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Teil des ideologischen Kampfes. Er ist wesentlich mehr als nur eine Folge historischer oder landschaftlicher Bilderbogen! Smetanas Tat ist um so bewun dernswürdiger, als er gewissermaßen einen Mehrfrontenkrieg führen mußte. Zudem traf ihn persönlich das größte Leid, das einem Musiker widerfahren kann: Wie Beethoven verlor er sein Gehör. Aber statt zu resignieren, verdoppelte er seinen Arbeitseifer. In denselben Wochen des Jahres 1874, in denen ein Nerven leiden eine rasche Zersetzung seines Hörvermögens mit sich brachte, begann er die Arbeit am Zyklus „Mein Vaterland", den er nach Unterbrechungen durch die Komposition mehrerer Opern und etlicher Instrumentalwerke Ende 1878 beendete. Er hat also niemals mit dem äußeren Ohr vernommen, was seine Phantasie auf das Notenpapier gebannt hatte! Die in der ursprünglichen Reihenfolge an vierter Stelle stehende Tondichtung „Aus Böhmens Hain und Flur” gilt der Natur des Landes, doch diese Schilderung soll, wie der Verlauf zeigt, keineswegs als ruhiges Idyll empfunden werden. Während sich in der „Moldau" die Kontraste durch die wechselnden Landschaften und Stimmungen ergeben, tritt hier stärker ein kämpferisches Moment hervor. Es steht deutlich im Gegensatz zu den lyrischen und beschau lichen Episoden. Ohne so bestimmte Hinweise, wie sie uns Smetana in der „Moldau" gibt, hören wir dennoch das Rauschen des Waldes, das Wogen der Felder und auch die Tänze und Lieder des Volkes heraus. Indem der Komponist aber im Schlußteil der Tondichtung die fröhliche Polkameiodie mehrmals gewalt sam unterbrechen laßt, ehe sie sich voll entfalten kann, will er sicherlich menr geben als nur „ein Erntefest oder irgendein Dorrfest", wie er gelegentlich sagte. Die Unterbrechungen deuten zweifellos auf die dunklen und bösen Kräfte hin, die zur Zeit der Entstehung des Zyklus der Entfaltung einer tschechischen Natio nalkultur im Wege standen. Der Polkarhythmus verkörpert dagegen die gesun den, kämpferischen Kräfte des Volkes und gibt der Überzeugung des Meisters Ausdruck, daß sich sein Land einstmals frei entfalten wird. Der zweite Teil des Zyklus, „Die Moldau", gehört zu den volkstümlichsten Werken der musikalischen Weltliteratur und wird sehr häufig auch selbständig aufgeführt. Smetana singt hier das Lied der schönen tschechischen Landschaft. Wir folgen dem Lauf des Moldau-Flusses von seinen Quellen im Böhmerwalde bis zu seiner Einmündung in die Elbe. Mit einem gleichsam quirlenden und spritzenden Motiv malt der Komponist zu Anfang das hurtig zu Tal eilende Bächlein, aus dem nach und nach ein Fluß wird. Eine volksliedhafte Weise symbolisiert ihn, bis dann noch andere musikalische Bilder hinzutreten. Fanfaren kennzeichnen eine Jagd, die in den dichten Wäldern am Ufer des Stromes stattfindet; der Rhythmus des tsche chischen Nationaltanzes Polka lenkt unsere Phantasie in ein Dorf, wo vielleicht eine fröhliche Hochzeit gefeiert wird; eine geheimnisvolle stille Nachtmusik läßt Nixen aus dem mitternächtlichen Strom emportauchen; leise Marschrhythmen mögen an die Ritter auf ihren Burgen erinnern, zu deren Füßen die Moldau da hinrauscht; Stromschnellen lassen das Wasser gischtig spritzen und sprudeln. Endlich kommt Prag in Sicht. Das majestätische Motiv der alten Prager Burg Vysehrad versinnbildlicht die Begegnung von Strom und Stadt, bis schließlich die Moldau mit leisem Wellenschlag sich alllählich unseren Blicken entzieht und in der Ferne verschwindet. Doch zwei starke Schläge des Orchesters reißen uns aus unseren Träumen und führen uns in die Gegenwart zurück. Das Violoncellokonzert h-Moll op. 104 begann A n t o n i n Dvorak am 8. November 1894 in New York, noch während seines Aufenthaltes in Amerika, zu komponieren und schloß die Arbeit im wesentlichen am 9. Februar des folgenden Jahres ab. Nach seiner Rückkehr in die tschechoslowakische Heimat wurde dann der letzte Satz noch entscheidend erweitert. Auf die Gestaltung des Soloparts nahm der damals berühmte Cellist des Böhmischen Quartetts, Hanus Wihan, dem das Konzert auch gewidmet wurde, wesentlichen Einfluß. Obwohl Dvorak das Violoncello nicht eigentlich liebte — weil es, wie er sich ausdrückte, „oben kreischt und unten brummt" — schuf er mit seinem h-Moll-Konzert, das eine Sinfonie mit obligatem Violoncello genannt zu werden verdient, eine der schönsten Perlen der Cello-Literatur, da es dem Solisten alles gibt, was er sich wünschen kann: ausdrucksvolle Kantilenen, einen mitreißenden rhythmischen Elan und technische Brillanz. Unter der Leitung des Komponisten erklang das Werk zum erstenmal am 19. März 1896 in London mit dem englischen Solisten Leo Stern, der das Konzert auch einen Monat später in Prag bekannt machte. Der erste Satz (Allegro) beginnt mit einer längeren, ausdrucksvollen Orchester einleitung, die das thematische Material vorstellt, namentlich die beiden führenden Themen: das besonders gelungene erste mit seinem heroisch-kralt- vollen Charakter und das lyrische zweite, zunächst vom Waldhorn angestimmte. Beide Themen werden danach auch vom Soloinstrument aufgegriffen. Der Auf bau des ganzen Satzes ist locker, fast rhapsodisch. Der zweite Satz (Adagio) ist eine der schönsten lyrischen Eingebungen Dvoraks. Das gesangvolle Thema erklingt zuerst in den Klarinetten, bevor es vom Solo cello aufgegriffen wird. Der spannungsgeladene Mittelteil geht in eine Remini szenz an Dvoraks Liedschaffen über. Der wirkungsvollste Teil des Konzerts ist fraglos das Finale (Allegro moderato) mit seiner Fülle von pathetischen, melancholischen und rhythmisch-zündenden Gedanken. Das Hauptthema drückt die Freude des Komponisten über die be vorstehende Rückkehr in die Heimat aus, das Soioinstrument führt die lapidare Melodie nach kurzem Orchestervorspiel vor. Seitenthemen unterstützen diesen Ausdrucksgedanken (u. a. ein Zwiegesang zwischen Solocello und Solovioline). Dann erklingen Motive aus den vorangegangenen Sätzen (Hauptthema des ersten Satzes, das Adagio-Thema) in träumerischer Haltung, bis mit dem Haupt thema des Finales der jubelnde Ausklang des Werkes herbeigeführt wird. VORANKÜNDIGUNG : Sonnabend, den 21., und Sonntag, den 22. April 1973, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast 10. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solistin: Cecile Ousset, Frankreich, Klavier Werke von Haydn, Chopin und Beethoven Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1972/73 - Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Hartwig Die Einführung in die sinfonischen Dichtungen Smetanas schrieb Prof. Dr. Richard Petzoldt Druck: Polydruck Radeberg, PA Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-25-73 »Nlhamrionio JUGEND - KONZERT 1972/73