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Mittwoch, den 24. Januar 1973, 19.30 Uhr Konzert der Dresdner Philharmonie Dirigent: Lothar Seyfahrt Solist: Annerose Schmidt, Berlin - Klavier PROG RAM M FOLG E Johann Christian Bach 1735 - 1782 Sinfonie B-Dur op 18 Nr. 2 Allegro assai Andante Presto Ludwig van Beethoven 1771 - 1827 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15 Allegro con brio Largo Rondo (Allegro) Robert Schumann 1810 - 1856 Pause Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54 Allegro affettuoso Intermezzo (Andantino grazioso) Allegro vivace ZUR EINFÜHRUNG Johann Christian Bach, jüngster Sohn Johann Sebastian Bachs, wurde nach des Vaters Tod musikalisch ausgebildet von seinem Bruder Carl Philipp Emanuel. 1754 unternahm er eine Italienreise und wurde in Bologna Schüler Padre Martinis. Einige Jahre später ernannte man ihn zum Dom organisten in Mailand, 1762 ging er nach London als Musikmeister der eng- liehen Königin und gründete 1764 gemeinsam mit K. F. Abel die „Bach-Abel- Konzerte". Johann Christian Bach, dessen Ruhm zu Lebzeiten den des Vaters und seiner Brüder weit überstrahlte, allerdings nach seinem Tode rasch ver blaßte, hinterließ ein umfangreiches schöpferisches Werk, etwa 20 Opern, zwei Oratorien, viele Kantaten, Arien, Sinfonien, Klavierkonzerte, Klavier sonaten, Streicher- und Bläserduos, Trios, Quartette, Quintette, Sextette u. a. Erst in unserem Jahrhundert fand das Schaff en des „Mailänder" oder „Londoner" Bach wieder verdiente Wertschätzung. Sein Stil, der die Eigentümlichkeiten der „Mannheimer" mit der anmutig-kantablen italienischen bzw. galanten französischen Manier verband, war von großem Einfluß auf W. A. Mozart, der an seinen Vater über ihn schrieb: ich liebe ihn (wie Sie wohl wissen) von ganzem Herzen - und habe Hochachtung für ihn . . Als Sinfoniker hat Johann Christian unter den Badischen Söhnen wohl die größte Bedeutung. Sein Weg führte von der italienischen Theatersinfonie zur Konzertsinfonie, wobei sich beide Gattungen in der Gesamtanlage wie im Aufbau der einzelnen Sätze - der Typus seiner Sinfonie ist dreisätzig -, in der Bildung und Entwicklung der Themen wie in der Behandlung des Orchesters allerdings völlig gleichen. Unter den über 60 erhaltenen Sin fonien und Ouvertüren des Komponisten ragt die heute erklingende Sinfonie B-Dur op. 18 Nr. 2, die Bach als Ouvertüre für seine Oper „Lucio Silla" (1774) verwendet hat, durch die unbeschwerte Anmut und heitere Grazie, den Esprit der formvollendeten, leichtbeschwingten schnellen Eck' Sätze heraus, die einen von kantabler Melodik erfüllten Andantesatz um schließen. Ludwig van Beethoven hat mit seinen fünf Klavierkonzerten, die er zunächst für sein eigenes öffentliches Wirken als Pianist schrieb, Gipfel werke der virtuosen Konzertliteratur geschaffen. Bereits vor den beiden ersten Klavierkonzerten op. 15 und op. 19 hatte er sich mit der Komposition von Klavierwerken beschäftigt (Trios op. 1, zahlreiche Sonaten) und auf diesem Schaffensgebiet weit eher musikalisches Neuland, neue Klangbezirke erschlossen als in der Sinlonik. Die Klavierkonzerte entstanden etwa parallel zu den ersten sechs Sinfonien. Als sein Gehörleiden den Meister zwang, seine von den Zeitgenossen hochgeschätzte pianistische Tätigkeit aufzugeben, hatte er sein bedeutendstes Klavierkonzert, das fünfte in Es-Dur, bereits geschaffen und die mit dem dritten Konzert einsetzende Entwicklung seines konzertanten Schaffens von aristokratisch-gesellschaftlicher Unterhaltungs kunst zum ideell - schöpferischen Bekenntnis auf den Höhepunkt geführt. Nach Beethovens eigener Mitteilung hat er das als zweites Konzert geltende Opus 19, B-Dur, bereits vor dem ersten, heute erklingenden Konzert in C-Dur, op. 15, komponiert, aber erst 1801 endgültig schriftlich fixiert. Beide Konzerte spielte der Komponist erstmalig 1795 in seinen Wiener Aka demien und - in überarbeiteter Form - Ende Oktober 1798 in Prag. Das Klavierkonzert in C-Dur bewegt sich inhaltlich, stilistisch und formal noch ganz im Rahmen jener „Gesellschaftsmusik", wie sie die Haydn- und Mozart- zeit kannte. Dennoch sind durchaus schon typische Merkmale des späteren Personalstiles des damals erst 25jährigen Komponisten zu erkennen: seine Eigenwilligkeit. Kraft und Phantasie. Das spielfreudige Werk, das dem Solisten mit seinen Verzierungen und brillanten Läufen reichlich Gelegenheit gibt, seine technischen Fertigkeiten zu beweisen, besitzt durch die jugendliche Frische und klassische Klarheit seiner musikalischen Gedanken einen hellen, kraftvollen Charakter, der an die Nähe der 1. Sinfonie erinnert. Klarinetten, Trompeten und Pauken ver stärken noch diesen festlich-optimistischen Eindruck. Wie üblich steht der erste, umfangreichste Satz (Allegro con brio) des Konzerts in Sonatensatzform. Die Orchestereinleitung bringt die Themenaufstellung. Ein akkordisches Marschthema kündigt den strahlenden Charakter des Werkes an. Zunächst leise beginnend, wird es bis zum Tutti gesteigert. In Es-Dur steht das ge sangvolle zweite Thema, das nach einer kurzen Durchführung wieder vom Hauptgedanken und einem marschartigen Nachsatz abgelöst wird. Nun setzt das Soloinstrument ein und leitet zum Hauptthema über, das variiert und mit glanzvollen Passagen umspielt wird. Den Durchführungsteil beherrscht in erster Linie der Solist, obwohl das Orchester durchaus selbständig in die musikalische Entwicklung eingreift und den Satz - nach der solistischen Kadenz - epilogartig beschließt. Von intimem Stimmungsgehalt erfüllt ist der Mittelsatz, ein As-Dur-Largo, das wie eine große lyrische Gesangsszene des Soloinstrumentes anmutet. Innige Empfindungen- drücken das kantable Hauptthema, die reichen Verzierungen und Kantilenen dieses Satzes aus. Das Orchester, mit dem Solisten dialogisierend, steigert den Gefühlsgehalt der musikalischen Aussage. Mit einem übermütigen tanzliedhaften Thema eröffnet das Soloklavier das Rondo-Finale (Allegro). Auch das Kontrast thema berührt wie ein Volkslied. Humorvoll, spritzig ist der Charakter des Finales, das wirkungsvoll das Konzert krönt. Das Klavierkonzert a-Moll op. 54 ist im wesentlichen als eine Frucht der Dresdner Zeit Robert Schumanns anzusehen. Der Komponist hatte zwar schon 1841 den ersten Satz des Konzertes als selbständige „Konzert fantasie für Klavier und Orchester" vollendet, die beiden anderen Sätze und die endgültige Form des Konzertes entstanden jedoch erst vier Jahre später im Laufe des Jahres 1845 in Dresden, und hier fand auch am 4. Dezem ber 1845 die Uraufführung des Werkes unter der Leitung des Komponisten und Dirigenten Ferdinand Hiller mit Clara Schumann als Solistin und dem Hillerschen Konzert-Orchester statt. Kurz danach wurde es auch im Leipziger