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Nr. 40. I«. Februar 1851 Donnerstag. KetPHig. Die Zeitung erschesnt mit Ausnahme de« Montag« täglich und wird Stachmittag» 1 Uhr aul- gegeben. DtliWc Mgemcinc Ztitung. für da« Viertel, jahr i'/, Lhlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und TeschI» Zu beziehen durch alte Postämter de« Zn- und Auslandet, sowie durch dia Erpedition in Leipzig (Querstraße Rr. 8). Hnsertivnlgevühr für den Raum einer Zeit 2 Ngr. Der neueste Stand der orientalischen Frage. Die officielle Preußische Korrespondenz vom iü. Febr. enthält folgen den wichtigen Artikel: „Wenn mir noch vor kurzem in Bezug auf den rus sisch-türkischen Zwist vorzeitigen Besorgnissen gegenübertralen, welche einen eutmuthigenden Einfluß auf die Geschäftswelt ausübten, so thalen wir es mit Rücksicht auf die damals schwebenden Unterhandlungen und in der Er wartung, daß die Mäßigung der auf dem Schlachlfelde und auf diploma tischem Gebiete streitenden Parteien den vermittelnden Bestrebungen zur Herstellung eines ehrenvollen Friedens die Hand bieten werde. Die inzwi schen ringetretenen Ereignisse haben jedoch die orientalische Angelegenheit in ein Stadium geführt, an dessen Schwelle unsere Hoffnungen zu sinken be ginnen. Wir würden den zunächst durch einen Zwischenfall veranlaßten Ab bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und den Westmäch ten nicht als den Vorboten eines unvermei lichcn Conflitts deuten, wenn nicht die gleichzeitig aus Petersburg eingegangene Rückäußerung auf die neuern von der Wiener Confercnz befürworteten Ausgleichungsvorschlägc auch den jüngsten Versuch der vereinigten europäischen Diplomatie zur Lö sung der eigentlichen Streitfrage vereitelt hätte. Wir dürfen zwar mit vol lem Grunde die Hoffnung festhalten, daß der im Orient entzündete Krieg die Grenzen seines bisherigen Schauplatzes nicht überschreiten werde; allein wir begreifen, daß bei der Entschiedenheit der sich gegenüberstchenden An sichten alle Vermittelungsversucht fruchtlos bleiben müssen, solange nicht ein Wendepunkt in den Ereignissen eingctreten ist, von welchem aus sich eine neue Grundlage der Unterhandlungen gewinnen läßt. Jedenfalls halten wir cs für Pflicht, unbegründete Gerüchte über angebliche neuere Ausgleichungs vorschläge der Wiener Confercnz oder der deutschen Großmächte zu widerle gen, weil dieselben geeignet sind, die öffentliche Meinung zu verwirren und über den Ernst der Situation zu täusche». Die Wiener Confercnz muß, nachdem sie die Unvereinbarkeit der russischen Foderungen mit den türkischen Anerbietungen erkannt hat, nolhwendigerweise die Ueberzeugung gewonnen haben, daß für die Fortsetzung ihrer bisherigen Thätigkcit in den gegenwär tigen Verhältnissen kein Anknüpfungspunkt vorlicgt. Sie erscheint außer Stande, einen neuen Compromiß mit dem Cabinet von Petersburg zu su chen, weil sie von der Pforte zu weitern Zugeständnissen nicht ermächtigt und wol nicht geneigt ist, einen Zwang auf dieselbe auSzuükcn. Was die deutschen Großmächte betrifft, so haben sie sich bisher aufrichtig jeder Be mühung angeschlossen, welche auf die Herbeiführung eines billigen Uebercin- kommens gerichtet war, und gerade ihr Zusammenwirken mit den West- machten konnte dem russischen Hofe dafür bürgen, daß seine Interessen in den gemeinsamen Berathungen und in dem Ergebnisse derselben von be freundeten Mächten gewahrt seien. Wenn trotzdem das Fricdenswerk nicht zustande kam, so bleibt unsers Bedünkens den letzter» nichts übrig, als den Ereignissen ihren Lauf zu lassen, bis der Moment zu weitern Entschließun gen gekommen sein wird. Sicher ist, daß Preußen sich augenblicklich nicht veranlaßt findet, den Faden der Unterhandlungen obne Aussicht auf Erfolg wiederaufzunehmen, und daß wir aus diesem Grunde vollkommen berechtigt sind, dem durch französische Blätter verbreiteten Gerücht, welches von neuen gemeinsamen Vermittelungsvorschlägcn der großen deutschen Regierungen wis sen will, jeden Glauben zu versagen." . Deutschland. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen dürfte es von erhöhtem In teresse sein, den gegenwärtigen Stand der Heeres macht des Deutschen Bundes zu kennen. Am 29. Jan. d. I. legte die Militärcommission der Bundesversammlung das Ergebnitz der Militärinspectionen der einzelnen Con- tingentc vor. Der Sollstand des Haupt- und Rescrveconlingcnts nach der Bundesmatrikel ist 403,366 Köpfe, nämlich Oesterreich (I., U., Ul. Armee corps) 126,429; Preußen (IV., V., VI. Armeecorps) 106,647; Baiern (VII. Armeecorps) 47,476; VIII. Armeecorps (Württemberg, Baden, Hessen- Darmstadt) 40,209; IX. Armeekorps (Sachsen, Kurhesscn, Nassau, Luxemburg, Limburg) 31,889; X. Armeecorps (Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Han- sestädtc, Mecklenburg) 36,594; Reserveinfanterie-Division 14,140. Der wirk liche Stand aber nach den Standestabellen für 1853 ist 525,037 Mann, nämlich Oesterreich 153,295, Preußen 170,509, Baiern 50,236, VIII. Armeekorps 47,557, IX. Armeekorps 35,336, X. Armeekorps 49,918, Reserveinfanterie-Division 18,186. Darunter sind: höhere Stäbe 3371; Fußvolk 404,502 (davon 28,621 Jäger und Schützen); Reiter 71,149 mit 42,032 Dienstphrden; Geschützwcsen 40,270 Mann mit 7424 Dienstpfer- den; technische Truppen 5745'Mann. Dazu Nichtstreilende: 1470 Aerzle und 16,838 Mann vom Fuhrwesen. Der Belagerungöpark zählt 250 Ge schütze, davon 122 Kanonen, 31 Haubitzen und 97 Mörser. AnBrücken- matcrigl sind 166 Brückenschiffe (Ponton«) und 19'/^ Birago'sche Equipagen für eine Gesammtflußbreike von 5059 Fuß vorhanden. Nach der taktischen Eintheilung umfaßt das Bundesheer 387 Bataillone, 409 Schwadronen, 147 Batterien, nämlich 38/, schwerer, 70/ü Batterie» Fuß-Artillerie und 37^/, Batterien reitender, mit 1122 Geschützen. — Der Bundcstagsgesandte für die herzoglich sächsischen Häuser^ Hr. v. Fritzsch, Hal der Bundesversammlung Anzeige von einer Vereinba rung gemacht, welche diese Häuser über ihre Rangordnung untereinander getroffen haben. In Gemäßheit dieser Vereinbarung folgen die herzoglich sächsischen Häuser in nachstehender Ordnung aufeinanocr: Sachsen-Meinin- grn, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha. Preußen. F Berlin, 14. Febr. Die englischen Blätter überlassen sich einer wenn auch leicht erklärbaren Täuschung, wenn sic aus der fruchtlosen Sendung Orlow's nach Wien auf die nahe bevorstehende Allianz der deutschen Großmächte mit den Westmä'chten schließen. Weil mair diese in England und Frankreich wünscht, glaubt man bereits an sie. In dessen ist von der Neutralität bis zur Allianz noch ein weiter Schritt, und daß sich dergleichen politische Schöpfungen nicht so plötzlich zustande bringen lassen, das haben die Engländer und Franzosen ja im Laufe des vorigen Jahres an sich selbst erfahren. Wie lange haben sic lavirt, ehe sic nur bis zur Besitzergreifung des Schwarzen Meeres gekommen sind! Daher dürfen sie sich nicht wundern, wenn Oesterreich und Preußen, so eng bis her mit Rußland verbunden, nicht durch eine plötzliche Fronteveränderung von der Freundschaft zur Feindschaft übergehen und sich mit dessen Feinden verbinden werden. Ucbrigens sprechen auch keine Lhalsachen für eine solche Allianz. Seit Monaten rüsten England und Frankreich, obgleich der Kriegs- schauplatz weit von beiden entfernt ist. Wo rüstet aber Oesterreich und Preußen? Denn die kleinen Armeen, welche Oesterreich in Ungarn bereit- hält, wird man doch nicht für Kricgsrüstungcn gegen den russischen Koloß halten? Und was Preußen betrifft, so hat es noch keine Division zusam- mengezogen, viel weniger ein Armeecorps. Wäre die von der westlichen Presse angekündigte Allianz der deutschen Großmächte mit England und Frankreich nur in der Bildung begriffen , so würden Oesterreich und Preu ßen ihre Truppen zusammenziehen, sic an der russischen Grenze aufstellrn, die Grenzfestungen armircn und sich dadurch für die Offensive und Defen sive vorbereiten. Von dem Allen aber entdeckt man an der östlichen Grenze keine Spur. Beweis genug, daß die englische Presse sanguinischen Illu sionen sich überläßt- Denn es ist nicht denkbar, daß die deutsche Ueberlc- gung sich den Streichen Rußlands aussetzcn würde, ohne sich gegen diesel ben geschützt zu haben. t Berlin, 14. Febr. Die Verhandlungen mit Bremen hinsichtlich des Anschlusses der Stadt Vegesack und eines weitern zur Hansestadt Bremen gehörigen Gebiets an den Zollverein bleiben, wie wir hören, so lange abgebrochen, bis Bremen von den allzu hoch gestellten Bedingungen abgeht. Die Einräumung dieser Bedingungen hatte Bremen als oonclitio 8iuo qu» non erachtet, in welcher Beziehung dasselbe sich indessen jetzt enttäuscht er blicken wird. Welchen hohen Werth der Zollverein auch auf den Anschluß des bezeichneten Gebiets legt, so soll derselbe sich aber in keiner Weife veranlaßt sehen, auf die bisherigen Bedingungen Bremens einzugehen. Ob die Verhandlungen wiederangeknüpft werden, hängt mithin lediglich davon ab, ob Bremen die Saiten billigerweise etwas niedriger spannt. Ueberhaupl möchte darauf hinzuweisen sein, daß die in Bremen anscheinend verwal tende Anschauung, als ob man hier den Anschluß des besagten Gebiets an den Zollverein für unentbehrlich halte, eine irrige sei. Das Strebe» des Zollvereins, mit der Zeit ganz Deutschland zu umfassen, um dem Auslände in handelspolitischer Beziehung eine Einheit entgegenstelleu zu können, geht, was die Hansestädte anbelriffl, nicht aus der Berücksichti gung der direkten materiellen Vortheile hervor, sondern einzig und allein aus der eben angedeutetcn nationalen Anschauung der Sache. Von der Richtigkeit dieser Angabe wirb man sich von bremischer Seite hier in Ber lin leicht überzeugen können. — Wie die berliner Autographischc Korrespondenz unlerm 12. Febr. mel det, soll nach in Berlin eingegangenen Nachrichten aus Petersburg der Kaiser von einem apoplektischen Anfälle betroffen worben sein, der zwar zunächst keine bedenklichen Folge» hinterlassen habe, ihn aber doch zwinge, vorläufig das Bett zu hüten. Wir bemerken hierzu noch, daß webcr unsere berliner Corespondenien noch Zeitungen von dort dieser Erkrankung erwähne». — Während die Frage über die Zweckmäßigkeit oder Möglichkeit der Durchführung einer Neutralität der beiden deutsche» Großmächte noch nicht einmal erledigt ist, streiten sich die Blätter in unbegreiflicher Weise darüber, ob Oesterreich, ob Preußen zuerst sich für die Neutralität entschie den habe. So sagt die Frankfurter Postzeitung unten» 13. Febr.: ,,Der berliner Korrespondent der Kölnischen Zeitung schreibt unterm 10. Febr, die Neutralitätsfrage sei in Berlin bereits fünf Tage früher entschieden ge wesen, als man in Wie» einen gleichen Entschluß faßcr. Dem Manne