den Abschluß dieser Uebexcinkunft gepflogenen Verhandlungen den günstigsten Erfolg in Aussicht stellen und bereits weit gediehen sein sollen. Die in diesen Tagen hier verbreitete Angabe, daß der Abschluß schon erfolgt sei, hat sich jedoch als voreilig herausgestellt. In Betreff einer baldigen Wie- dcrbetheiligung Preußens an den Wiener Confcrenzen soll auch eine Ver ständigung stattgesundcn haben, sodaß zu erwarten stehen möchte, daß der Vertreter Preußens den nächsten dortigen Confcrenzen schon beiwohnen werde. Die Einigung, welche am Bundestage erfolgt ist, dürfte geeignet sein, auf die Entwickelung der orientalischen Streitfrage einen bedeutenden Einfluß zu äußern. Mit Freude ist deshalb die Thatsache zu begrüßen, baß eine Spaltung innerhalb des Deutschen Bundes vermieden worden ist und Deutschland in seiner vollen und ungeschwächten Macht dasteht, ge wärtig, sein entscheidendes Gewicht, wenn die Zeit gekommen ist, mit in die Wagschale zu werfen. — Was die beabsichtigte Sendung des Cabinets- raths v. Niebuhr nach Paris anlangt, so soll die günstige Wendung, welche infolge der Geneigtheit Frankreichs für den Abschluß eines Sonder- bündnisses mit Preußen in der jüngsten Zeit eingetretcn ist, einen verän derten Beschluß hcrbcigeführt haben. Wie bereits in den Blättern hervor gehoben worden ist, wird Hr. v. Niebuhr nun nicht nach Paris reisen, son dern aus dem Haag hierher zurückkehren. — Unter den Abgeordneten ist vielfach verbreitet, daß hinnen kurzem den Kammern ein neues Wahl gesetz werde vorgelegt werden, wonach auf dem Lande künftig die Kreis stände die Abgeordneten für die II. Kammer zu wählen hätten. Wie wir hören, soll es nicht in der Absicht liegen, noch in dieser Kammerperiode ein neues Wahlgesetz vorzulegen. Die im nächsten Jahre stattfindende allge meine Neuwahl der Abgeordneten der II. Kammer dürfte sonach gemäß den Bestimmungen der bisher zur Ausübung gekommenen und noch in Gültig keit stehenden Wahlverordnung erfolgen. kl Berlin, 14. Febr. In der großen Frage sieht es sehr bedenklich aus. Die Chancen eines Abkommens mit dem Westen sollen sich bedeutend vermindert haben. Wenn nicht ein plötzlicher Umschwung «intritt, muß man einer diplomatischen Spannung entgegensehen, einer jener Krisen, die schon seit geraumer Zeit prognosiicirt wurden. — Aus Berlin vom 12. Febr. wird der Kölnischen Zeitung geschrieben: „Dem preußischen Durchfuhrhandel und der preußischen Rhederei steht «kein geringer Verlust durch die Prohibition der russischen Rohprodukte be vor, welche durch die Proklamation in der London Gazette angekündigt .wird. Die Ostsecflotte soll im Frühjahr ein sehr bedeutendes französisches Landungscorps gegen die russischen Küsten führen, und gleichzeitig soll die russische Ein- und Ausfuhr, soweit dies möglich ist, inhibirt werden. Frag lich sind dabei folgende Punkte: 1) Wird sich die amerikanische Regierung die Durchsuchung ihrer Schiffe nordöstlich von Dünkirchen gefallen lassen?