Volltext Seite (XML)
Verhältnis zum „Mächtigen Häuflein" kommt auch darin zum Ausdruck, daß er nach dem Tode Borodins zusammen mit Rimski-Korsakow die Oper „Fürst Igor“ und Borodins 3. Sinfonie beendete. Andererseits stand Glasunow verehrungsvoll Tschaikowski gegenüber, mit dem er seit 1884 in freundschaftlichem Verkehr stand. Tschaikowski nahm herzlichen Anteil an der Entwicklung des jungen Komponisten. Nach der Aufführung der 1. Sinfonie benachrichtigte Tanejew den Meister vom Erfolg Glasunows, und Tschai kowski antwortete: „Mich interessiert Glasunow sehr.“ Als er Einblick in Glasu nows Streichquartett op. 1 genommen hatte, äußerte er sich in einem Brief an Modest sehr anerkennend über das junge Talent. Im Anschluß daran kam es dann bei Balakirew 1884 zur persönlichen Bekanntschaft der beiden. Mit der Widmung der 3. Sinfonie brachte Glasunow seine Verehrung für Tschaikowski deutlich zum Ausdruck. Daß es eine gegenseitige Freundschaft war, geht aus einer Briefstelle Tschaikowskis hervor, in der er Glasunow versichert: „Sei mir nicht böse, aber ich habe Dich so lieb." Gemeinsam war beiden eine grenzenlose Verehrung für Mozart. Glasunow hat auch literarische Arbeiten veröffentlicht, namentlich über russische Komponisten, außerdem über zwei Meister, die ihm besonders am Herzen lagen: Mozart und Schubert. In Glasunows Werk sind denn auch deutlich Spuren sowohl der Musik, wie sie das „Mächtige Häuflein" propagierte, wie auch der Musik Tschaikowskis zu spüren, wobei es Glasunow gelungen ist, aus beiden Richtungen die Synthese zu finden. Diese Synthese ist mit dem mit aller Vorsicht aufzufassenden Schlag wort: „Glasunow ist der russische Brahms“ recht zutreffend gekennzeichnet. Mit Brahms verbindet ihn auch die Tatsache, daß er das Gebiet der Opernkomposition nicht berührt hat. Die Bühne betrat er allerdings mit mehreren Balletten, der vielgespielten „Raymonda" op. 79 (Petersburg 1898), „Ruses d’amour" („Liebes listen“) op. 61 (Petersburg 1900), „Jahreszeiten“ op. 67 (Petersburg 1900), mit einer Musik zu dem Ballett „Fern von Dänemark“ und einer Musik zu Oscar Wildes Drama „Salome". Glasunows Name drang bald, wie es Rimski-Korsakow feststellt, über die Grenzen seiner Heimat hinaus. 1884 wurde seine 1. Sinfonie durch Franz Liszt in Weimar aufgeführt. 1881 dirigierte er eigene Werke in Konzerten mit russischer Musik auf der Pariser Weltausstellung. In diese Zeit (1904) fällt auch das Werk, das den Namen seines Schöpfers geradezu populär gemacht hat: das a - Mo 11 - V i o I i n k o n z e r t, das durch volkstümliche Haltung der Melodik, durch die frische Rhythmik und durch die Bravour seines Soloparts besticht. Es besteht eigentlich aus drei Sätzen, die aber ineinanderübergehen. Sehr kurz ist, wenn man im Konzertschema denkt, der 1. Satz (Moderato), der nach einer Einleitung in der Haupttonart a-Moll von einem Thema beherrscht wird, das in großem melodischem Atem dem Soloinstrument Gelegenheit gibt, sich auszusingen. Doch sind auch wirkungsvolle virtuose Passa gen eingestreut. Das alsbald folgende Andante sostenuto, in das die Solovioline überleitet, besticht durch die Wärme der Harmonik und das der Haupttonart nach ungewohnte Des-Dur-Timbre. Auch hier wechseln breite melodische Linien mit leichter gewogenen Passagen ab. Schließlich kehrt das Hauptthema des Moderatos wieder, so daß man dieses Andante nur als einen Einschub betrachten kann. Darauf weist auch die ausgedehnte und technisch sehr anspruchsvolle Kadenz hin, wie sie am Schluß eines ersten Satzes zu stehen pflegt, die nun unmittelbar überleitet in den dritten Satz (wenn man das Andante nur als einen Einschub betrachtet, in den zweiten Satz), ein brillantes Rondo mit dem tänze risch bewegten, von der Solovioline gebrachten Hauptthema, das abgelöst wird von einem graziös sich aufschwingenden E-Dur-Thema. Es erscheint dann wieder im Tutti, um alsbald einem zweiten Seitenthema, das mit seiner leeren Quint begleitung deutlich auf seinen Volkstanzcharakter hinweist, Platz zu machen. Der Schluß wird bestimmt durch das virtuose Element, das zugleich den fröhlich volkstümlichen Charakter des Werkes unterstreicht, zumal sich auch harmonisch ein bunt-glänzendes Bild ergibt. 1899 war Glasunow als Professor für Instrumentation und Komposition an das Petersburger Konservatorium berufen worden. In den schweren Tagen der Revo lution von 1905 stellte er sich entschieden auf die Seite Rimski-Korsakows und der streikenden Studenten. Er sowohl wie Ljadow erklärten sich mit Rimski-Korsa kow solidarisch und suchten um ihre Entlassung nach, im Gegensatz zu anderen Kollegen, die, „nachdem sie ein wenig ihre Zungen in Bewegung gesetzt und gelärmt hatten", in ihren Stellungen blieben. Glasunow wurde während der Wirren von der überwiegenden Mehrheit der Professoren zum Direktor des Kon servatoriums gewählt und dann, nachdem dem Konservatorium ein autonomer Charakter zugestanden worden war, einstimmig vom Professoren rat bestätigt. In der überaus schwierigen Lage (Rimski-Korsakow schildert sie in seiner „Chro nik“) bewährte sich Glasunow als gerecht denkender, ausgleichender Pädagoge, der die übernommene Aufgabe bis zum Jahre 1928 in Treue durchführte. Auf seine Anregung hin wurden ein Studentenorchester und ein Opernstudio gegründet. Glasunows Einfluß auf das russische Musikleben verstärkte sich noch, als er 1905 auch Mitglied der Direktion der Kaiserlich-Russischen Musikgesellschaft und des Kuratoriums des Verlages Beljajew wurde. In den stürmischen Jahren der Interventionskriege übte er — es wurde schon ge sagt — als Direktor des Leningrader Konservatoriums eine fruchtbare Tätigkeit aus. In Anerkennung dessen wurde er als einer der ersten 1922, am 40. Jahrestag der Aufführung seiner 1. Sinfonie, von der Sowjetregierung mit dem Titel eines „Volkskünstlers der Republik" ausgezeichnet. Ihm war das erste Heft der Zeit schrift „Sowjetskaja Musyka“ gewidmet. Seine pädagogische und gesellschaftliche Tätigkeit in dieser Zeit ließ ihn kaum zum Schaffen kommen. Trotz eines schweren Leidens, das er sich damals zuge zogen hatte, unternahm er ausgedehnte Konzertreisen, die ihn nach Frankreich, England und Deutschland, nach Warschau, Prag, Amsterdam, Lissabon, London und nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika führten. 1928 war er Mitglied der Internationalen Jury bei der Schubert-Feier in Wien. In Paris, wo er Heilung von seiner Zuckerkrankheit suchte, starb er am 21. März 1936. In der Sowjetunion erfreut sich Glasunow, der zu Lebzeiten Ehrungen über Ehrungen erfahren hatte (17mal erhielt er den Glinka-Preis, er war Mitglied der Akademien der Künste von Berlin, Paris, Budapest u. a., Ehrenmitglied vieler Konservatorien und Hochschulen, Offizier der Ehrenlegion, Ehrendoktor der Uni versitäten Oxford und Cambridge), größter Beliebtheit. Ein Quartett, der Konzert saal im Leningrader Konservatorium und eine der Musikschulen in Moskau tragen seinen Namen. In Leningrad wurde ein Glasunow-Archiv eingerichtet, das die meisten seiner Manuskripte birgt. (Das Manuskript seines Violinkonzertes ist stolzes Besitztum des Konservatoriums Genf.) Die Entstehung von Antonin Dvoraks Violinkonzert a-Moll o p. 5 3 fiel in die Zeit der ersten Erfolge des später gefeierten tschechischen Nationalkomponisten im Ausland; es wurde im Sommer des Jahres 1879 ge schrieben. Der Komponist, der selbst ein guter Geiger war und die Violine beson ders liebte, widmete das Werk dem Großmeister des Instrumentes Joseph Joachim, der im gleichen Jahre zwei Werke Dvoraks in seinen Berliner Kammer konzerten zur Aufführung gebracht hatte. Die Partitur des Violinkonzertes wurde auf den Wunsch Dvoraks hin von Joachim durchgesehen, der ihm bei der end gültigen Fassung des Violinparts behilflich war (in welchem Maße dabei die ursprüngliche Form verändert wurde, ist nicht mehr genau festzustellen), und vom Komponisten noch zweimal (1880 und 1882) überarbeitet Das Werk wurde am