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Dienstag — Akk. 267. — 14 November 18L4 AsiPHiM Di« Zeimng erfthetM mit Auamthmebt» Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au<- grgrben. Mveia für da« Biertel- ^hr 1'/, Thlr.; jede ein- zelne Nummer 2 Ngr. Dciltscht Mgmcillt Ztitimg. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Erseh I» Zu btjiehrn durch alle Postämter d« In- uud Aullande«, sowie durch die Lrpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). für den Raum enierZeile 2 Ngr. D e 1» t s ch l «r« d. Frankfurt a. M., 9. Nov. Man schreibt der Neuen Preußischen Zeitung: „Man hofft, daß die orientalische Frage in den nächsten acht Tagen zum Vortrag in einer Sitzung des Bundestags reif sein werde. In unterrichteten Kreisen hält man Oesterreich und Preußen in dem Hauptdifferenzpunkt für einverstanden und ist überzeugt, daß die meisten Bundesstaaten solchem Einverständniß der beiden Großmächte mit Befriedi gung zustimmen werden." AuS Frankfurt a. M. vom 9. Nov. schreibt man dem Staats-An zeiger für Württemberg: „Aus zuverlässiger Quelle kann ich heute über eine neue, für Deutschland hoffentlich glückliche Phase der jetzigen Verhält nisse zwischen Oesterreich und Preußen berichten. Eine vollständige Einigung dieser beiden Mächte ist nun fast außer allem Zweifel; Preußen hat durch bedeutende Concessionen dazu beigetragen. Am 30. Oct. nämlich ist von Berlin eine Depesche nach Wien, als Antwort auf die österreichi sche Rot« vom 23. Oct., abg«send«t worden, welche diese Hoffnungen voll- kommen rechtfertigt. Sie stellt in ihrem Haupttheil fünf Punkte auf, die sich wie folgt zusammenfaffen lassen: Im ersten tritt Preußen allen vier Friedensgrundlagen vollkommen bei; im zweiten fügt es aber als Bedin gung hinzu, daß Oesterreich nicht weiter als diese Grundlagen gehen werde, welches auch der Erfolg des jetzigen Kriegs sei; im dritten wird eines ge meinsamen Antrags Oesterreichs und Preußens am Bundestage Erwähnung gethan, um letzter» zum Beitritt zu den vier Friedensgrundlagen aufzuso- dcrn; der Deutsche Bund, Oesterreich und Preußen werden alsdann in Petersburg erklären lassen, die Annahme besagter Grundlagen sei nothwen dig, um einen dauernden und festen Frieden in Europa herzustellen; im vierten wird Oesterreich die Hülfeleistung Preußens und des Deutschen Bun des nicht nur für den Fall zugesagt, wo es auf seinem eigenen Gebiet, sondern für den Fall auch, wo es in den Donaufürstenthümern angegriffen würde; im fünften endlich ist die Rede von den vorläufigen Anordnungen, welche die Bundesmilitärcommission treffen müsse, um diesen Entschlüssen Kraft und Nachdruck zu verleihen. Ich bin noch im Stande melden zu können, daß Graf Buol diese Eröffnung Preußens mit der größten Ge- nugthuung und Bereitwilligkeit angenommen und in diesem Sinne nach Berlin bereits geantwortet hat." Die Mittelrheinische Zeitung präcisirt die Grundzüge der Verhand lungen zwischen Oesterreich und Preußen in folgenden Punkten: ,,l) Der Bund erklärt seine Zustimmung zum Einmarsch der Oesterreichcr in die Do naufürstenthümer; 2) Oesterreich erklärt sich in seinen Anfoderungcn mit Her Annahme der vier Garantiepunkte durch Rußland zufriedcngestcllt; 3) die beide» Großmächte und der Bund erlassen «ine Ausfoderung an Rußland zur Annahme der vier Garantiepunkte; 4) sollte das Petersburger Cabinet diesen Antrag ablehnen, so werden seitens des Bundes diejenigen Maßregeln getroffen, welche zur Kriegsbereitschaft desselben nothwendig sind, und 5) schlie ßen Preußen und Oesterreich eine Convention, in welcher bestimmte Fälle für die Unterstützung Preußens, im Fall Oesterreich in den Donaufürstenthü- mcrn angegriffen wirk), festgestellt werden." Preußen. Bertin, 12. Nov. Dieofficielle Preußische Correspon- denz versucht in einem Artikel den Nachweis zu führen, daß das Schicksal Sewastopols keinen Einfluß auf die Friedensverhandlungen habe. Sie sagt: „Einige Blätter ergehen sich in dem unfruchtbaren Streit über die Frage, welchen Einfluß das Schicksal Sewastopols auf den Gang der diplomati schen Unterhandlungen ausüben wird, und sprechen, je nachdem ihre Sym pathien dem Westen oder dem Osten zugcwendet sind, sich dahin aus, daß entweder das MiSlingen «der der erfolgreiche Ausgang der Expedition ein ben Fritdensbestrebungen, d. h. dem unzweifelhaften Interesse des gesamm- ten Europa, nachthriliges Ereigniß sein würde, insofern jenes den Bundes genossen der Pforte, dieser aber dem russischen Kaiser die Fortführung des Kampfes zur Ehrensache machen müßte. Unfruchtbar ist ein solcher Hypo thesenstreit nicht allein deshalb, weil die Streitenden von den Absichten der Sethriligten Regierungen wol keine genaue Kenntniß haben und in der Ein- genommenheit deS Augenblicks ganz übersehen, daß für die Erledigung der orientalischen Frage viel wichtigere und folgenreichere Momente in Betracht kommen al« die Belagerung von Sewastopol, sondern vor allem schon aus dem Grunde, weil jene einseitigen Argumentationen den Standpunkt der Gegenpartei so gar unberücksichtigt lassen. Wäre in der That bei dem AuSgang der Unternehmung gegen Sewastopol, wie einzelne Blätter cs dar stellen , dir militärische Ehre der kriegführenden Nationen so nahe betheiligt, dann müßte die Entscheidung, falle sie nun in diesem oder jenem Sinne aus, das Eingehen auf Friedensunterhandlungcn dem «inen oder dem an dern Theil unmöglich machen und den Wünschen Europas gleich wenig Be friedigung gewähren. Glücklicherweise liegen die thatsächlichen Verhältnisse ganz anders. Die blutigen Vorgänge auf der taurischen Halbinsel, obwol sie bisher für den nächsten vorliegenden Zweck ohne entscheidendes Ergebniß geblieben sind, haben doch der allgemeinen Situation eine bedeutungsvolle und, unsers Bedünkens, günstige Wendung gegeben. Die Expedition gegen den gewaltigen Krirgshafen der Krim, welches auch ihr schließliches Resul tat sein möge, ist ein Unternehmen, dessen kühner und großartiger Cha rakter für alle Zeiten einen Glanzpunkt in den militärischen Annalen Eng lands und Frankreichs bilden wird. Der Waffenruhm der verbändrlen Heere wäre schon gewahrt, wenn für dieselben kein anderes Zeugniß vor läge als der Bericht des russischen Feldherrn über die Schlacht an der Alma, und da« Unternehmen gegen die Krim macht auch die politische Stel lung der Westmachte für alle Fälle imposanter und freier, weil sie hier zum ersten male für das mit der Pforte abgeschlossene Schutz- und Bmtzbündniß mit vollem Nachdruck eingetretcn sind und sogar den Krieg auf daS Gebiet des Feindes hinübergespielt haben. Was die Leistungen der russischen Waf fen auf der Halbinsel betrifft, so kann ihnen nur die verblendetste Leiden schaft eine ehrenvolle Anerkennung versagen. Das Verdienst der Verthei- diger Sewastopols in Frage stellen heißt den Stab über die Belagerer brechen und die Erfolglosigkeit ihrer bisherigen Anstrengungen der Unfähig keit ihrer Führer zuschreiben. Doch auch über diesen Punkt dürfte unter allen Verständigen keine Meinungsverschiedenheit obwalten, und so kann auch der Fall Sewastopols, wenn er eintrrten sollte, nicht die Thatfache verwischen, daß die russischen Streitkräfte sich mit den Kerntruppen Eng lands und Frankreichs würdig gemessen und ihre Widerstandsfähigkeit von neuem bewährt haben. Der Ehrenpunkt wird also durch das endliche Schick sal Sewastopols nach keiner Seite hin berührt und tritt mit etwaigen Frie densverhandlungen nicht in Widerspruch. Es fragt sich, auf welcher Grund lage sich die letztcrn bewegen könnten, um nicht von vornherein als vergeb liche zu erscheinen. Offenbar nicht auf einer schlechthin von den Wechsel- fällen des Kriegs abhängigen, welche jedes zufällige Ereigniß verrücken würde; denn sonst wäre das Ende des Kampfes nur nach der völligen Er schöpfung der mächtigen sich gegenüberstehenden Nationen abzusehen. Da gegen empfehlen sich der allseitigen Beachtung die Friedensbedingungen, welche vor wenigen Monaten von den westlichen Cabineten in Vorschlag gebracht, von Oesterr«ich in bindender Weise angenommen und auch von Preußen zu wiederholt«« malen befürwortet worden sind. Wir können nicht glauben, daß die Pfort« und ihre Bundesgenosse», fei es durch einen par tiellen Erfolg, sei es durch ein augenblickliches Misgeschick, veranlaßt wer den könnten, auf de» abenteuerlichen Plan einer Umgestaltung aller euro päischen Bcsitzverhältnissc cinzugchen und ein Programm aufzugcben, wel ches, im Großen und Ganzen, einem dauernden Frieden im Orient feste Bürgschaften sichert. Andererseits haben wir einigen Grund zu glauben, daß auch das russische Cabinet gegenwärtig sich geneigter finden lassen würde, über Vorschläge zu verhandeln, welche es früher, vorwiegend aus formellen Rücksichten, von der Hand wies. Eine solche Bereitwilligkeit wären wir weit entfernt aus einer wirklichen Erschöpfung oder Entmuthigung Ruß lands zu erklären, sondern wir würden darin den Beweis finden, daß man in Petersburg die Ueberzeugung gewonnen hat, wie unvermeidlich die in den vier Garantiepunkten vorgeschlagenen Grundlagen für jeden Bermitte- lungsversuch geworden und wie sehr von einer Verständigung darüber nicht allein die Haltung der Westmächte, sondern auch die Stellung des gesamm- ten Deutschland abhängig ist. Für alle die Verhältnisse, welche wir hier angedeutct haben, erscheint der schließliche Ausgang der Belagerung Sewa stopols nur von untergeordneter Bedeutung, und die ungeheuer» Opfer, welche der Zusammenstoß beiden Theilen gekostet hat und noch kosten wird, dürfte wol der Mahnung Kraft geben, daß eine Lösung der schwebenden Fragen noch leichter auf dem Felde der Diplomatie als durch das Waffen- glück zu erreichen ist." t Berlin, 11. Nov. In Betreff der Aufnahme, welche die jüngste preußisch« Note an Rußland in Petersburg gefunden hat, sind außer den schon früher hierhergelangten Andeutungen, wie wir hören, vorgestern auch nähere Eröffnungen hier eingetroffen, nach welchen der Kaiser Nikolaus sich bereiterklärcn soll, die vier bekannten Friedensbürgschaflen unter gewissen Voraussetzungen als Grundlage für die Anknüpfung von Friedensuntcr- handlungcn anzunehmen. Eine förmliche Antwort auf die jüngste preußi sche Note soll noch nicht eingetroffen sein. Wir brauchen wol kaum her vorzuheben , wie verschiedenartig hier die Auffassung dieser jedenfalls bedeut- samen Petersburger Eröffnung ist. Während man auf der einen Seit« d«r Ansicht ist, der europäisch« Friede werde sich gegenwärtig auf dem Wege diplomatischer Verhandlungen nicht Herstellen lassen und jedes fortgesrAe Bemühen Preußens, die beiden kämpfenden Theile durch diplomatische Ver mittelungsversuche einander zu nähern, sei völlig nutzlos und ohne Aussicht auf Erfolg, wiegt man sich auf der andern Seite in die frohesten Frie-