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Freitag. — Nr. FkeiPtzig» Die Zeitung -SM- DcuMe Alla Preis für da« Viertel jahr 1'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Die Folgen eines Mislingens der Kmnexpcdition für Deutschland. -^Leipzig, 16. Nov. Wir glauben keine böse Vorbedeutung auszuspre- chtn, noch unserm Glauben an die Trefflichkeit oder unserer Hoffnung auf das Glück der Waffen der Allürten das Mindeste zu vergeben, wenn wir VfiS di« Folgen vergegenwärtigen, welche ein Mislingen der Unternehmung gegen Sewastopol für die weitere Führung des Kriegs und insbesondere für Deutschland haben möchte. Wir haben seinerzeit den muthmaßlichcn Nück- schlag eines vollständig siegreichen und glänzenden Feldzugs daselbst auf das Verhältniß der Westmächte zu Deutschland erörtert; cs ist nun in der Ord- yung, daß wir die andere, immerhin doch auch im Bereiche des Möglichen liegende Eventualität gleichfalls ins Auge fassen. Man sagt, die Börsen, diese Laubfrösche der Politik, knüpften an einen minder erfolgreichen Fort gang jener Expedition Hoffnungen auf einen nahen Frieden, weil der Zar eher im Stande und auch wol geneigt sein werde, auf Fricdcnsuntcrhand- lungen einzugehen, wenn seine Waffenehre wiederhergestellt, als wenn sie durch den Verlust seines besten KricgShafens und seiner größten Kriegsflotte compromittirt sei. Diese Hoffnung dürfte eine von den vielen Täuschungen sein, denen man sich wiederholt im Laufe dieses Kriegs hingegeben hat. Der Zar ist kein solcher Idealist, daß die bloße Befriedigung eines, wenn auch noch so starken Ehrgefühls ihn alles Andere vergessen und anfgcben lassen sollte. Wir glauben, der Zar würde eher einen Frieden annehmcn, der ihm die Erfüllung seiner reellen Foderungen brächte, auch wenn er ihn nicht d«n Waffknthaten seiner Armee, sondern der Gewandheit seiner Di plomatie zu verdankrn hätte, als einen in jener Beziehung unvortheilhaften, wennschon mit der russischen Waffenehre nicht unverträglichen. Daß die Westmächte durch ein Mislingen der Krimexpcdition sich nicht zur Nachgie bigkeit bestimmen lassen, vielmehr den Krieg nur mit erhöhten Anstrengun gen sprfsetzen würden, betrachten wir als selbstverständlich. Wol aber möchte die Kriegführung derselben dann einen andern Charakter und eine andere Richtung annehwen, Wenn nicht von der Unmöglichkeit, so doch von den Ungeheuern Schwierigkeiten und Opfern eines mit ihren alleinigen Kräften, ohne den Beistand einer der mit Rußland grenzenden größern Continemal- mächle zu führenden Landkriegs durch harte Erfahrungen belehrt, würden sie Deutschlands aetive Bundesgenoffenschaft dringender denn je wünschen «Nd suchen. Drei Wege bieten sich ihnen zur Verfolgung dieses Ziels dar. Sie könnten versuchen, durch Zwangsmaßrcgeln oder Drohungen die dcut- schen Mächte zu einer ihnen genehmen Politik hinzudrängen. Schon ist ab und HU (wenn auch zur Zeit wol nur nach Privatcingcbnngen) die Rede gewesen von der Aufstellung einer französischen Armee am Rhein und einem dadurch auf Preußen zu übenden Druck. Man sagt, die ruffenfreundliche 'Partei in Berlin hoffe auf ein solches Vorgehen Frankreichs, weil sie da von einen Umschlag in der öffentlichen Meinung Deutschlands zu Gunsten Rußlands erwarte. So wenig uns diese Erwartung begründet erscheint, ft würden wir doch einen Angriff oder selbst nur eine drohende Aufstellung gegen deutsches Gebiet für das ungeeignetste von allen Mittel«, halten, um Deutschland- Sympathien für eine BundeSgenossenschaft mit dem Westen zu gewinnen. Die nationale Partei in Deutschland würde sich dadurch in «inen schmerzlichen Streit ihrer Gefühle versetzt sehen, gedrungen wie sie wäre in ihrem patriotischen Gewissen, eine Politik des Widerstandes gegen fremde Bedrohung zu billigen, und doch von der Unnatürlichkeit und Ver derblichkeit derselben Politik ihren liefern Motiven nach überzeugt. Auch eine Beschränkung des deutschen Seehandels durch Blockade unserer Häfen oder durch Aufhebung des von dem Völkerrecht anerkannten Grundsatzes: daß die Flagge die Waare decke, würde, wennschon vielleicht nicht ganz im glcichen Grade, eine ähnliche Wirkung äußern. Die deutschen Patrioten würden darum nicht weniger antirussisch gesinnt sein, aber eS wäre dann für sie unmöglich, einer Allianz da- Wort zu reden, welche von der andern Seite her nicht mehr gesucht, sondern erzwungen werden wollt«. Ein zwei- teS Mittel, welches die Westmächte anzuwenden versucht sein möchten, wäre «ine Berufung von den Regierungen an die Völker, die Hervorrufung oder Unterstützung revolutionärer Bewegungen in den Ländern, deren Hereinbe ziehung in die allgemeine Angriffslinie gegen Rußland sie nöthig zu haben glaubten. Inwieweit ein solches Mittel vom miltärischen Standpunkt aus praktisch, d. h. inwieweit auf den activen Beistand eines revolutionirten und dadurch in seiner invern Organisation aufgelösten Landes zu rechnen wäre, diese Frage zu beantworten überlassen wir Militärs vom Fache. Aber vom deutsch »nationalen Standpunkt aus müßten wir auch gegen einen solchen Versuch protestiren. Wir wollen nicht, daß in unsere inner» Angelegen- Heiken sich das Ausland einmische, und wenn es in Deutschland, schimpflich genug, eine russische Partei gibt, welche gern die Kosacken herbeiriefe, um mit ihrer Hülfe Ideen zu verwirklichen, die das deutsche Volk mit Entrü 2^0. — 17. November 1854. Zu bestehen durch alle y y Postämter des In- uud »Nik itllmia R-S? lInfertionsgedühr Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» km de..Raum-merZ.il« stung zurückweist, so wollen wir diese Schande nicht dadurch noch größer machen, daß wir dieser einen Partei des Auslandes eine zweite, eine eng lische oder französische, gegenüberstellen. Wir hoffen, daß die deutsche Nation in sich einig und stark genug werde, um einer wahrhaft nationalen Politik auch in den Cabineten den Sieg zu verschaffen, und eine solche Politik wird unter den gegebenen Verhältnissen keine andere sein können als eine den West- mächtcn befreundete, gegen Rußland aber activ auftretende. Allein dies Alles darf nur das eigene Werk deutscher Kraft und deutschen Patriotismus sein; wehe dem Volke, welches sich die Freiheit oder den nationalen Auf- schwung von außen wollte bringen lassen! Wo eine Nation von einer an dern Nation unterdrückt ist, da mag sie von einer dritten die Befreiung er bitten oder erwarten, zu der sie selbst zu schwach ist; wo cs sich nur um innere Parteiungen innerhalb des einen und selben Volksganzen handelt, da müssen beide Theile, wenn sic ehrenhaft sein wollen, frcniden Beistand, nicht blos den materiellen, sondern selbst den moralischen, zurückwcisen. So blieb« nur der dritte Weg übrig, auf welchem der Bund der Westmächte Deutsch land für sich gewinnen, auf welchem Deutschland sich gewinnen lassen könnt«. Dieser besteht darin, daß die Westmächte Deutschland einen solchen Preis für seine active Mitwirkung beim Kriege zusichern, welcher mit den Opfern dieser Mitwirkung für Deutschland und mit ihrein Werthe für die West- machte im richtigen Verhältniß steht. Deutschland darf diesen Preis um so unbedenklicher fodern und die Westmächte können ihn um so unbedenk licher bewilligen, als er eben nur in solchen Mitteln der Machtvergrößerung oder Machtbefestigung Deutschlands bestehen wird, welche diesem als Schuh für künftige Zeiten gegen Rußland, nicht als Waffe gegen die Westmächte dienen sollen. Wir rechnen dahin die Ueberlassung der Donauländer an Oesterrcick, welches allein dieselben wirksam zu schützen vermag (beziehentlich gegen anderwartige Entschädigungen der Türkei); die Regelung der dänisch deutschen Frage in einem für Deutschland annehmbaren Sinn, was nicht- Weiteres heißt als: nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit; ferner die von den Westmächten gegen Deutschland auszustellende Zusicherung, daß sie jede- Arrangement seiner inner» politischen Verhältnisse, welches dieses letztere sich jetzt odcr künftig zu geben für gut finden möchte, unbedingt anerkennen und keinerlei Weiterungen dagegen erheben wollen. Es ist wahr, Deutschland wird durch sein eigenes Interesse gebieterisch auf ein« Theilnahme am Kampfe gegen Rußland hingewiesen; allein es muß sicher sein, daß die Opfer und Gefahren eines solchen Kampfes ihm wenigstens soviel eintragen, daß etz künftig in den Besitz der von Natur und Rechtswegen ihm gebührend«« Machtverhältnisse eingesetzt und dadurch gegen die Wiederkehr ähnlicher Gr- fahren geschützt werde. Wenn es diese Sicherheit hat, so kann und wird es getrost sich in den Riesenkampf mit dem mächtigen Nachbar stürzen und auch die bedeutendsten Opfer nicht scheuen, welche derselbe an Gut und Blut von ihm heischen möchte. Deutschland. Preußen, tt Berlin, 15. Nov. Selbst nach dem Eingeständniß von Personen, denen russische Quellen zugebote stehen, ist die Affairr voin 5. Nov. eine für die Russen ungünstige gewesen. Mentschikow'S tete- graphischer Bericht bedarf umsomehr der Ergänzung, als er nicht nur mit Canrobert's Depesche in Widerspruch geräth, sondern auch einige Thatfa- chen verschweigt, die gestern hier nach Petersburger Bericht«» «rzählt wurden. So wäre ein russischer Gcnerallicutenant getödtet worden.— Einige diplo matische Mitthcilungen bestreiten jetzt, daß eine russische Depesche vom 22. Oct. hier über die russischen Truppenmärschr gegen die österreichische Grenze beruhigt habe. Es könnte die Copie einer an Oesterreich gerichte ten Depesche vielleicht auch in Berlin übergeben sein. Aber auch der an geblich beruhigende Inhalt jener Depesche wird bestritten. Weider« Auf klärungen würden daher jedenfalls abzuwarten sein. . : t Berlin, 15. Nov. Ein außerordentliches Aufsehen hat die Verhaf tung eines hiesigen bedeutenden Bankiers gemacht, welcher in Verbindung mit mehren andern hiesigen Geschäftsleuten und mit einigen Beamten der hiesigen Tclegraphenstation seit längerer Zeit einen Betrug in wirklich groß artigem Maßstabe auSgeführt hat. (Nr. 269.) Der thätigen Umsicht und Wachsamkeit der hiesigen betreffenden Behörden ist die übrige HandelSwelt zu großem Dank verpflichtet. Wie wir hören, waren es namentlich die te legraphischen Nachrichten und Bestellungen, die das Hauö Rothschild an den hiesigen Bankier Blcichrödrr sendete, welche von der oben bezeichneten Bande ausgebeutet wurden, nachdem derselben der I«,halt der telegraphischen Nach richten verrathen worden war. Auch sollen amtliche telegraphische Depeschen politischen Inhalts zur Kenntniß der Bande gekommen sein, insofern die selben für Börsengeschäfte von besonderer Wichtigkeit waren. Bei einem