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2268 der Verhaftet«« soll man einen Theil einer telegraphischen Depesche de- Grafen Nesselrode an den russischen Gesandten in Dresden vorgefunden ha ben, wodurch glücklicherweise für die Ucberführung der bei diesem Betrug Betheiligten ein Beweismittel in den Händen der Behörden ist. Man ist hier der Ansicht, daß infolge der Entdeckung des großen MiSbrauchS, wel cher mit telegraphischen Depeschen auf diese Weise getrieben worden ist, durchgreifende Aenderungen in Bezug auf die Einrichtungen drS Telegra- phcnwesens vorgrnommen werden dürsten. Das hiesige Handelsministerium wird zweifelsohne mit allem Nachdruck dahin wirken, daß der Wiederholung eines solchen betrügerischen Unfugs für die Folge auf das umsichtigste vor- gebeugt werde. Welch großer Verbesserungen das Tclcgraphenwrscn im Allgemeinen noch bedarf, tritt immer klarer vor Augen. — Für die pracht vollere Ausschmückung des Saals der I. Kammer werden die Arbeiten mit den, größten Eifer jetzt betrieben. Es sind 248 Sitze eingerichtet wor- den, woraus zu schließen sein möchte, baß außer den 218 bereits gewählten und dem König zur Bestätigung vorgcschlagcnen Mitgliedern der neuen I. Kammer noch mehre Ernennungen durch den König zu erwarten sind. 3» letzterer Hinsicht hören wir andeuten, daß alle Wahlen erst abgcwartet würden, bevor der König mit den Ernennungen der Mitglieder auf Lebens zeit vorgehe. Geistig hervorragende Männer und namhafte Nednertalente dürften für die letztere Kategorie besonders ins Auge gefaßt werden, um der I. Kammer auch in dieser Beziehung den nöthige» Glanz zu verleihen. — Die Bemühungen Preußens, die übrigen Staaten des Zollvereins zu veranlassen, auf der großen pariser Aufstellung im künftigen Jahre mit ihm als ein Ganzes in Vertretung des gesammten Zollvereins, den übrigen Nationen gegenüber, aufzutreten, haben, wie wir hören, nicht den gewünschten Erfolg gehabt, sodaß also jeder Zollvercinssiaat in Paris ge sondert für sich auftreten wird. Es liegt auf der Hand, daß dies nur zum Nachtheile der einzelnen Zollvercinsstaaten sein kann, indem ein glänzendes, hervorragendes Auftreten der Gesammtheil des Zollvereins jedem Einzelnen zugute gekommen sein würde und auch die übrigen Nationen zur Anknü pfung von Handelsverbindungen, einem großen Ganzen gegenüber, eher an geregt worden wären. — Die Neue Preußische Zeitung berichtet: „Wegen der bekannten Mis- bräuche, welche das leipziger Meßcontenwesen herbcigeführt, hat jetzt das königliche Obertribunal eine wichtige Entscheidung gefällt. Einer der deshalb verurtheilten hiesigen Kaufleute, der durch zwei gleichlautende Er- kcnntnisse zu einer namhaften Strafe vcrurthcilt worden war, hat dagegen die Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt und darin den von allen Angeklagten eingebrachtcn Einwand gemacht, daß die Sache nach dem sächsischen Rechte zu bcurtheilen sei und daher die nach diesem Gesetz kürzere (dreijährige) Verjährungsfrist angewcndct werden müsse. Das königliche Obcrtribunal hat jedoch diesen Einwand verworfen und lediglich das zweite Erkenntniß bestätigt, indem es ausgeführt, daß nur nach sächsischem Rechte zu bcur- theilen sei, ob die Handlung überhaupt strafbar, und daß dann in diesem Kalle die preußischen Gesetze zur Anwendung kommen müßten." Thüringische Staaten. "Altenburg, 14. Nov. Nachdem am gestrigen Tage eine vorbereitende Sitzung der Landschaft im gewöhnli chen Sitzungslocal behufs der Verpflichtung der Abgeordneten und der Wahl «ineS Präsidenten stattgefunden hatte, erfolgte heule im Kirchensaal des her zoglichen ResidenzschloffeS die feierliche Eröffnung des ordentlichen Landtags durch den dazu höchsten Ort- beauftragten Minister v. Larisch, indem der Herzog dies, wie beabsichtigt war, in Person zu thun durch ein plötzlich «ingetretenes bedaucrnswerthes Unwohlsein abgehaltcn worden war. Die Vorlagen sind vielfacher und wichtiger Art und komme ich später darauf zurück. Daß auch ein neue- Wahlgesetz vorgelegt werden würde, hatte man zwar nicht erwartet, indem daS seitherige, wenn auch theoretisch man chem gegründeten Tadel ausgesetzt, unbestritten seit seinem Bestehen gün stige Resultate, insbesondere auch für die Inlensionen des Gouvernements, ergeben halte, konnte aber keinem Zweifel unterliegen, nachdem erst vor kurzem ein kleines hier erscheinendes Localblalt, das in der Regel nur po litisch raisonnirt, wenn der Landtag zusammentritt, und das für seine Nai- sonnements wegen der Persönlichkeit seiner Mitarbeiter wenn auch noch nicht ganz einen officiösen Anstrich hat, doch bezüglich der höher» Absichten Las Vertrauen eines zuverlässigen Wetteranzeigers genießt, das bisherige Wahlgesetz tadelnd besprochen und Grundsätze für ein neues aufstellte. Das Gesicht der Landschaft ist im Ganzen dasselbe wie das der vorigen: Juristen, namentlich Beamte, und Bauern; der Bürgerstand ist fast gar nicht vertreten, wenn man dies nicht in der Vertretung durch Communal- beamte vielleicht gerade an, passendsten finden will. Die Menge Beamter in der Kammer und daß diese es theilweise sind, die den liberal-konserva tiven Standpunkt gegen den puren Conservatismus der StaatSregicrung vertreten, scheint indessen gerade den Anstoß gegen das Wahlgesetz und seine Resultate zu bilden. Die Wahl des Präsidenten siel diesmal nicht wieder auf den vorigen Präsidenten, Geheimrath v. d. Gabclenß, sondern auf den Geh. Justizrath Wagner. Es hat dies vielfach Aufsehen erregt, hätte aber unscrs Dafürhaltens nach schon dadurch allein erklärlich erschei nen sollen, daß Hr. v. d. Gabelentz seinen Wohnsitz während des Landtags gar nicht in der Stadt nimmt, sondern auf seinem von der Stadt ent fernten Gute behält. — In der vorigen Woche haben hier verschiedene öffentliche Sitzungen des Gerichtshofs, der für schwere Criminalverbre- chen zuständigen Behörde, stattgcfundcn und durch die würdige, gründliche Behandlung von Seiten der Behörde, der Staatsanwaltschaft und wenig stens zum großen Theil auch der Vertheidiger lebhaftes Interesse erregt und zahlreiche Theilnahme gefunden. Oesterreich, o Wien, 15- Nov. Von verschiedenen Seiten wird die Behauptung aufgestellt, daß auS Anlaß der Unterhandlungen mit dem Frhrn. v. d. Pfordten daS Berhäliniß Oesterreichs zu England und Frankreich eine den letzter» Mächten nicht günstige Modifikation erfah ren habe, und daß man in London und Paris namentlich die Erklärung des österreichischen CabinctS, die bekannten vier Friedensbürgschaftcn genauer formuliren zu wollen, misliebig ausgenommen habe. Es liegt auf der Hand, daß man in gewissen Kreisen es sehr gern sehen würde, wenn sich diese Annahme bestätigen möchte, waö jedoch glücklicherweise nicht der Fall ist, denn es kann im Gegentheil versichert werde», dzß Graf Buol die Gesand ten der Westmächte über den Gang sowie über das schließliche Resultat der Verhandlungen mit dem bairischen Ministerpräsidenten auf das ge- naueste unterrichtet hat, und niemals irgendein auf die diesseitige Politik Bezug habendes Geheimniß zwischen dem österreichischen Cabinet und den westlichen Negierungen bestanden hat. Wäre dies der Fall, so hätten Graf Westmoreland und Baron de Bourqueney aus Anlaß der Unterhandlungen mit dem Frhrn. v. d. Pfordten dem Grafen Buol gewiß nicht im Namen ihrer Regierungen ihre Befriedigung ausgedrückt und schließlich unaufge- fodert ihre Zustimmung zu der Eröffnung des österreichischen Ministers ge geben, die bekannten vier Garanticpunkte genauer zu formuliren, um dadurch einem von dem berliner Cabinet ausgesprochene» Wunscke zu entsprechen. Daß dies aber geschehen, beweist Zweierlei: 1) daß das Verhältniß Oester- reiche zu den Westmächlen in keiner Weise alterirt worden ist, und 2) daß man hier entschlossen ist, auch fernerhin seine Politik von der der West mächte nicht zu trennen, was namentlich insofern zu beachten ist, als hier mit zugleich gesagt ist, daß die vier Garanliepunkte in Petersburg auch- dann nicht als den russischen Intentionen entsprechend erkannt werden dürf ten, wenn sie von Oesterreich genauer und bestimmter formulirt sein wer den, da sie dem Wesen, d. h. dem Inhalt nach doch immer identisch blei ben mit den von den Westmächten aufgestellten Bürgschaften. — Am 11. Nov. sind in Wien 43 Personen an der Cholera er krankt, 72 genesen und 19 gestorben. Am 12. Nov. hat die Zahl der Erkrankten gleichfalls 43, dagegen die der Genesenen 101 und die der Ver storbenen 6 betragen. Ani 13. Nov. sind 40 Personen erkrankt, 158 genesen und 12 gestorben. In Behandlung verbleiben 550. Es macht sich also eine bedeutende Abnahme der Krankheit bemerklich. Seit dem Aus bruche der Epidemie sind 4491 Personen erkrankt, 2516 genesen und 1425 gestorben. » — ES wurde bereits vor einiger Zeit die von mehren Blättern gebrachte Nachricht, daß in Oesterreich der Erlaß eines BürgerwehrgesetzeS be vorstehend sei, als falsch bezeichnet. Da die Jnde'pendance belge diese Mel dung neuestens mit der Variante vorführt, daß der betreffende Gesetzent wurf im Ministerium des Innern auSgearbcitet werde, so wiederholt di« Oesterreichische Eorrespondenz mit der Bemerkung die früher« Widerlegung, daß die in einen, großen englischen Blatte kürzlich aus Wien telegraphirtc- Nachricht, die Oesterreichische Eorrespondenz melde, daß die gesammte österreichische Armee bis zum 31. Jan. 1855 auf den Kriegsfuß gestellt werden solle, niemals in der Ocsterreichischcn Eorrespondenz enthalten war- Frankreich. Paris, 13. Nov. Den, französischen Charakter gemäß, der fast im mer zwischen Extremen schwankt, herrscht heute überall Jubel infolge der gestrigen und heutigen Mittheilungcn im Moniteur über die Ereignisse vor Sewastopol. Das Publicum und besonders die Börse lassen sich von allen Schwankungen, die von jedem kriegerischen Unternehmen unzertrenn lich sind, allzu sehr hinreißcn, und wenn dieses einerseits die außerordent liche Theilnahme beweist, mit welcher unsere Bevölkerung den Ereignissen Schritt für Schritt folgt, so beweist cs andererseits Unsicherheit des Urtheils und jene Schwäche, welche die Widerwärtigkeit sowol als den Erfolg über schätzt. Befremdend dünkt es uns, daß man in Rcgierungskreisen auch jetzt noch auf die herrschende Stimmung auf den, Geldmarkt ein so große- Gewicht legt. Vor dem Beginn des Kriegs im Morgenlande mochte man wol in den höhcrn Regionen zu den erfoderlichen Regierung-Mitteln die Erhaltung der Curse auf einer gewissen Höhe rechnen. Heute ist die- un bedingt anders geworden. Die öffentliche Meinung erhält nicht mehr aus der Säulenhalle des Börsenplatzes Richtung und Ziel. Die Negierung hat sich für den Augenblick von dem Gelbe emancipirt; denn wo «S sich um das Blut eines Landes handelt, muß das Geld in den Hintergrund treten. Es ist daher ebenso lächerlich als widersinnig, wenn die Stimmführer in den Salons des Faubourg St.-Germain und andere Nussenfreunde behaup ten, daß der Geldmangel, von dem der hiesige Staatsschatz hcimgesucht wird, für den Krieg der Westmächle ein Hemmschuh sei und daß sich die Macht des Angriffs niemals zu jenen großen Verhältnissen erweitern werde, wie dies von Seiten Rußlands, dem unbegrenzten, geschehen wird, wenn es sein muß. Und wenn sie zur Begründung ihrer Ansicht auf die Scheu Hinweisen, mit welcher die Negierung die ausgearbeitete Anleihe im Pult liegen läßt, eine glückliche Entscheidung in der Krim abwartend, um mit dieser Belästigung für das Land hcrvorzutreten, so glauben sie die Anhän ger der europäischen Sache Gott weiß wie in die Enge getrieben zu haben. Dennoch sind sie es, welche ihrer eingeklemmten Hoffnung den engen Weg brechen, durch den sie am Ende doch nicht hindurchkommen. Es ist zwar wahr, daß die hiesige Regierung mit der Anleihe zaudert und die Einwir kung derselben auf die Fonds durch einen erheblichen Waffenerfolg in der Krim paralysirt sehen möchte; allein dieser Aufschub geschieht nur, weil er