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ML mit der Truppenvorschicbung, welche Omer-Pascha soeben am Pruth vor nimmt, würden einige strategische Wichtigkeit gehabt haben, wenn sie um einige Wochen früher vorgenommen worden wären. In diesem Moment haben sie aber nur den Charakter einer Demonstration, denn Bessarabien ist zu weit entfernt, um auf die Vorgänge in der Krim einwirkcn zu können." — Au- dem Tagebnche de« Times-Correspondcnten tragen wir noch Folgende« nach: „3. Növ. Ein sonderbarer Vorfall soll heute inner halb unserer Linien stattgefunden haben, der, wenn er wahr ist, von der Schlauheit de« Feindes und dem Mangel an Geistesgegenwart einiger un serer Offiziere einen schlagenden Beweis gibt. Ein Mann in der Uniform eines französischen Offiziers spazierte heute ruhig durch unsere Linien, war höflich und artig gegen Jedermann, knüpfte Unterhaltung mit Offizieren, die er dort fand, an und kritisirte unsere Stellung um Balaklava. Unsere Offiziere äußerten sich ohne Zweifel ganz aufrichtig vor ihm, zeigten unsere schwache Seite und sprachen von der Schwierigkeit unserer Position. Zuletzt wurde ein Offizier vom 79. Regiment, der ein schärferes Ohr haben mochte, aufmerksam auf den etwas fremdartigen Accent des soi-Uisunt Franzosen, war aber seiner Sache nicht ganz sicher und sendete deshalb Jemanden an Sir Collin Campbell mit der Nachricht, daß sich wahrscheinlich ein Spion unter ihnen befinde. Indessen mußte das scharfe Auge des vermeintlichen französischen Offiziers die Absendung des Boten bemerkt haben, er zog sich allmälig nach dem Thale zurück, aber in so natürlicher Weise, daß der arg wöhnende Offizier und Die, welchen er seine Muthmaßung mitgethcilt hatte, noch immer nicht wußten, woran sie waren, bis plötzlich der schlaue Kund schafter seine Schritte verdoppelte und durch unsere Vorposten den russischen Linien zueilte. Aehnliches ereignete sich vor einigen Tagen in Balaklava. Die Schildwache vor dem Hause des Provost-Marschall sah Abends bei Mondschein ein mit einem Mchlsack beladenes Pferd ohne Führer durch die Straße kommen. Sic trat hinzu, um da« Thier zu ergreifen, als sich der Mehlsack plötzlich in einen dicken Kosackcn verwandelte, der aufsaß und da- vonlrabte, noch ehe die Schildwache zur Besinnung gekommen war." — Ein Corrcspondcnt der wiener «Presse» schreibt aus Konstantinopel: „Viele wundern sich darüber, daß die Türken bei dem Kampfe am 5. Nov. gar nicht mitgewirkt haben. Es erklärt sich das ganz einfach daraus, daß die von Konstantinopel gesendeten Truppen größtenthcils aus Nediss bestehen, welche bereits mehre Jahre in ihrer Heimat zugebrachl haben und an die Strapazen des Kriegs nicht gewöhnt sind; die verbündeten Generale beschäftigen sie deshalb vorzugsweise in den Laufgräben und bei dem Trans port der Lebensmittel und der Munition von den Schiffen ins Lager." — Die Allgemeine Zeitung bringt eine Vergleichung der Verluste vom 5. Nov. mit den in andern Gefechten. „Wenn wir", sagt sic, „die Action bei Inkerman zu acht Stunden annchmen, von 6 Uhr Morgens bis 2 Uhr Nachmittage, so ergibt sich, daß ein Verlust von 286 Mann überhaupt und 36 Mann per Stunde auf 1000 Mann stattfand. Wir schlagen dabei den russischen Verlust der officiellen Angabe nach zu 8760, den englischen zu 2370, den französischen zu 1726 Tobten und Verwundeten an und setzen voraus, daß 8000 Engländer und 6000 Franzosen gegen 3!,000 Russen gefochten haben. Dieser Verlust stimmt überein mit dem in der zehnstün digen Schlacht bei Zorndorf, wo 36 Tobte und Verwundete per Stunde auf 1000 Mann kamen; er ist größer als in der Schlacht bei Borodino, denn der Verlust per 1000 war dort überhaupt nur 288, da die Schlacht aber zwölf Stunden dauerte, nur 24 per Stunde. In der Schlacht bei Kunersdorf, die ebenfalls acht Stunden dauerte, blieben dagegen 37 auf 1000 Mann, überhaupt 4 >50, per Stunde 294 auf 10M Mann. Die blutigste aller Schlachten der neuen Geschichte im Vcrhältniß zu den Massen ist jedoch Zorndorf mit 355 Totalvcrlust auf 1000 Manu, mehr als ein Dritthcil der cngagirtcn Truppen. Wenngleich anscheinend die Affaire von Lcuthen noch blutiger war, 46 auf 1000 Mann per Stunde, so ist dies doch nur im Vergleich zur Zeit, nicht im Allgemeinen der Fall, denn sie dauerte nur vier Stunden. Man wird daraus erkennen, daß die Gefechte mit den Russen stets die blutigsten waren, und sie sind es geblieben bis heute. Wir wiederholen, daß bei Inkerman der Verlust per Stunde fast genau der von Zorndorf und Kunersdorf ist." ^Konstantinopel, 20. Nov. Von der Krim ist gestern der Her zog von Cambridge hier angekommen, um seine Gesundheit zu pfle gen. Kein Wunder, denn wir wissen nun leider, daß der Orkan vom 14. zum 15. Nov., welcher hier so sehr gcwüthet, auch in der Krim und an der Küste den Alliirten bedeutenden Schaden verursacht; alle Zelte wur den umgeworfen; am empfindlichsten war dies für die schweren Kranken im dortigen Spital, dessen Wände über die Unglücklichen zusammenstürztcn, Vielen neue Wunden brachten und Andere begruben. Die Schiffe an den Küsten litten ebenfalls sehr. -s-Von der Donau, 26. Nov. Die bevorstehende Operation der tür kischen Donauarmcc gegen Bessarabien ist in militärischer wie in po litischer Hinsicht von großer Bedeutung. In ersterer Rücksicht macht sie den Russen in der Krim eine, wenn auch sehr verspätete Diversion. Man kann diese Verspätung damit entschuldigen, daß ein großer Theil der türki schen Armee anfänglich zur Unterstützung der Krimexpcdition bestimmt war und daher nicht alsbald gegen Bessarabien wirken konnte, dann, daß die großen in Südrußland zusammengezogenen Streitkräfte immer eine Verstär kung der Mcntschikow'schen Armee möglich machten, wenn auch die Corps in Bessarabien nicht Truppen dahin hätten abrücken lassen. Jetzt wird es darauf ankommen, daß die Russen nicht ihre an der galizischen Grenze, in der Ukraine und Podvlien zufammcngezogenen Corps mit der Armee von Bessarabien vereinigen; denn sonst dürften sie Omer-Pascha bei ihrer nu merischen Ueberlcgenheit leicht schlagen. Hier wäre für die Alliirten ein« Hülfe Oesterreichs, wenn auch nur durch Demonstrationen, sehr nsthwen- big. Bewegungen unter dem österreichischen CorpS in Galizien würden die Russen m Volhynien und weiter südlich festhaltcn und verhindern, nach Bessarabien zu marschiren. Man darf hoffen, daß Oesterreich diese indi rekte Hülfe leisten wird. Besonders wichtig ist aber der türkische Angriff in politischer Hinsicht. Er geschieht nach richtigen strategischen Grundsätzen nicht von der Dobrudscha und der Donau her, sondern gegen den Pruth, wodurch der Uebergang über die Donau unnöthig, die an derselben stehende russische Armee in der rechten Flanke bedroht und diesen Strom sammt ih rer Donauflotille ohne Schwertstreich zu verlassen genöthigt wird. Die Türken dringen über den Sereth gegen den Pruth mitten durch die Oester- reicher und von diesen gedeckt vor. Werden sie, was eben nicht unmöglich ist, von den Russen geschlagen, so dürfen diese ihren Sieg nicht verfolgen, sondern müssen am Pruth, dessen Ueberschreitung Oesterreich mit dem In- terdict belegt hat, stehen bleiben und die Türken im Frieden ziehen lassen. Die Russe» müßten Wasser statt Blut in ihren Adern haben, wenn sie so verführen. Dennoch hätte ein neues Verrücken derselben in die Moldau den Krieg mit Oesterreich zur Folge und damit zugleich den Bruch mit Preußen. Die bevorstehende türkische Operation nach Bessarabien ist, wir wiederholen es, von der höchsten Bedeutung. — Da« Journal de Constantinople vom 19. Nov. meldet, daß Berich ten aus Bukarest vom 11. Nov. zufolge die türkische Armee in forcir- ten Märschen über den Pruth nach Bessarabien gehen und die Russen an greifen soll. 30,000 Mann begeben sich unter dem Befehl des frühern Commandanten Achmed»Pascha nach Babadog, um die Donau im Auge zu behalten. Von diesem Corps werden 4—5000 Mann mit Skanderbeg nach der Dobrudscha detachirt werden, um bis JSmail vorzudringen und die russischen Werke zu zerstören. Der Nest der Armee steht in der Um gegend von Bukarest und Giurgewo. Die Cavalerie unter Halim-Pascha ist bereits in der Richtung von Fokschani vorwärtsgegangen. Das Gros der türkischen Streitkräfte unter Omer-Pascha, etwa 68,000 Mann Infan terie stark, erwartet blo« das Aufhören des schlechten Wetters und des Regens, um sich gegen den Pruth in Marsch zu setzen. Tossun-Pascha entsendet nach Bukarest die Truppen, welche er in Nustfchuk hatte und von denen 8000 Mann Infanterie unter seinem unmittelbaren Befehl in Bukarest garnisoniren werden. Das Hauptquartier wird nach der Haupt stadt der Walachei verlegt. Der Schlesischen Zeitung schreibt man aus Wien vom 28. Nov.: „Aus den Donaufürstcnthümern wird gemeldet, daß die Zahl der in der südlichen Moldau sich sammelnden türkischen Truppen fortwährend wächst, aber vor dem Eintreten des Froflwelters nicht an den Beginn der Opera tionen zu denken sei. Die Besatzung von Braila war gleichfalls gegen Bessarabien vorgeschoben und durch neue donauwärts ziehende Truppen er setzt worden. Der englische General Duplat, der sich bereits auf dem Wege der Besserung befindet, wird sich, sobald die Feindseligkeiten am Pruth beginnen, sofort von Wien in die Moldau begeben." Mm e ri ko. Englische Blatter bringen die Beschreibung des Schiffbruchs des Uanke-Blade, welcher am 29. Sept. San-Francisco mit 1000 Passa gieren und 150,000 Doll, in Goldstaub am Bord verließ und am I.Oct. 16 (engl) Meilen von Pointconccption, etwa 250 Meilen von San-Fran cisco und nur 1'/- Meile vom Ufer auf den Grund fuhr und leck wurde. „Als die Hoffnung aufgegebcn werden mußte, das Fahrzeug wieder flott zu machen, wurden die Boote niedergelassen, und gegen alle seemännische Praxis waren cs die Offiziere des Uankcc-Blade, die sich zuerst mit unan ständiger Hast in Sicherheit brachten. Die Boow, vier an der Zahl, wa- reu im Nu mit Menschen angefüllt. Eins von ihnen, mit 20 Personen, welche meistens Frauen und Kinder waren, gericlh in die hochgehende Bran dung und schlug um, ging aber nicht unter, weil cs ein Lebensrcttungsboot war. Daher glückte cs fünf Personen, sich an dasselbe zu klammern und endlich ans Ufer geworfen zu werden. Die Uebrigen fanden ihr Grab in der See. Ein zweites Boot schlug gleichfalls um und die meisten seiner Passagiere kamen ums Leben. Es waren daher nur noch zwei Boote übrig, "um, nachdem sie ihre erste Ladung ans Ufer gebracht hatten, noch 850 Seelen zu retten. Jndcß rückte die Nacht heran, der Wind blies heftiger und die See ward immer stürmischer. Dennoch kehrten die Boote zum Wrack zurück und nahmen soviel Menschen ein, als sie nur faßten konnten. Als aber nun auch dichter Nebel aufsticg und die Nacht ihr Dunkel zu verbrei ten anfing, mußten die Boote ihre Fahrten einstellen, und als bei ihrer letzten An kunft am Wrack die noch nicht geretteten Passagiere erfuhren, daß die Ret ter in dieser Nacht nicht wieder zurückkchren würden, wurden Viele völlig rasend und machten, selbst als die Boote schon ganz gefüllt waren, noch den verzweifelten Versuch mitzukommen, indem sie sich in das wogende Meer stürzten und die Hände nach dem Rande der Boote ausstreckten. Al lein diese Unglücklichen wurden vom Strudel ergriffen und versanken in die Tiefe. Andere sprangen über Bord in der Hoffnung, durch die Bran dung ans Ufer schwimmen zu können; vergebliches Bemühen! Sie muß ten von einer See verschlungen werden, auf der nicht einmal eine Ente hätte schwimmen können. 150 — 200 Menschen kamen bei dieser traurigen Ka tastrophe ums Leben. Als die rettenden Fahrzeuge vom Wrack abgesto- ßcn waren, um in dieser Nacht nicht wiedcrzukommen, und die Stacht mit allen ihren Schrecknissen hcreingcbrochen war, wurde die Scene auf dem