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Nr. 3V2. 2H. Deeember 18S4 Die nächste Nummer erscheint erst Mittwoch, LV. Deeemver, Nachmittags. Wvvl« für da« Viertel jahr t'/, Thlr.; jede ein» zelne Stummer 2 Ngr. Dienstag. LeiPzig. DI. Zeitung erscheint mn Aasmchm« de« Montng« täglich und wir» Nachmittag« 4 Uhr aus- gegeben. Zu beziehen durch aste U- 0 0 2 Pdstätnter de« 3«» Und Deutsche Ageuime Zeitung. ZM4- Ans-rtionspedühr -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» für den Raum e^.r Zeile Deutschland. »t AnA Norddeutschland, 23. Dec. Es ist sehr natürlich, daß Eng land bei der beantragten Errichtung einer Fremdenlegion unwillkürlich an di« Dienste denkt, welche ihm die Deutsche Legion in den Kriegen von 1894— 1815 geleistet hat. Wenn die Engländer jedoch hoffen, daß Deutschland ihnen auch jetzt das Hauptcontingent zu ihrer Fremdenlegion liefern würde, so werden sie sich sehr täuschen. Die Verhältnisse sind jetzt gang ander«. Damals trieb Vaterlandsliebe, Franzosenhaß und zum Theil äußert Roth Tausende von Deutschen nach England, um dort Kriegsdienste zu nehmen. Ein großer Theil der Truppen der Deutschen Legion waren überdies Unterthanen deS Königs von England, nämlich Hannoveraner. Jetzt würde bloS äußere Noth, Mangel an Erwerb, Lust an Abenteuern Deutsche in englische Kriegsdienste führen. Wenn wir auch nicht leugnen nwfi«, daß die neue englische Fremdenlegion sich aus den angeführten deut schen Elementen ebenso rekrutiren könnte wie früher die französische, selbst <ju brasilisches Corps, so dürfen wir doch nicht übersehen, daß England gegenwärtig auch zu solchen Erwerbungen nur geringe Aussicht hat. Deutsch land kann seinen kriegslustigen Söhnen selbst die von ihnen gewünschte Bc- schäftigung geben; denn es steht selbst am Vorabend des Kriegs. Seine Cdntingent« sind so stark, die Militärpflicht ist in den deutschen Bundes stattten so geregelt, daß cs den einzelnen kriegsfähigen Individuen nicht mehr freisteht, in auswärtige Kriegsdienste ohne Slaatserlaubniß zu gehen. Welcher deutsch« Staat, und wäre cs der kleinste, wird aber seinen Ange hörigen unter den jetzigen Umständen diese Erlaubniß geben, da der dro hende Krieg mit Rußland jedenfalls ein langwieriger und viele Menschen kostender sein wird? UeberdicS verbietet die Ehre dem Deutschen, sich an John Bull zu verkaufen. Oder sollen wir in unsern Tagen von neuem im englischen Parlament den Ministern den Vorwurf machen hören, den sie und Deutschland sich im vorigen Jahrhundert machen lassen mußten, daß sie „Menfchenfleisch auf den Fleischmärkten Deutschlands kauften"? o Frankfurt a. M., 22. Dec. Bekanntlich hat die württembergische Regierung in einer der letzten Sitzungen der Bundesversammlung unter Beifügung einer ausführlichen Denkschrift durch ihren Gesandten eine Erklärung überreichen lassen, in welcher sie die beim Bunde erhobenen Be schwerden der württembergischen Standesherren wegen angeblicher Verletzung ihrer standesherrlichcn Rechte als durchaus unbegründet bezeich- net und auf daS allerentschiedenste deren Prätensionen abwcist. Im An schluß hieran übergab der Staatsrath v. Reinhard in der gestrigen Sitzung der Bundesversammlung eine Rückäußcrung seiner Regierung auf eine nach- traglich von einem andern württembergischen Standeehcrrn beim Bunde gestellte Klage. Selbstverständlich war auch diese durchaus abweisender Natur. — Der preußische Gesandte trug im Namen des Ausschusses, welchem die Behandlung der in Antrag gebrachten Aufhebung der Spielbanken ob liegt, auf Vorlage aller mit Spielpächtern abgeschlossenen Verträge an. Die ser Antrag wurde genehmigt. Preußen, t Berlin, 24. Dec. Ueber den Zweck der außerordentlichen Sendungen von Seiten Preußens nach London, Paris und Wien sind di« verschiedensten Andeutungen verbreitet, die indessen mehr oder weniger hem Gebiet der bloßen Vermuthungen angehören dürsten. Wir haben be reits in unserm vorigen Schreiben Gelegenheit genommen, darauf hinzu- weiftn, daß weder Hr. v. Usedom noch Oberst v. Manteuffel beauftragt sein soll, den Beitritt Preußens zu dem Vertrage vom 2. Dec. zu erklä ren, obwol Niemand hier daran zweifelt, daß schließlich der Anschluß an den Dec«mberv«rtrag preußischerseits doch erfolgen werde. Als den eigent lichen Zweck der Sendung des Hrn. v. Usedom und des Obersten v. Man teuffel hören wir in namhaften politischen Kreisen bezeichnen, daß dieselben im Ramen Preußens in London, Paris und Wien darauf zu wirken die Aufgabe hätten, daß die genauere Feststellung der vier Friedensbedingungen in der Art geschehe, daß Rußland daö Eingehen auf dieselben ermöglicht «erde. Ueber diese genauere Feststellung sollen gegenwärtig sehr lebhafte ! Unterhandlungen zwischen den Westmächten und Oesterreich gepflogen wer- ! den. Es wird hier sehr in Abrede gestellt, daß die nähere Deutung der vier Friedensbedingungen schon vor dem Abschluß des DecembervertragS vereinbart worden sei. Ueber eine solche Deutung sei wenigstens bisjeht in > den diplomatischen Kreisen nicht das Geringste bekannt geworden. Im jetzi- gen Augenblick sei dieselbe aber der Hauptgcgenstand der Unterhandlungen ! der verbündeten drei Großmächte. — Aus Petersburg sind, wie man er- ! fährt, noch immer keine bestimmten Nachrichten über die Bereitwilligkeit Le- dortigen Cabinets, auf die FriedenSbedingungen der Westmächte und i Oesterreichs in jedem Falle einzugehen, hier angekommen. In den nächsten Tagen erwartet man auf dem Gebiet der Diplomatie Entscheidendes für die Gestaltung der politischen und verkehrlichen Gesammtverhältnisse, Be deulungsschweres für ganz Europa, das mit ängstlicher Spannung harrt, ob das neue Jahr ihm Frieden oder Krieg bringt. Die in Betreff des letzten russischen Vorschlag- von dem Auswärtigen Amte an die preußischen Gesandten in Paris und London unterm 7.' Dec. gerichtete Depesche (Nr. 299) soll im Petersburger Cabinet eine sehr lebhafte Bewegung her vorgerufen haben. Hier in Berlin hat gerade die Stelle der Depesche allgemeine Anerkennung gefunden, welche in Petersburg so unangenehm berührt zu haben scheint, da man daselbst immer mehr gewahr werden dürfte, daß es mit der erträumten und angemaßten Vormundschaft über Deutschland nichts ist und dieselbe nur ein eitel Trugbild russischer Ucberhebung war. Die Schirmherrnmiene, welche Rußland in der betreffenden Depesche in Bezug auf das gesammte Deutschland angenommeu hatte, konnte nicht verfehlen, in allen hiesigen Kreisen, welche von russischer Bevormundung nichts wissen wollen, Unwillen zu erregen, und diese- unverhohlenen Unwillens kann man sich nur freuen. > — Der Schlesischen Zeitung wird aus Berlin geschrieben: „In der Press« bringt man die Sendung des Hrn. v. Usedom noch in Verbindung mit der Besprechung der norddeutschen Interessen, als da sind: Aufhebung deS SundzollS, Acndcrung der dänischen Erbfolge rc. Wir brauchen wol kaum zu bemerken, daß es nicht diplomatischer Gebrauch ist, verschiedene Angele genheiten auf einmal erledigen zu wollen, und auch Hr. v. Usedom wird in dieser Beziehung keine Schritte »Hun, zumal hier bekannt ist, daß die eng lische Negierung gegenwärtig nicht entfernt daran denkt, sich mit Dänemark wegen dieser Verhältnisse zu verfeinden und sich von den dänischen Häfen ausgeschlossen zu sehen." O Halle, 22. Dec. Heute passirte Emma Herwegh auf der Durch reise von Zürich nach Berlin unsere Stadt. Bekanntlich ist dieselbe noch von 1848 her in Preußen als „Hochverrätherin" steckbrieflich verfolgt. Mit Rücksicht darauf, daß ihre gegenwärtige Reise nur Familienzwecke hat und auch nur von sehr beschränkter Dauer sein soll, hat Hr. v. Hinckeldey ihr jedoch auf vorheriges Ansuchen einen achttägigen Aufenthalt in Berlin gestattet, ihr auch ungefährdete Reise durch Preußen zugesichert. Herwegh selbst lebt in Zürich in großer Zurückgezogenheit, hauptsächlich mit medici- Nischen Studien beschäftigt. Baiern. München, 23. Dec. Die Abgeordnetenkammer hat ge stern Abend die Berathung des Fideicommißgesctzes beendet. 82 Stim men erklärten sich dafür, 47 dagegen; da- Gesetz war somit, da es nicht die zu Verfassungsänderungen nolhige Mehrheit von zwei Dritteln der Stim« men erlangt hatte, verworfen. Fürst Wallerstein hatte bas Wort gegen dasselbe ergriffen. ES sei etwas Ernstes, bemerkte er, an der Verfassung zu rütteln, und ohne überwiegende Gründe dürfe man dies nicht thun. Durch bas Gesetz wolle nicht blos das Grundprincip, daß nur Adelige Fideicom» misse besitzen dürfen, abgeändert werden, sondern eine ganze Materie solle aufhören, unter dem Schutz der besondern Garantie von VerfaffungSgesetzen zu stehen. Er habe sich zwei Fragen gestellt: 1) ob die Ausdehnung des Instituts auf Solche, welche bisher keinen Theil daran hatten, heilsam für die Letzter« sei; 2) ob nicht in dem Entwurf eine Verbesserung wenigstens für Diejenigen liege, welche bisher schon befugt waren, Fideicommissr zu gründen. Beide Fragen seien zu verneinen. Der Redner führte dies nä her aus und schloß damit, daß er sich für eine Verbesserung, aber gegen eine Ausdehnung des FidcicommißcdictS erklärte. — Das Befinden des noch in Darmstadt verweilenden Königs Lud wig, das sich bereits zu der erfreulichsten Besserung angclasscn hatte, ist durch einen Rückfall wieder sehr bedenklich geworden. Am 21. Dec. Nach- niittags fiel der König plötzlich zwei mal hintereinander in Ohnmacht, mit Bewußtlosigkeit verbunden und zwar in einem Grade, daß man an seinem Aufkommen verzweifeln mußte. Doch kehrte nach erfolgreich angewendeten Mitteln das volle Bewußtsein alsbald wieder, um 5 Uhr hatte sich der König wesentlich wieder erholt und um 6 Uhr waren die gefahrdrohenden Zustände vorüber. Vom Morgen des 22. Dec. berichtet ein Bulletin, daß der König die Nacht zwar ruhig zugebracht, aber wenig geschlafen hab«; die Schwäche sei noch groß. Ein Bulletin vom 23. Dec. Morgens lau tet günstiger. Der König hatte die Nacht viel und sehr gut geschlafen und fühlte sich viel kräftiger. AuS München sind die königlichen Leibärzte Gietl und Schrettingcr nach Darmstadt abgereist, wohin am 22. Dec. Mit tags auch König Max nebst Gemahlin abgingen.