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licherweise in der Schlegelschen „Sommernachtstraum'-Übersetzung, obwohl Shakespeares Regieanweisung nur „a dance“ und im Text dann ausdrücklich den „Bergomasker" verlangt. Es handelt sich bei der Bergamasca um einen alten Bauerntanz, dessen Rhythmus durch Notierung im auftaktlosen Vier viertel und durch achttaktigen Aufbau gekennzeichnet, eine aufbegehrende Protestbaltung verrat. Mendelssohn verzichtete darauf, den alten Tanz folk- loristisch nachzuahmen. Statt dessen arbeitete er in seiner eigenen musikali schen Sprache den trotzigen Zug dieser Bauern heraus, die alles andere als Rüpel waren. Obwohl der Tanz bereits in der Ouvertüre vorgebildet ist, zeigt seine Aus arbeitung als Nr. 11 in Opus 61 eine bemerkenswerte Verdeutlichung gerade in dieser Richtung. So genial die Ouvertüre in ihrem frühen Jugendreiz ein vollkommenes Gänze darstellt, so haben doch die Erfahrungen und Erlebnisse von nahezu zwei Jahrzehnten bei der Niederschrift des Tanzes, der Jetzt Allegro molto überschrieben ist, zu seiner größeren Bestimmtheit beigetragen. Das Volksleben in Ländern wie Italien, Schottland und England, das Men delssohn kennenlernte, hat gerade diesem Tanz seine realistische Akzen tuierung gegeben. Aus diesem Grund darf man auf Verständnis dafür hoffen, daß die Einrich tung der konzertanten Textfassung - die natürlich kein Wort von Shake speare ändert - das Melodram Nr. 10 mit dem Spiel von Pyramus undTisbe gestrichen hat. Auf den ersten Blick scheint das unverständlich oder gar un zumutbar zu sein, zumal es sich ja schauspielerisch um eine der wirkungs vollsten Szenen handelt. Doch weil das so ist, würde diese Szene mit ihren wortreichen Deklamationen und den textlichen Anspielungen sehr maßvoll eingestreuten, hier nun wirklich bloß illustrierenden musikalischen Andeu tungen, die sich, dreigeteilt, auf nicht einmal 40 Takte beschränken, das Wort völlig überwuchern lassen. Es ist natürlich auch jetzt ein Experiment. Daß die Melodien dieser Schauspielmusik, besonders der Hochzeitsmarsch, schon zu ihrer Zeit ähnlich populär waren wie der „Jungfernkranz“ in Webers „Freischütz“, spricht wahrlich nicht gegen diese Musik, sondern für eine echte Volkstümlichkeit, der auch geringschätzige Mißdeutungen nichts anzuhaben vermögen. Die konzertante Aufführung stellt Probleme ariderer Art- Sie ergeben sich aus der eingangs erwähnten Proportionalität des Ganzen, aus einem anzu strebenden Verhältnis von Dichtung und Musik, das jetzt - im Unterschied zum Schauspiel - genremäßig von der Musik her bestimmt wird. Nieman dem wird also einfallen, eine Phalanx von Schauspielern aufmärschieren zu lassen, die nun etwa die Handlung „mit verteilten Rollen“ wiedergeben wür den. Hier ist vielmehr, umgekehrt, eine Konzentration auf wenige Sprecher am Platze, was zwar manche Handlungsstränge zurücktreten läßt, dafür aber die Atmosphäre erlebbar macht, in der sich Oberon und Titania, Puck und die Elfen, Hermia und Helena, Demetrius und Lysander in ihrer Verstrik- kung trennen, suchen und endlich finden. Shakespeare selbst gab den Fin- zeig für solche Konzentration, indem er im Kontext die Identität des Viel fältigen, die Einheit im Gegensätzlichen ahnen läßt. Und hier tritt die Musik Felix Mendelssohn Bartholdy voll in ihre Rechte. Johanna Rudolph