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DRESDNER PHILHARMONIE Mittwoch, den 21. Mörz 1973, 20.00 Uhr Donnerstag, den 22. März 1973, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 9. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Siegfried Kurz, Dresden Solistin: Natalia Schachowskaja, Sowjetunion, Violoncello Peter Tschaikowski 1840-1893 Variationen über ein Rokoko-Thema für Violoncello und Orchester op. 33 Bedrich Smetana 1824-1884 Aus Böhmens Hain und Flur Die Moldau aus dem Zyklus sinfonischer Dichtungen „Mein Vaterland" PAUSE Antonin Dvorak 1841-1904 Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104 Allegro Adagio ina non troppo Allegro moderato ZUR EINFÜHRUNG Ganz eigenes Gepräge besitzen Peter Tschaikowskis Variationen über ein Rokoko -Thema für Violoncello und Orchester o p. 3 3. Die bezaubernde Komposition legt - ähnlich der Orchestersuite „Mozartiana" und dem ersten Satz der Streicherserenade - ein Bekenntnis zur Musik der frühen Wiener Klassik ab, die dem Komponisten in ihrer Klarheit und Schönheit stets besonders am Herzen lag. Gleich ihr besitzen die Variationen eine Ausgeglichenheit der musikalischen Haltung und Volkstümlichkeit der melodischen Erfindung. Das Werk entstand im Jahre 1876 für den deutschen Cellisten Wilhelm Fitzhagen, den Konzertmeister der Russischen Musikgesell schaft in Moskau, mit dem Tschaikowski eine herzliche Freundschaft verband. Bevor das Soloinstrument das wirklich klassisch erfundene Thema über zartem Streicherklang vorsingt, wird das Werk mit einer kleinen Einleitung des Orche sters, dem die Blechbläser ganz fehlen, eröffnet. Nach dem Vortrag des Themas leitet ein coupletartiger Nachsatz, der auch zwischen den einzelnen Veränderun gen steht, zur ersten Variation über. Bei der ersten Veränderung kann man eigentlich nur von einer Figuration durch den Solisten sprechen, in der zweiten Variation spielen sich Solocello und Violinen die melodischen Floskeln zu. In mildem C-Dur stehend, trägt die dritte Variation kantable Züge. Wechsel zwi schen tänzerischen und virtuosen Elementen bringt das anschließende Andante grazioso, das wieder in der Haupttonart A-Dur gehalten ist. Im folgenden Allegro moderato liegt das Thema in der Flöte, wozu das Soloinstrument kontrapunktisch geführt wird. Ganz lyrische Züge weist auch ein in d-Moll stehendes Andante auf. Eine Klarinette wirft hierbei einige Gedanken ein. Die siebente Variation schließ lich bildet im Allegro vivo den dahinhuschenden, gegen Ende strettaartig ge steigerten Abschluß des ungemein reizvollen Werkes. Die vor reichlich hundert Jahren von Franz Liszt begründete, in seinem Schüler- und Freundeskreis weitergeführte und dann kurz vor der Jahrhundertwende durch Richard Strauss auf ungeahnte Höhen geführte Gattung der sinfonischen Dich tung, das heißt also eines musikalischen Werkes, das einem bestimmten literari schen, malerischen oder aus der Natur geschöpften „Programm" folgt und aus ihm seine Formgesetze ableitet, hat in musikästhetischen Auseinandersetzungen seit je ein lebhaftes Für und Wider erregt. Den erlösenden Gedanken hat Richard Strauss ausgesprochen, als er sagte: „Auch Programmusik ist nur da möglich und nur dann in die Sphäre des Künstlerischen gehoben, wenn ihr Schöpfer vor allem ein Musiker mit Einfalls- und Gestaltungsvermögen ist." Einer solchen Forderung entsprach kaum ein anderer Komponist sinfonischer Dich tungen besser als Bedrich Smetana. Schon in jungen Jahren war der zunächst gänzlich unbekannte tschechische Musiker mit dem auf der Höhe seines europäischen Ruhmes stehenden, außerordentlich großzügigen und hilfsbereiten Franz Liszt in Verbindung getreten. Er begeisterte sich für dessen neuartige Ton sprache, vor allem aber für Liszts Überzeugung, daß die Musik des 19. Jahrhun derts nicht allein gekennzeichnet sei durch ihre innige Verschmelzung mit dichte rischen und naturhaften Vorstellungen und Programmen, sondern daß ihre Hal tung vor allem auch durch ihren nationalen Charakter bestimmt sei. So gewann Smetana sehr bald die Gewißheit, daß der Befreiungskampf der tschechischen Patrioten gegen die Habsburgische Kaisermacht und die reaktionären, zur Kolla boration mit Österreich bereiten Kreise nicht ohne die Hilfe der Musik geführt werden könne, und er entwickelte sich zu einem bewußten Kämpfer für die tsche chische Unabhängigkeit. Seine Opern und Instrumentalwerke sind nicht denkbar ohne diese von ihm klar erkannte Aufgabenstellung. Auch „Mein Vaterland", ein sechsteiliger Zyklus von sinfonischen Dich tungen, wurde ein gewichtiger Beitrag zur tschechischen Nationalkultur und ein SIEGFRIED KURZ, 1930 in Dresden geboren, wurde in seiner Heimatstadt künstlerisch aus gebildet. Seit 1945 studierte er an der dama ligen Staatlichen Akademie für Musik und ^kcater zunächst Trompete, gleichzeitig in der ^poelimeisterklasse Ernst Hintzes sowie Kompo sition bei Fidelio F. Finke. 1949 wurde er als Leiter und Komponist der Schauspielmusik an das Staatstheater Dresden verpflichtet. Seit 1960 wirkt er als Kapellmeister an der Dresdner Staatsoper. 1965 wurde er zum Staatskapellmei ster, 1971 zum Generalmusikdirektor ernannt. Der mit dem Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden (1961) und dem Kunstpreis der DDR (1965) ausgezeichnete Künstler, Komponist bedeutsamer Orchester-, Kammer- und Schauspielmusiken sowie eines Musicais, dirigierte alle führenden Orchester der DDR und gastierte bisher in der UdSSR, in Polen und in Österreich. NATALIA SCHACHOWSKAJA gehört zu den bedeutendsten Cellistinnen der Sowjetunion. Nach erster Ausbildung am Musikinstitut Gnessin wurde sie 1954 als Schülerin Prof. Semjon Kosolupows in das Moskauer Konserva torium aufgenommen. Nach dem Staatsexamen vervollkommnete sie sich in der Aspiranten klasse Mstislaw Rostropowitschs. Inzwischen übt sie selbst eine Lehrtätigkeit am Moskauer Kon servatorium aus. Natalia Schachowskaja errang mehrere internationale Preise: 1957 anläßlich des Wettbewerbes zu den VI. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Moskau den 1. Preis, 1961 beim sowjetischen Allunions- Wetlbewerb für Instrumentalsolisten den 1. Preis, im Mai desselben Jahres bei dem Wett bewerb des „Prager Frühlings“ den 2. Preis und beim Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb 1962 in Moskau wiederum den 1. Preis und damit die Goldmedaille in ihrem Fach. Die Künstlerin spielte nicht nur in allen Musikzent ren ihrer Heimat, sondern unternahm auch höchst erfolgreiche Auslandsgastspiele u. a. in die SR Rumänien, VR Bulgarien, VR Ungarn, VR Polen, CSSR, nach Griechenland, Däne mark, Holland, Norwegen, Belgien, Großbritan nien, Kanada. Bei der Dresdner Philharmonie war sie bereits im Jahre 1966 zu Gast.