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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 31. März 1973, 20.00 Uhr Sonntag, den 1. April 1973, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. ZYKLUS-KONZERT und 8. KONZERT IM ANRECHT C MENDELSSOHN - BRAHMS - REGER Max Reger 1873-1916 Dirigent: Günther Herbig Solisten: Amadeus Webersinke, Dresden, Klavier Helga Termer, Dresden, Sopran Roswitha Trexler, Leipzig, Sopran Sprecher: Barbara Adolph, Berlin Manfred Heine, Weimar Chor: Frauenchor des Philharmonischen Chores Dresden Einstudierung: Wolfgang Berger Konzert für Klavier und Orchester f-Moll op. 114 Allegro moderato Largo con gran espressione Allegretto con spirito PAUSE Felix Mendelssohn Bartholdy Musik zu „Ein Sommernachtstraum" von William 1809-1847 Shakespeare op. 21 und op. 61 (Einrichtung für den Konzertsaal von Dr. Johanna Rudolph und Horst Richter) AMADEUS WEBERSINKE wurde 1920 in Jägerndorf (Nordböhmen) geboren. Er studierte in den Jahren 1938 bis 1940 am Konservatorium in Leipzig bei Karl Straube, Johann Nepomuk David und O. Weinreich. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde er 1946 als Dozent für Klavier an die Leipziger Musikhochschule berufen. 1953 erhielt er hier eine Professur für Klavierspiel. Seit 1966 wirkt er in der gleichen Eigenschaft an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ Dresden. Der Künstler, auf Orgel, Clavichord und Klavier gleichermaßen zu Hause, trat bis zum Jahre 1953 vorwiegend als Organist in Erscheinung, seitdem vor allem als Pianist. Konzertreisen führten Amadeus Webersinke, der 1950 den Bach-Preis und den Nationalpreis der DDR erhielt, u. a. nach Ungarn. Polen, Bulgarien, Rumänien, in die CSSR, nach Skandinavien, in die Sowjetunion, Schweiz, nach Österreich, Westdeutschland, England, Ägypten, Japan. Jurytätigkeiten übte er u. a. in Warschau, Prag, Wien, Budapest, Bukarest aus. Auch an den internationalen Sommerkursen in Weimar war er oft als Dozent beteiligt. Die Pflege des Bach- schen Orgel- und Klavierwerkes steht im Zentrum seiner vielseitigen künstlerischen Arbeit. Das Regersche Klavierkonzert produzierte er 1972 mit der Dresdner Philharmonie unter Gunther Herbig auf Schallplatte. ZUR EINFÜHRUNG Regers Klavierkonzert f-Moll op. 114 entstand in den Sommer monaten des Jahres 1910. Der Komponist, der zu dieser Zeit Lehrer für Tonsatz am Leipziger Konservatorium war, schrieb es innerhalb von sechs Wochen nieder. „Das Klavierkonzert wird vorerst wenig Erfolg haben beim .großen' Publikum", berichtete er Georg Stern, „diese Musik ist zu ernst und zu wenig virtuosen mäßig." Die Uraufführung am 15. Dezember 1910 im Leipziger Gewandhaus unter Arthur Nikisch wurde ein völliger Mißerfolg. Tagespresse und Publikum reagierten ablehnend auf das inhaitstiefe, überaus problemgeladene Weik, und noch heute gehört es zu den ausgesprochenen Seltenheiten in unseren Konzertsälen. (Bei der Dresdner Philharmonie spielte es zuletzt Frieda Kwast- Hodapp, der es auch gewidmet war, im Jahre 1948). Regers Klavierkonzert zeichnet sich besonders durch die Plastizität des musika lischen Ausdrucks und die thematische Einheitlichkeit aus: „Die Leute, die da so schnell den Stab über das Werk gebrochen haben, ahnen gar nicht, wie gerade im Klavierkonzert alles bis in die äußersten Zweiglein durchgebildet ist." Obwohl der Solopart an den Pianisten hohe Anforderungen stellt, ist das Werk nicht vordergründig virtuos angelegt. Das Klavier ist in den Orchesterklang einbe zogen, so daß wir von einer „Sinfonie mit obligatem Klavier" sprechen dürfen, in der dreisätzigen Anlage und besonders in der Gestaltung des Rondo-Finales ist das Konzert an klassischen Vorbildern orientiert. Der erste Satz (Allegro moderato) ist mit seiner kraftgeladenen Thematik von überaus leidenschaftlich erregtem Pathos erfüllt. Nach einer dramatischen Orche stereinleitung setzt das Klavier mit vollen wuchtigen Akkorden ein. Im weiteren Verlauf werden dem tragisch-kämpferischen Grundgedanken des Satzes lyrisch versöhnliche Episoden entgegengesetzt. Gewaltige Konfliktentladungen und krasse dynamische Gegensätze führen im Allegro über nur wenige Ruhepunkte zum düsteren Ausklang in f-Moll. Das tiefempfundene Largo, musikalischer Höhepunkt des Werkes, darf zweifellos zu den wertvollsten Sätzen der Konzertliteratur zählen. Ein sehnsüchtig-ver träumtes Thema wird zunächst allein vom Klavier vorgetragen. Im danach ein setzenden Orchesterpart wird mehrmals der Choral „Wenn ich einmal soll schei den" zitiert. Ein kurzer, deutlich kontrastierender Mittelteil erinnert noch einmal an die dramatische Stimmung des ersten Satzes, kann sich aber nur über wenige Takte behaupten. Mit der Wiederkehr des schmerzlichen Anfangsteils schließt das Largo. Der plötzliche Übergang zum Rondo-Finale (Allegro con spirito) wirkt etwas überraschend. Das humorvoll-spritzige Thema wird zunächst vom Soloinstrument vorgetragen. Obwohl der Komponist zum Ernst der vorangegangenen Sätze einen Ausgleich sucht, wirkt diese Heiterkeit, dieses tänzerisch virtuose Spiel nicht völlig überzeugend. Ein lyrisch ausgewogenes Seitenthema dagegen hellt die harmo nische Dichte und die komplizierte polyphone Satzstruktur auf. Nach monumen talen Steigerungen schließt das Rondo-Finale unvermutet in strahlendem Dur. Am 3. Juni 1830 schrieb Goethe an seinen Duzfreund, den Maurermeister und Direktor der Berliner Singakademie Karl Friedrich Zelter, „frisch und eilig" über einen Besuch Felix Mendelssohns bei ihm: „Mir war seine Gegenwart besonders wohltätig, da ich fand, mein Verhältnis zur Musik sei noch immer dasselbe; ich höre sie mit Vergnügen, Anteil und Nachdenken, liebe mir das Geschichtliche; denn wer versteht irgendeine Erscheinung, wenn er sich von dem Gang des Herankommens" nicht durchdringen lasse. Für Goethe war dabei „die Haupt sache, daß Felix auch diesen Stufengang recht löblich einsieht und glücklicher weise sein gutes Gedächtnis ihm Musterstücke nach Belieben vorführt. Von der