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DRESDNER PHILHARMONIE Mittwoch, den 7. Februar 1973, 20.00 Uhr Donnerstag, den 8. Februar 1973, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solist: Wladimir Spiwakow, Sowjetunion, Violine Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Franz Schubert 1797-1828 Konzert für Violine und Orchester A-Dur KV 219 Allegro aperto Adagio Rondo (Tempo di Menuetto-Allegro) Sinfonie Nr. 5 B-Dur Allegro Andante con moto Menuetto Allegro vivace PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 Allegro moderato Canzonetta (Andante) Finale (Allegro vivacissimo) WLADIMIR SPIWAKOW, Jahrgang 1944, heule einer der besten jungen sowjetischen Geiger, erhielt die ersten musikalischen Unterweisungen durch die Mutter. Im Alter von sieben Jahren begann die systematische Ausbildung im Geigenspiel an der Zentralen Musikschule des Leningrader Konservatoriums bei den Professoren Sigal und Schera. Als 13jähriger nahm er außer Konkurrenz am Wettbewerb des Leningrader Festivals „Weiße Nächte" teil und wurde mit dem 1. Preis ausgezeichnet. 1961 siedelte er nach Moskau über, wo Prof. Jankelewitsch die weitere Ausbildung des jungen Künstlers übernahm. 1965 gewann Wladimir Spiwakow den 3. Preis im Marguerite-Long-Jacques-1 hibaud-Wettbewerb Paris, 1967 den 2. Preis des Paganini-Wettbewerbes in Genua, 1969 den 1. Preis im Internationalen Musikwettbewerb von Montreal und 1970 den 2. Preis im Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau. Auslandstourneen führten ihn u. a. nach Italien, Ungarn, Japan und in die DDR. Für das Fernsehen der DDR produzierte er mit der Dresdner Philharmonie unter Günther HerL'g im vergangenen Herbst Mozarts Violinkonzert A-Dur KV 219. ZUR EINFÜHRUNG Wolfgang Amadeus Mozart schrieb im Jahre 1775 eine Gruppe von fünf Violinkonzerten, von denen das letzte, (A-Dur, KV 219) heute erklingt. Zu jener Zeit war der 19jährige als Konzertmeister im Hoforchester des Salzburger Erzbischofs angestellt und schrieb daher diese Konzerte vermutlich für den eigenen Gebrauch, da man von ihm natürlich auch solistische Leistungen auf seinem Dienstinstrument verlangte. Obwohl Mozart schon als Kind gut Geige spielte, wandte er sein Interesse späterhin doch mehr und mehr dem Klavier zu, für das er auch kennzeichnenderweise bis zu seinem Lebensende immer bedeu tendere Konzerte schuf, während uns an Violinkonzerten nur diese frühen Werke vorliegen (zwei weitere Konzerte blieben in ihrer Echtheit umstritten). Die Violin konzerte zeigen die Bekanntschaft des jungen Musikers mit den Schöpfungen italienischer Meister wie Boccherini, aber ebenso den Einfluß Johann Christian Bachs und der französischen Violinisten. Die beiden ersten Konzerte erscheinen in vielen Zügen noch als recht konventionelle Zeugnisse einer eleganten höfi schen Kunstübung und sind heute weniger bekannt, in den drei letzten jedoch (G-Dur, D-Dur, A-Dur) wird bereits inhaltlich wie formal eine wesentliche Ver tiefung und Bereicherung spürbar. Bei weitgehendem Verzicht auf äußerliche Virtuosenkünste wirken diese Werke besonders durch ihre jugendliche Unmittel barkeit und Anmut durch ihre innige, beseelte Melodik. Das A-Dur -Violinkonzert beginnt mit einem fröhlichen Allegro. Nach dem einleitenden rauschenden Tutti wird zunächst ein halb rezitativischer Ada gioteil des Solisten eingeschoben — eine ungewöhnliche formale Anlage, ein bereits ganz subjektiver Zug des jungen Komponisten. Den langsamen Mittel satz (Adagio) erfüllt verhaltene, schmerzliche Erregung. Ein von Mozart 1776 für den Geiger Brunetti nachkomponierter zweiter Satz, ein Andante, erreichte, ob wohl es künstlerisch ebenfalls durchaus wertvoll ist, nicht die Einfachheit und den inneren Reichtum dieses Satzes. — Im Finale des Werkes (Tempo di me nuetto) verbinden sich auf eigenartige Weise Menuettform und Rondoform. Das eingeschaltete Scherzo in a Moll zeigt deutliche Anklänge an die Volksmusik der Balkanländer und bringt im Kontrast zu dem liebenswürdig-behäbigen Thema des Hauptteils einen wilden Wirbel stampfender Tanzrhythmen. Franz Schubert hat insgesamt zehn Sinfonien entworfen; bei der 7. und 8. — nach neuer Zählung — kam er freilich nicht über Skizzen hinaus. Die ersten sechs Sinfonien entstanden bereits in den Jahren 1813 bis 1817, also zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr des Komponisten. Es handelt sich dabei um liebens würdige Jugendwerke, die zumeist für ein Wiener Liebhaberorchester geschrieben worden waren. Der Einfluß der Vorbilder Haydn, Mozart und Beethoven ist in den Jugendsinfonien stärker als in anderen Arbeiten seiner frühen Schaffens periode spürbar. Mitder 5. Sinfonie B-Dur aus dem Jahre 1816 wandte sich Schubert von Beethoven, dem er in seiner „Vierten", der sogenannten „Tra gischen“, gehuldigt hatte, wieder Mozart zu, dem er schon in seinen beiden ersten Sinfonien verpflichtet war. Unmittelbar hintereinander entstanden ein Allegro für Streicher, eine Festtags-Ouvertüre und die 5. Sinfonie für kleine Besetzung, ohne Klarinetten, Trompeten und Pauken. Alle drei Werke weisen die gleiche Tonart auf: B-Dur. Völlig zu Recht hat man Schuberts „Fünfte", ein wahres Kabinettstück musikali-