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178 nigstcns wird empört sein zu erfahren, wie seine Regenten mit den Aeng- sten und dem Kummer des Volks ihr Spiel treiben." Das Resultat der jüngsten Finanzoperation in Frankreich wird hier von allen Parteien angcstaunt. Auch die Times nennt eS heule eins der merkwürdigsten politischen Ereignisse unserer Zeit, knüpft jedoch daran folgende Betrachtungen. „Zweierlei Gefahren", sagt sic, „entspringen leicht aus der Benutzung solcher finanziellen Hülfsquellen, Gefahren für die Zu kunft, Gefahren für die Negierung durch die außerordentliche Leichtigkeit, diese Hülfsquellen zu benutzen. Die Vorthcile einer jeden Anleihe sind ein dirccics Opfer, welches die Gegenwart der Zukunft auferlcgt. Werden An leihen mit Kapitalisten abgeschlossen, dann liegt cs im Interesse der großen Masse, daß die Bedingungen für die Regierung möglichst günstig seien, in demselben Maße wie bei jedem andern, von der Negierung anzukaufen- dcn Artikel. Wenn dagegen die Masse des Volks das Gcld hcrborgcn soll, dann wird die Anleihe desto populärer, je ungünstiger dic Bedingungen für den Staat sind, weil dic Meisten bereit sind, dic zukünftigen Jntercsscn des Landes ihrem unmittelbaren und persönlichen Vorthcil zu opfern. Je schlech ter die Bedingungen für den Staat, desto mehr Geld kann er bekommen, desto größer aber würde dic Last für den Staat werden müssen. Der Er folg ist dadurch sichcrgcstellt, aber das zur Anwendung gebrachte Finanz- princip ist ein ungesundes. Andererseits entspringt aus der Leichtigkeit Geld zu schaffen eine Versuchung für die Regierungen, dic gefährlich ist, denn sic werden dadurch in dic Lagc gesetzt, ihre und ihrer Partei Bedürfnisse auf Kosten der permanenten Landcsintercsscn zu bestreiten. Es stellt sich ein Vcrhältniß heraus, ähnlich dem von jungen Leuten aus guten Familien zu Wucherern. Letztere liefern bereitwillig die Mittel, damit Erstere ihre luxuriö sen Bedürfnisse befriedigen können, und Alles, was sie dafür fodern, ist eine armselige Unterschrift aus einem gestempelten Wisch Papier. Die schlimmste Ausfoderung zum Schuldenmachen ist dic Leichtigkeit, Gcld zu günstigen Konditionen zu bekommen. Das gilt von Staaten wie von Individuen, von absoluten wie von constitutionellen Regierungen. Diese Betrachtungen sind um so wichtiger, als im verflossenen Jahre derartige Operationen in ungehcuerm Maßstabe nicht nur in Frankreich, sondern auch in Oesterreich mir vollkommenem Erfolge gemacht worden sind. Sic sollten wohlweislich nur für den äußersten Fall aufgespart werden." Dänemark. Kopenhagen, 23. Jan. Die Grundgcsctzabändcrung ist heute in zweiter Behandlung angenommen worden. Schwede«. Die Gothcnburgcr Zeitung enthält eine telegraphische Depesche aus Stockholm, dahin lautend, daß dic ganze schwedische Armee Ordre er halten habe, Mitte März marschfertig zu sein. Dic Svcnska-Tidning wi derspricht dieser Mittheilung jedoch, sowie der Angabe von einer Verabschiedung vieler Offiziere. Türkei. Die Militärische Zeitung schreibt aus Wien vom 22. Jan. vom Kriegsschauplatz: „In den direct aus Balaklava hier cingclangtcn Brie fen, die bis zum 6. Jan. reichen, wird gemeldet, daß dic Alliirtcn nach dem von uns bereits mitgctheilten neuen Kricgsplanc die Belagerung gegen Sewastopol nicht früher ernstlich zu eröffnen gedenken, bis sic gegen die Feldarmee des Fürsten Mcntschikow unter Mitwirkung der türkischen Streit kräfte des Omer-Pascha einen Schlag ausgcführt haben werden. Dic Ope rationen dürften demnach erst beginnen, wenn der Sirdar mit seinem Corps aus Eupatoria ins Feld wird rücken können. Dasselbe besieht aus 60 Bataillonen Infanterie und vier Regimentern Cavalcrie mit 120 Feldge schützen. Am 6. Jan. war wie früher dic hühcrgelegcnc Alprngcgend auch das nicdcrc Plateau mit Schnee bedeckt. Die Schiffahrt zur See war übrigens von dem günstigsten Wetter begleitet. Dic Genicoffizicrc dcr Belagerer warfen aus zwei Nebenrcdontcn (dic neuen Hauptwerke sind noch nicht demaskirt) von Zcit zu Zeit Bomben und Vollkugcln in dic Stadt; dic Wirkung befriedigte zwar das versammelte Geniecorps, dic Russen aber erwiderten das Feuer aus Geschützen desselben Kalibers, und man kann an- nehmcn, daß dcr Erfolg, welchen sich die Alliirtcn von dem neuen Bom bardement versprechen, ein zweifelhafter ist. Der Prinz Napoleon war am 8. Jan. von Konstantinopel nach Frankreich noch nicht abgereist; er er wartet noch den Bescheid auf das erneuerte Gesuch an den Kaiser wegen seiner Rückkehr in die Krim. Aus Varna erfahren wir, daß sich Omer- Pascha am 16. Jan. nach Eupatoria definitiv einzuschiffen gedachte. — Aus Kon stantin opel dalircn unsere letzten Nachrichten vom 12.Jan. Riza-Pascha, der Kricgsminister, Hal den Vorstellungen Omcr's insofern Rechnung zu tragen gesucht, daß er auch von Stambul einige Tausend türkischer Truppen nach der Krim befördern werde. Diese, die Truppen Omer-Pascha's und die in dcr Krim seit September befindliche Division unter Osman-Pascha, welche von der ursprünglichen Zahl von 11,000 Mann auf 7000 hcrab- geschmolzcn ist, dürften dann das gcsammte türkische Conlingent auf 40,000 Mann feststcllen. Wie viel von dieser Zahl zu den Operationen feldtüchtig bleiben, ist allerdings eine zweite Frage, wenn man weiß, daß zu Anfang dieses Monats die 40,000 Mann starke englische Armee 15,000 Kranke ober Dienstunfähige überhaupt zählte. — Dic Nachrichten von der türkisch- asiatischen Armee aus Kars und Erzcrum reichen bis zum 1. Jan. Sic entwerfen ein klägliches Bild von dem Zustande des dortigen Corps. Dcr cinheitlichcn Oberleitung ermangelnd, dem die nacheinander ernannten Bc- schlehaber Tarif Mustapha und Wassif-Pascha sich zu unterziehen keine be sondere Lust zeigen, gebricht cs diesen Truppen an Allem, und cs ist cin Glück, daß die russische Armee sich in ihren Wimercantonnirnngen um Eli- ! wan und Alexandropvl bisher ruhig verhalten hat. Man schreibt uns, das» keiner der russischen General« dic Verantwortlichkeit eines offensiven Bo» gchens auf sich nehmen wollte, und man die Ankunft deS Generalgouverneur«? Murawicw abwartete, welcher man täglich cntgcgensah. Aus Odessa haben wir Briefe vom 15. Jan.: Die Großfürsten Michael und Nikolaus waren am 0. Jan. zu Nikolajew angrkommen und setzten ihre Ncise nach Sewastopol fort, ohne Odessa zu berühren. Unweit Ismail haben die Russen zwei Brücken über dic Donau geschlagen und die Division Utschakow soll sich mit ihrer Avanlgarte am jenseitigen Ufer be finden. (Wird wahrscheinlich dcr bereits gemeldete Uebergang vom 8. Jan. gemeint sein. D. Red.) Dcr Commandircnde des 5. Armeecorps, General der Infanterie Lüders, war schwer erkrankt nnd wird täglich in Odessa er wartet. Generallieutenant Nepokoitschisky, dcr Chef des Stabes, übernahm interimistisch das Kommando jenes Corps. Di- fällige krimsche Post brachte keine besondere! Nachrichten aus Sewastopol. Dcr Höchstcommandirende, Baron Osten-Sacken, befindet sich in der Stadt, wo cr alle Vertheidigungs- arbcitcn leitet. Bei einer vorgcnommenen Necognoscirung ritt er bis auf 1000 Schritte an dic feindlichen Batterien und trotz dcr drohenden Gefahr um dic ganze Angriffslinie herum. In dcr vorigen Woche war bei Se wastopol tiefer Schnee gefallen, welcher alle Arbeiten dcr Angreifer hinderte und auf eine Arschinc hoch die Gebirge bedeckte; später trat Thauweller cin. Dic Gewässer der Tschcrna-Rjetschka traten aus den Ufern und rich teten im Thal eine große Verwüstung an; namentlich hatten dadurch die Laufgräben der Belagerer gelitten." — Der wiener «Presse» wird aus Konstantinopel vom 11. Jan. ge schrieben: „Dic Nachricht von einem Gefecht in der Umgegend von Ba laklava (Nr. 21) hat sich bestätigt, doch find mir noch nicht die nähern Details zugcgangen, welche ich Ihnen mit der heutigen Post mittheilen zu können hoffte. Wie gewöhnlich war dieser Erfolg unserer Waffen in Kon stantinopel sehr übertrieben worden, und zwei Tage hindurch sprach man von einer großen Schlacht, welche unsere Truppen gegen die Russen ge wonnen haben sollten. — Das Corps von Omer-Pascha trifft nach und nach in Eupatoria ein; ungefähr 12,000 Mann sind schon in dieser Stadt vereinigt, die von Ingenieuren befestigt und in Stand gesetzt wor den ist, jedem Angriff zu widerstehen. Der türkische Generalissimus hat das Lager vor Sewastopol am 6. Jan. verlassen, und man versichert, daß er auf der Rückkehr nach Varna begriffen ist. Man hatte die Absicht, sich der Landenge von Perekop zu bemächtigen, um den russischen Verstärkun gen den Weg zu verlegen; indessen hat sich Omer-Pascha, der die betref fenden Operationen leiten sollte, dem Vernehmen nach geweigert, diesen Plan auszuführcn, obgleich er von drei englisch-französischen Divisionen un terstützt werden sollte, indem er dagegen cinwendcte, daß cr sich der Gefahr ausschcn würde, zwischen zwei Feuer genommen zu werden. Man weiß noch nicht, welches die Folgen dieser Weigerung sein werden." — In den ersten Tagen dieses Jahres wurden in Eupatoria zwei Kauf leute aus Sewastopol, die in tatarischer Kleidung, und zwei russische Offi ziere, die als Priester verkleidet spionirtcn, gefangen und, dcr Kundschaf te rei überwiesen, in den Schanzen vor dcr Stadt erschossen. Die Stim mung dcr tatarischen Bevölkerung in dcr Krim wird fortwährend als eine durchweg russenfeindlichc bezeichnet. Kein einziger waffenfähiger Mann machte von dcr Amnestie Gebrauch, welche Fürst Mentschikow im Namen des Kaisers anbot. Nur etwa 100 Personen, Weiber, Kinder und alte Männer, dic sich nach dem heimatlichen Herde sehnten, haben die Gnade des Fürsten angenommen und Eupatoria verlassen. (Köln. Z.) — Der pariser Moniteur vom 23. Jan. berichtet: „Die Einschiffung! der türkischen Truppen nach der Krim ist mit solcher Beschleunigung, betrieben worden, daß dic letzten Landungen bereits am 14. Jan. abge gangen sind." — Das Journal de Constantinoplc veröffentlicht die authentische Version der vom österreichischen Jnternuntius, Hrn. v. Bruck, gehaltenen Rede. (Nr. 18.> Derselbe sagte, Oesterreich concentrire seine Armee, um die Operationen dcr Alliirtcn wirksam zu unterstützen; wenn unglücklicherweise dic letzten zur Wiederherstellung des Friedens geschehenen Schritte erfolglos bleiben sollten, so werde dcr russische Stolz gedcmüthigt werden, möge der Friede heute oder nach Fortsetzung des Kriegs cintreten. Dies ist wortgetreu. Hr. v. Bruck schloß seine Rede mit dem dcr Türkei gegebenen Rathschlage, die Stammesvorurtheile auszurotten, um eine den Bedürfnissen der modernen Civilisation entsprechende Lösung hcrbeizuführen. Donaufürstenthüme*. ** Kragujewacz, 18. Jan. Die am 26. Dec. stattgehahte Ernennung des Generalcapitäns Knitschanin zum Minister dcö Innern und Conseil- präses hatte sich mit Hinblick auf dessen Hinneigung zu einer österreichi schen Allianz nur der Bcistimmung einer sehr kleinen, zumeist aus nicht eingeborenen Geschäftsleuten bestehenden Partei zu erfreuen; Panslawisten und Serbotürkcn war sic gleich misliebig, weil Beide in einem österreichi schen Bündniß den Anfang des Endes der serbischen Unabhängigkeit und VolkSthümlichkeit erblicken. Der erste officicllc Act des neuen Conseilchefs zeigte sogleich, daß cs ihm mit Neagirung der Sympathien für Rußland Ernst sei, denn ein vom Justizniinistcr Jankovich mitunterzcichnetcr Erlaß an die montenegrinische Emigration beschuldigte diese, durch Absingung von Kriegsliedern rc. Ursache der am St.-Nikolaustage stattgehabtcn Demonstra tionen gewesen zu sein. Serbien habe die czernagorischen Brüder mit Wohl- wollen ausgenommen, es erwarte von diesen aber auch, daß sie die ihnen zugcstandene Gastfreundschaft nicht durch Aufreizung politischer Leidenschaf ten mißbrauchten; würde dies in der Folgezeit dennoch geschehen, so fände