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2368 v Berlin, HO. Nov. Man versichert, daß eine gestern Abend einge- troffenr telegraphische Depesche aus Petersburg eine „mehr positive" Antwort in Bezug auf die vier Garantien angekündigl har. Die mit die ser Ankündigung zusammenhängende Note wird erwartet und es wird sich zeigrn, ob dieselbe wirklich positivere Zusagen enthält al- die letzte vom 25. Oct. Wie man jetzt hört, soll die in der ersten Hafte des November in Wien eingetroffene Note mit der fast um dieselbe Zeit Hrn. v. Budberg zugegangciien in ihren Vorbehalten übereinsiimmen. — Der Tod der Prin zessin Karoline von Hessen (geb. 29. Juli 1799), Schwester des re gierenden Kurfürsten und Cousine des Königs, hat die Hvffeste unterbro chen; die Galaoper und die andern Festlichkeiten sind abgesagt worden. — Das belgische Gesetz über das Verbot der Getreideausfuhr, am 27. Nov. von der Nepräsentantenkammer angenommen, hat hier nicht wenig überrascht. Die heutige Thronrede gedenkt einer in Preußen vorgczogencn liberalern Maßregel, der infolge der Thcuerung im Gcgenthcil angcvrdneten zollfreien Einfuhr der nothwendigsten Lebensmittel. Es soll hier in entschei denden Kreisen die Frage, ob nicht Repressalien gegen Belgien zu ergreifen wären, angeregt worden sein. — Die Befürchtung, Graf v. Schwerin dürfte durch eine Ernennung als Mitglied der l. Kammer aus der li. Kam mer scheiden, beruht bisjeht nur auf einem Gerücht, das wol sehr der Be stätigung bedarf. — Die Thronrede lautet allerdings friedlich und Mehre wollen darin die Andeutung erkennen, daß Preußen die bisher befolgte Po litik, sollte cS nöthig sein, nach jeder Seite hin, in seiner Kriegsbereitschaft verlheidigen werde. Die am 26. Nov. eingelretcne Erweiterung dis Aprils Vertrags scheint einer andern, dem europäischen Einverständniß mehr adä quaten Auffassung Naum zu geben. — Ein berliner Correspondcnl der Schlesischen Zeitung sagt: „Was die Stellung unserer Negierung betrifft, so ist dieselbe augenblicklich bei der Einleitung der Verhandlung mit den West Mächten nicht bctheiligt, und nachdem sie Rußland zur Annahme der vier Garantiepunkte bestimmt hat, wird es Oesterreichs Sache sein, denselben in Paris und London Ein gang zu verschaffen." — Der Weimarischcn Zeitung wird von der preußischen Saale vom 28. Nov. geschrieben: „ES werden in den nächste» Tagen mehre Truppen theile, die bisher in der Rheinprovinz, namentlich in Köln und Deutz, garnisonirten, mittels Eisenbahn nach den östlichen Provinzen der Monar chie Lirigirt werden." * Aus dem Großherzogthum Posen, 29. Nov. Unter den jetzigen Umständen, wo den Polen zur Wiederherstellung ihres Reichs nicht ge ring anzuschlagende Hoffnungen und Aussichten sich eröffnen, ist es von Interesse, die Lage und Stimmung unserer Provinz einer solchen Eventua lität gegenüber ins Auge zu fassen. Denn offenbar wird die preußische Politik in der orientalischen Angelegenheit jetzt auch dadurch so lange in der Schwebe gehalten, daß ihr eine Machtverminderung Rußlands, herbeige führt durch den Verlust seiner polnischen Provinzen, auch den Verlust der preußisch-polnischen Besitzthcile fürchten läßt. Der Besitz derselben ist aber eine Lebensfrage für Preußen. Wenn cs Wcsipreußcn wieder ablreten soll, verliert es die Verbindung Ostpreußens mit dem übrigen Staate; dies be wog selbst Napoleon I., diese Provinz im Tilsiter Frieden bei Preußen zu lassen. Posen ist aber die Vormauer Berlins gegen den Osten. Preußen kann daher auch diese Provinz nicht aufgebcn, ohne seine Existenz zu gc- fährdcn. Indessen ist dies auch zu einer Wiederherstellung Polens nicht nöthig; denn diese Provinz besitzt dem unermeßlichen Gebiet des russischen Polen gegenüber nur ein kleines Areal und, was die Hauptsache, ist jetzt zum größten Theil gcrmanisirt. Die polnische Geistlichkeit und der polni sche Adel zwar würden eine Vereinigung mit einem wiedcrhcrgcstclltcn pol nischen Reiche mit allen Kräften fördern; allein der Protestantismus hat in der Provinz durch die Einwanderung und Ansässigmachung vieler Deut schen, durch Erbauung evangelischer Kirchen und Errichtung neuer Kirch spiele bedeutendes Terrain gewonnen, und ein sehr großer Theil der Güter des Großherzogthums ist in die Hände deutscher Gutsbesitzer übergegangen. Das Ueberwiegen des deutschen Elements zeigte sich deutlich bei den letzten Wahlen zum Provinziallandtage. Sie fielen beim ersten und zweiten Stande fast ganz, beim dritten aber gänzlich auf deutsche Deputirte. Das Vcr- hältniß der Nationalitäten auf dem poscnschen Provinziallandtage stellt sich in folgender Ziffer dar: 55 deutsche zu 15 polnischen gewählten Mitglie dern. Eine so zusammengesetzte und gestimmte Bevölkerung von Deutsch land losreißcn und Polen zuwcisen, hieße den Grundsatz der Nationalität überhaupt und der deutschen insbesondere beleidigen. Thüringische Staaten, -f-Aus Thüringen, 50. Nov. Im Mag deburger Korrespondenten finden wir einen mysteriösen Zeitungsartikel aus Thüringen, in welchem von bedeutenden Spaltungen berichtet wird, die infolge der orientalischen Frage unter den cngbcfrenndcten thüringischen Re gierungen entstanden und bereits zu einem solchen Grade gediehen sein sol len, daß sie sich bald „auch äußerlich in der Vertretung der betreffenden Regierungen an befreundeten Höfen Und am Bundestag manifestircn dürf ten". (Nr. 281.) Wir würden diese aller und jeder Begründung enlbch- rcnde Mitthcilung ganz auf sich beruhen lassen, wenn nicht der Korrespon dent die Gelegenheit benutzte, um, wie hier und da auch sonst in der Presse geschehen, auf äußere Einflüsse hinzudcuten, welche schon bei frühem Ver anlassungen, „als es sich um eine einheitliche Gestaltung Deutschlands und später um die Aufrcchthaltung des Zollvereins handelte", und jetzt wieder bei Behandlung der orientalischen Frage bei den bezeichneten Negierungen versucht worden und wirksam gewesen wären. Soweit unsere ziemlich gc- j naue Kenntniß der Sachlage reicht, ist von solchen Einflüssen weder früher noch jetzt bei den thüringischen Regierungen die Rede gewesen. Vielmehr haben diese zu allen Zeiten, wenn sie ihrer Kleinheit ungeachtet berufen wa ren, in großen politischen Fragen eine eigene Meinung auszusprechcn, den Gesichtspunkt festgehalten, daß ihr cigeueS richtig erkanntes Wohl lediglich in dem Wohl und Gedeihen des gesammten Deutschland fest begründet sein könne. Dieser Rücksicht haben sic alle andern Rücksichten stctS und auch bei der jetzigen Frage untergeordnet. Damit wäre eS aber in sehr grellem Widerspruch gewesen, hätten sie einem fremden Einfluß, möchte er nun von Osten oder von Westen gekommen oder im Innern in antinationalem Geist hervorgelreten sein, irgendeinen Einfluß gestatten wollen. Wir-hoffen auf das lebhafteste, daß die thüringischen Regierungen diesen Gesichtspunkt auch ferner festhaltcn werden, und wüßten nicht, woher dann die Veran lassung zu Spaltungen kommen sollte, zumal wenn, wozu ja diese erfreu liche Vereinigung der beiden Großmächte alle Aussicht bietet, Deutschland jetzt und zu allen Zeiten die kräftige Selbständigkeit erlangt und nach allen Seiten sich bewahrt, zu welcher es vor allem den Beruf in sich trägt.! Freie Städte. Hamburg, 28. Nov. Harro Harring, dieser Tage hier verhaftet (Nr. 280), ist infolge Einschreitens des Konsuls der Verei nigten Staaten von Nordamerika wieder freigegeben worden. Er begibt sich von hier nach London. Oesterreich. Die Ost-Deutsche Post sagt in einem Artikel vom 29. Nov.: „Wir haben zu wiederholten malen unsere aus untrüglichen Quellen geschöpfte Ucberzeugung ausgesprochen, daß bei dem Vertrage, den Oesterreich nun mit Preußen abgeschlossen hat, seitens des hiesigen Cabinets auch nicht die mindeste Concession gemacht wurde, welche nachderhand die freie Ent schließung und selbständige Handlungsweise Oesterreichs als Großmacht zu beeinträchtigen im Stande wäre, und daß noch viel weniger irgendeine Ver bindlichkeit eingegangen wurde, welche jetzt oder in Zukunft die bisherige intime Stellung Oesterreichs zu den Westmächten trüben oder verändern könnte. Der Vertrag mit Preußen hat keinen andern Sinn als den: daß es Oesterreich gelungen ist, Preußen und den Deutschen Bund der Allianz mit den Westmächten zu nähern; er hat aber durchaus nicht den Sinn, daß cs etwa Preußen gelungen ist, Oesterreich von der Allianz mit den Wcsimächlcn, in welcher es sich, wen» auch noch nicht tractalmäßig, doch jedenfalls moralisch befindet, abzuzichcn!" — Das Verbot der Aus- und Durchfuhr von Waffen und Muni tion in der Richtung über die österreichische Staatsgrenze gegen die Für stenthümer Moldau und Walachei ist aufgehoben worden. In den übrigen Richtungen bleiben die Bestimmungen des Erlasses vom 51. Mai d. I. in Wirksamkeit. — Am 28. Nov. sind in Wien an der Cholera 20 Personen erkrankt, 15 genesen und 9 gestorben. In der Behandlung verbleiben 264 Kranke. Seit dem Beginn der Epidemie sind 4916 Personen erkrankt, 3110 gene sen und 1542 gestorben. Btalien. Sardinien. Turin, 27. Nov. Die Gazctta militare meldet ge rüchtweise die Absendung einiger Linienregimcnter und zweier Batterien nach Sarzana an der picmontcsischen Grenze. Wie hierhergcmeldet wird, hat die pariser Handelskammer beschlossen, den Bau einer piemontesi- schen Zweigbahn selbst zu übernehmen, oder sich am diesfallsigen Vor schläge einer englischen Gesellschaft durch Aktien zu betheiligen. Neapel und Sicilien. Aus Neapel vom 17. Nov. wird der Morning Post geschrieben: „Vor einiger Zeit kam ein amerikanischer Bürger, Namens Carbone, nach Messina ohne das Visum des neapoli tanischen Geschäftsträgers in Genua. Letzterer weigerte sich, den Paß deS (naturalisirten) Amerikaners zu visiren, weil ein anderer Signor Carbone, ein Verwandter des Naturalisirten, auf der Polizeiliste der Verdächtigen sicht. In Mcssina angckommcn, wurde Carbone ohne weiteres ins Gc- fängniß geworfen und gegen alles Recht darin festgehaltcn. Da nun Hr. Owen, der amerikanische Geschäftsträger in Neapel, in schr entschiedenem Tone seine Freilassung foderte, wurde besagter Carbone im Kerker zur Un terzeichnung einer Erklärung veranlaßt, daß er ein Unterthan «Sr. sicili- schen Majestät» und kein naturalisirtcr Amerikaner sei. Darüber wurde das Cabinet von Washington höchst entrüstet und gab Hrn. Owen die Weisung, die ganze Angelegenheit streng zu untersuchen und auf Genug- lhuung für die beleidigte Nationalehre wie auf Entschädigung Hrn. Car- bonc's zu bestehen." Frankreich. Paris, 28. Nov. Die Einberufung des englischen Parlaments auf den 12. Dec. wird als das erste Ergebniß der Verhandlungen zwischen dem Kaiser und Lord Palmerston angesehen. Ein Theil unser? Publikums ist durch die außerordentliche Maßregel, die nur in den wichtigsten Fällen angcordnet. zu werden pflegt, erschreckt, als ob es noch eines Beweises be dürfte, daß der Moment bedeutungsvoll und folgenreich sei. Der andere Thril des Publicums freut sich des Schritts der britischen Negierung, wel cher besser als Berichte und Zeitungsartikel thatsächlich anzeigt, daß die Westmächte die kleinen Behelfe: kriegerische Demonstrationen, gewagte zwei felhafte Handstreiche, unzureichende Gefechte, die für den Waffenruhm, aber nicht für das positive Ergebniß, für den praktischen, meßbaren Erfolg hin- rcichcn, verabschieden, um zu einer Kraftentwickelung zu schreiten, die ihrer und der großen Interessen, welche sie verfechten, würdig sei. Die Einen wollen aus dieser frühen Versammlung der Vertreter der englischen Nation auf eine Kluft zwischen dem Westen und Mitteleuropa schließen, die durch