Volltext Seite (XML)
'Vie kanzserrede im Haupiausschuß deS Reichstag» hat zwar nicht all« auf sie gehetzten Erwartungen befriedigt, ist aber doch vorwie« aend ats ein bemerkenswerter Schritt vorwärts auf dem Wege zur Klärung und damit zum Frieden aufgefaßt worden. Mit wenigen Worten tat der Kanzler Brest« Lnowek ab im Hinblick aus die folgende Kühlmann-Rede. Er begnügte sich mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß dort trotz der vorhandenen Schwierigkeiten ein praktische» Er gebnis erzielt werden würde. Da die Entente der Einla dung nach Brest-LitowSk nicht folgte, so haben wir ihr ge genüber Freiheit zu Sonderverhandiungen. Lloyd George, so fuhr der Kanzler fort, schimpft nicht mehr; aber er will unS als die Schuldigen an dem Kriege behandeln. An der Hand der geschichtlichen Tatsachen erbrachte der Kanzler den wirkungsvollen Beweis dafür, daß die heutigen Entente- Mächie schon zu BiSmarckS Zeiten mit ihren feindseligen Schachzügen gegen rms begannen, so daß bereit» Ler Alt» Reichstanzter von einem Albdruck der feindlichen Koali tionen gegen uns sprach. Unsere Verträge und Bündnisse aalten stets nur der Verteidigung, ebenso unsere Rüstungen, die durch da» Verhalten der heutigen Gegner erzwungen wurden. WilfonS 14 Punkte. Die Desannexion der uns geraubten reindeutschen Gebiet« Elsass-Lothringen« im Jahre 1871 sand die Zustimmung der französischen Nationalvertretung und die Billigung der namhaftesten Vertreter der öffentlichen Meinung Englands. Herr Wilson, der seine früheren Versuche, Zwietracht zwischen dem deutschen Volke und der Negierung zu säen und da- HauS Hohenzvllern anzugreifen, eingestellt hat, machte mit den vier ersten seiner 14 Bedingungen Vorschläge, über die eine Verständigung leicht möglich sei, eS seien die»: Öffent lichkeit der Verträge und diplematischen Verhandlungen, Freiheit der Meere, Beseitigung aller wirtschaftlichen Schran ken und die allgemein« RüstungSeinschränkung nach dem Kriege. Schwieriger sei die Kolonialsrage, wo England, La» größte Kolonialreich, zuerst die von Wilson empfohlene Abstimmung der Eingeborenen über ihr Schicksal vornehmen könnte. In unsere Angelegenheiten mit Rußland baden di« Westmächte setzt nicht mehr hineinzureden. Belgien und Nordfrankreich behandeln wir al» Faustpfand und lehnen unsere Mitteilungen über deren Schicksal so lange ab, als wir von den Westmächten nicht dl« bündigste Garantie haben, daß die Integrität de» deutschen Reichsgebiete» un angetastet bleibt. Ein« gewaltsame Annexi n der besetzte« Gebiete hat nie im deutschen Programm gestände». Ernster Friedenswille? Die italienischen Grenzforderungen und bi« türkische« Fragen gehen zunächst unsere belren Verbündeten Österreich- Ungarn und di« Türkei an, die jedoch voll auf un» zählen können. Polen ist eine von Deutschland und Österreich- Ungarn zu lösende Lngrlegenhev Emem Völkeroerbande, Ler künftige Kriege ausschließt und da« harmonisch« Zu sammenarbeiten der Völker fördert, stehen wir sympathisch gegenüber. Wtlso» allgemeine Grundsätze können AuSgangS- und Zielpunkte für den Frieden bilden; sobald der Profident bestimmte Fragen erörtert, ist der Friedenswille weniger bemerkbar. So wie Wilson spricht immer noch der Sieger zu dem Besiegten. Unsere genialen Heerführer aber sehen gleich unserem gesamten Heer« mit unverminderter Zuver sicht in die Zukunft. Auch die Gegner werden endlich be greifen müssen, wer Lie Sieger und wer die Besiegten in diesem Kriege sind. Sie werden daher gut tun, ihrs Be dingungen bald zu revidieren, La unser« wiederholt aus- gelprochene FriedenSbereitschajt für sie kein Grund ist, den Krieg in» Unaemessene zu verlängern. Neue Frieden-«»r> schlüge, die sie Integrität und di« LebenSintrreff«« de» Reiche» wahren, werden wir j«d«rzeit «ruktlich prüf«». Hetzt haben die S.gner das Wort. . Kühlmann über Brest-Litowsk. Erregte Prefieartikel, s» legt« Ler Staatssekretär de» Auswärtigen ». Kühlmann im HauptauSschuß de» Reichs- tag» dar. haben «S so dargestellt, al» sb wir ohne freie RÄtlinien nach Brest-Litowsk gekommen wären. Diese pttk Teil geistreiche» Artikel tvarkN aber unzutreffend. ES war nicht möglich, an der Politik, die von seinen Vorgän gern einaeleitrt sei, vorüberzugehen. Einzelne Faktoren, stände« fest. Man überschätze leicht die Initiativen des auSsührent^n Siaatsmannes und Unteihändlers und unter schätze die feststehenden Tatsachen. Rußland stand allein auf dem Standpunkt, einen Sonderfrieden nur schließen zu können, wenn e» au» dem Verhalten der Ententemächte heraus Anlaß hatte, sich von dem Londoner Traktat loSzu- sagen. In der Kritik der Presse habe man gesagt, warum man Rußland überhaupt gestattet habe, Vorschläge zu machen. DaS ergab sich aber als Selbstverständlichkeit auS den Verhältnissen. Der Redner schildert hierauf im ein zelnen di« bekannten Vorgänge. Di« Röumüngsfrage und die Frage der westlichen Randgebiet« wurde bet den Verhandlungen in Brest-Litowsk in den Vordergrund gestellt. Die Formulierung vom 87. Dezember stand im Einklang mit der Formulierung vom 2ö. Dezember, ein Adweichen von der ursprünglichen Politik lag nicht vor. Es sind zwei zusammenschließeuds Stücke eines einzigen Ringes. In der zweiten Phase der Verhandlungen nach Ankunft Trotzkis war eine totale Schwenkung in der Haltung Ler russischen Delegation zu verzeichnen. Nicht einmal eine private Aussprache war möglich. Die Gegner suchten taktische, agitatorisch zu ver wendende Vorteile zu gewinnen. Jetzt ruhen die Verhand lungen ganz. Trotzkis Anwesenheit in Petersburg war not wendig. Anfang nächster Woche werben sie voraussichtlich wieder ausgenommen. Die Grundfeste deS zaristische» Rußlands war bereits vor dem Krieg« erschüttert. Die letzten Gründe diese» Krieges liegen in dec sehr unsicheren Position der russischen Machthaber. Die äußere Gteichsörmigkeit des russischen Reiches täuschte nur den inneren Zusammenhalt vor. Jetzt begann eS sich in Einzelrepubliken aufzulösen in folge nationalistischen Sprengstoffes. Es kamen die revolutionär-sozialen Strömungen hinzu, die die einzelnen Gebiete vollends zersprengten. Man sieht nichts Festes. Der ganze Körper ist in Gärung und Zersetzung. Neben den Bolschewikt traten Vertreter der ukrainischen Rada bei den Verhandlungen auf. Letztere hatten viel Sinn für praktische Arbeit. Zwischen uns und der U raine gibt eS keine die Einigung gefährdende Differenzpunkte. Auch mit Finnland besteht Hoffnung, zum Frieden zu kommen. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist keine so neu« Erfindung, wie man meint. ES gibt eine ganze Reihe von Beispielen, z. B. Nord-SchleSwig. Über die Ausführung gibt es allerdings nicht einmal ein k wohn- heiisrecht. Sie muß neu geschaffen werden. Dian kann nicht erst olle» wegradieren, sondern muß an bas Vor handene anknüpsen und e» ausbauen, um durch langsames Wachstum drS historisch Ergebenen zum wahren Ausdruck der Volksmeinung zu kommen. Im Anfang sind nur ein zelne hochstehende Führer entscheidend, die große Masse folgt dann später nach. Die LandeSvertretungrn sind tat sächlich legitimiert, präsum'iv eine Entscheidung zu treffen. Eine konstituierende Versammlung auf breiter Bass» ist einem Referendum vorzuziehen. An diesen Fragen werden jedoch die Verhandlungen nicht scheiiern. Die Öffentlichkeit der Verhandlungen ist ein wesentlich rrjchwerendeS ment, dach haben wir nicht widersprochen, weil unsere Politik offen und eh lich ist und da- Tageslicht veiträgt. Die Haltung der Presse war gleichfalls ein erschwerendes Moment. Ich mutz Liesen Punkt berühren. Ich hoffe, die Presse wird sich ihrer Ver antwortung bewußt sein und nicht die Interessen deS Reicher gefährden, indem sie un» in den Rücken fällt. Wir brauchen ein« geschlossene Front gegenüber dem Ausland. Ei« Separatfrieden inmitten eines gewaltigen Ko«- litionSkrtege» bietet Schwierigkeiten, wie man sie früher nicht kannte. Im Westen tvbt der Krieg, während wir im Osten »erhandeln. Deshalb verknüpfen sich militärische unL »olitische Fragen und die Oberste Heeresleitung muß an Len Verhandlungen beteiligt sowie Lurch einen Vertrauen»- »anu vertreten sein. General Hoffmann hat die Verhand- lungui durch seine Kenntnis »an Land und Leuten U"d stin« sonstigen Eigenschaften in Brest-LitowSk in aurgezeich- v»1«r Weise gefördert. Gein Eingreifen erfolgte nur im Einvernehmen m t der politischen Leitung. Unser Handels verkehr mit Finnland, mit dem wtr tn guten Beziehungen Aus aller Welt. Gefaugeuen - Sendungen nach de» Ausland«, dürfen jetzt Zeitungen deigelegt werden. Dagegen ist die Beifügung von W tzblätlern nicht ratsam. Gegen Erhöhung der A- ztsrechnung wegen ver zögerter Zahlung. Der preußische ärztliche LhrenzerichtS- hof hat jetzt in einer Entscheidung die Frage, ob ein Arzt eine Erhöhung seiner Rechnung für den Fall Vorbehalten kann, daß die Zahlung nicht innerhalb einer bestimmten Zeit erfolgt, verneint. Der Arzt, der auf seiner Rechnung vermerkt, die Erhöhung deS Honorar» werde für den Fall Vorbehalten, daß die Zahlung nicht binnen 14 Tagen er folge, macht sich «hrenrechtltch strafbar, denn er verletzt die Würde und da» Ansehen deS Stande». Die ärmliche Leistung verschieden hoch in Geld bewerten zu wollen, je nachdem, ob vor oder nach 14 Tagen gezahlt wird, ist mit der ärztlichen Standersitte unvereinbar, und d«r Achtung, di« der ärztlich« Beruf erfordert, unwürdig. Hochwasser i« polniichen Weichselgekiet. I«- fokge de» anhaltenden Tauwetter» ist im polnischen Weichsel« lauf erhebliche» Hochwasser elngetreten, da» auch Thorn in Kürze erreichen wird. Bei Ehwalowice ist die Weichsel von 2,4S Meter auf K,60, bet Warschau von L,1S auf 4,10 ge stiegen. In größter Gesadr schweben die im Dezember bei Wloclawek eingefrorenen SO Holztraften, die 7S00V Fest» Meter Rokbol« im Werte von 4 Mill. Mark enid'-Iten und stehen, ist wichtig. An dem Ernst unseres FrievenSwMknS soll Niemand zweifeln. Auf das rumänische Problem will ich nicht eingehen, aber nach dem Frieden mit der Ukraine wird auch Rumänien zum Frieden genötigt sein. Unser Verhältnis zu Osterreich-Ungarn ist der Eckpfeiler unserer Politik. Wir stehen mit dem Grafen Czernin im Einverständnis. Österreich war stets loyal und wird es auch bleiben. Ich werde niemals die Hand zu einer Politik bieten, die das Verhältnis zu unseren Ver bündeten lockern könnte. Das Ausland muß den Eindruck gewinnen, daß die Mehrheit deS Reichstags hinter der Re gierung steht. Die gestrigen Verhandlungen haben diesen Eindruck verstärkt. Der französische Rentier im Schraubstock. Dem französischen Rentierstande geht e» bitterbüs, und LaS hat für Frankreich etwa» Besonderes zu bedeuten, denn kein Land hat so"v!rle Rentner wie Frankreich, tn keinem Lande spielt dieser Stand daher eine solche Rolle. Es sind nicht die schwerreichen Leut«, dle hier in Betracht kommen, sondern die sogenannten „Sechrdreier-RentierS", denn jeder Franzose sieht «S a!S sein Lebensziel an, sich zum fünfzig» 'sten Lebensjahr mit einer bescheidenen Rente zur Ruhs zu setzen. Der Rentierstand tst also in Frankreich auf das engste mit dem Handwcr'er-, Kleinbürger- und Arbeiteistand ver knüpft, er bildet die beste Stühe der StaatSform, denn er lebt von den Zinsen der StaatSpapiere. Seit dem Bündnis mit Rußland vor 2b Jahren sind auch Milliarden russischer Anleihen dem französischen Kletnkapualisten zugewälzt, und mit Heulen und Zähneklappern hat dieser die Meldungen über den unvermeidlichen StaatSb « « ott de» ebemalic.en BundeSbruderS verfolgt, für dessen Schulden Frankleich selbst schon die letzten fälligen Ztnsesraten bezahlte. Jetzt tst eS aber damit vorbei. Und Nacht wird «S auch am Himmel der eigenen französischen Staatsfinanzen. Frankreich hat in diesem Kriege bisher etwa 80 Milliarden oufgewendet, für die keine Deckung vorhanden ist. DaS franzöfi che Nationalvermögen ist zum KriegSansang auf etwa 22b Milli arden nach amtlichen Ausstellungen beziffert, so daß also nicht mehr viel davon fehlt, daß die Hälfte dessen, waS Frankreich an Werten besitzt, vom Kriege bald ausgesressen jein wird. WaS da» bedeutet, braucht nicht weiter gesagt zu werden, es braucht auch nicht ge agt zu werden, daß der Frankenkurs dadurch auf daS unheilvollste beeinflußt werden muß, denn dle gegenwärtige künstliche Hochhaltung wird von selbst ihr Ende haben. Und wo bleibt dann der Reniierstand? Die monarchistischen Umtriebe tn Frank, eich, von denen jetzt s» viel die Rede ist, finden allerdings einen guten Nährboden, die Republik ist in ihrer Bevölkerung wie in ihren Finanzen kapitt. Krieg unci Mirtvcksfr. Auch Behörden müssen sich vvrsshe«. Der Nat von Leipzig hatte einen Verkauf von ausländischem Kaffee- Ersatz unter städtischer Ansicht angekündizt. Der Preis sollte 8,b0 Mark für ein Pfund betragen, war «lsa nicht niedrig. Uber da» Resultat Liefe« Verkauf« schreibt jetzt das Leipziger Tageblatt: Die Enttäuschung tst groß. Dor Ersatz ist zwar dreimal teurer, er unterscheidet sich aber in wenig oder nicht- von dem jetzt üblichen, auS Runkelrübe» hergrstellten Ersatz. In keiner Weise rechtfertigt er Len ge forderten Prei-. Um so mehr ist man zu der Frag« be rechtigt: Wa» bedeutet die Bezeichnung „ausländischer" s Kaffee-Ersatz? Ist er auS besonderen und besseren auZ» f ländischen Stoffen hergestellt oder ist er nur auS dem AuZ« f lande bezogen? DaS letztere wäre von ganz geringem j Werte, denn daß man im Ausland« feit langem schon ebenso f mlnderllg« Erzeugnisse herstellt wie bei un; und damit andere , übers Ohr haut, das dürfte doch männigl-ch bekannt fein, l besonders aber den Behörden, die damit schon di« übelsten j Erfahrungen gemacht haben. Lie immer mehr steigende Knappheit au Wed-, : Wirk- und Strickwaren macht äußerste Sparsamkeit zu ? dringlichstem Gebote. Die Kommunalverdände müssen aus ! längere Zelt mit den Waren auSk^mmrn, die sie von der > Kriegswirtschasts-A.-G. für ihre minderbemittelte Bevöike- rung bezogen haben. Nachlieferung von RelchS.oarcu i Meer» und Unterkleidung, Strümpfe usw.) erfolgt bis aus i weiteres nicht. Dom t diese billigeren Stücke tatsächlich nur ! den Bedürftigsten zugute kommen, müssen dis Bezugsschein- : stellen die Frage der Bedürftigkeit auf LaS eingehendste prüfe«. Kein Schweinefleisch in Gastwirtschaften. Di vorübergehende Aufhebung des Mar'en-mangS sür Spsn ferkel hatte gleichzeitig in bezug auf Spanzerkelfleisch eins Ausnahme von dem Verbot der Abgabe von Schweine- flcischspeisen tn Gastwirtschaften Lew rkt. Da die Marken' sreiheit für Spanferkel mit dem 15. Januar 19l8 erloschen ist. gilt nach wie vor wieder das Verbot, demzufolge Schm? ne- fleischfpeisen, mit alleiniger Ausnahme von Wu.st, tn Gast wirtschaften nicht abgegeben werden dürfen. - Dir ukrainische viepubl.r. , Zu dem verlmisigcn Ab-chiutz der ^riedensverhandlungen mit der urramL. ,