Volltext Seite (XML)
2223 brachten Alarm in die die Belagerung deckenden Corps, welche sich sofort in Bewegung setzten. Dir leichte Cavaleriedivision unter Lord Cardigan traf zuerst rin und warf sich alsbald auf dir Russen, die in guter Ordnung zur Verfolgung der Türken in die Ebene hinunterstiegen. Trotz ihres MutHS versuchten die diese Brigade bildenden drei Regimenter vergebens, den Marsch des Feindes aufzuhalten. Die Gardtdragoner, die ihnen zu Hülfe kamen, waren anfangs glücklicher, aber sie sahen ihre Reihen durch die Artillerie der Nedoutcn, deren Kanonen die Russen, nachdem sie die selben entnagelt, gegen die Allürten gekehrt hatten, gebrochen. Indessen langte die britische Infanterie (schottische Füsiliere und schottische Graue) in Linie an. Sic hielt unter dem Feuer der russischen Infanterie und unter dem Feuer der Rcdouten Stand und gab auf die Weise der Di vision Bosquet, die vom Schauplatz am weitesten entfernt war, Zeit zum Eintreffen und sich zu formircn. Die Verbündeten gingen darauf wieder zur Offensive über und schlugen die Russen zurück, welche die Höhen wiedergcwannen und denen cs gelang, sich im Besitz der beiden Ne douten, die sie genommen hatten, zu behaupten. So endete dieser erste außerordentlich blutige und unentschiedene Tag. Ueber den folgenden Tag haben wir nur wenige Details. Die kecke Bewegung des Generals Li- prandi war zum Theil gescheitert, weil Balaklava in der Gewalt der Ver bündeten war und diese ihre Verbindungen mit dem Meere unterhielten; theilweise aber war sie gelungen, weil die Russen auf der einzigen gebahn ten Straße, die von Balaklava nach Sewastopol führt, sich ü okevsi be fanden und im Rücken der Belagerer Position genommen hatten. Daher ließ auch Fürst Mentschikow am 26. Oct. einen starken Ausfall gegen die englischen Linien thun, um sie zwischen zwei Feuer zu bringen. Wenn cs ihm gelungen wäre, sie zu brechen und dem General Liprandi durch die Belagerungsarmee hindurch die Hand zu reichen, so wären die Operatio nen der Verbündeten fast unwiederbringlich bloßgcstcllt gewesen; aber der 26. Oct. machte den Hoffnungen des russischen Generalissimus ein Ende. Nach einem sehr lebhaften Gefechte wurde er durch die Division Sir Lacy Evans mit einem Verlust von mehr als 2000 Mann nach Sewastopol zu rückgeworfen. Gleichzeitig griffen die Verbündeten die vom General Li prandi occupirten Höhen von der Fronte an, nahmen die Redouten, deren sich die Russen den Tag vorher bemächtigt hatten, wieder und warfen Letz tere, vollständig geschlagen und demoralisirt, über die Lscherna-Rjetschka hin über in die Schluchten der taurischen Gebirgskette." Der Constitutionncl hebt in Folgeüdcm die hohe Wichtigkeit der beiden Tage vom 25. und 26. Oct. hervor: „Der glückliche Ausgang dieser beiden Gefechte scheint uns über das Schicksal Sewastopols zu entscheiden. Der Versuch des Gene rals Liprandi war die letzte Chance, die den Russen blieb, die Verbün deten zur Aufhebung der Belagerung zu zwingen. Wenn sie nicht hin reichende Verstärkungen zur Lieferung einer zweiten Schlacht erhalten, so werden sie eine so verzweifelte Anstrengung nicht erneuern können, und die Belagerung wird dann regelmäßig fortgesetzt. Das Resultat ist um soweniger zu bezweifeln, als die Verbündeten, Herren des Tscherna- Rjetschkalaufs, ebenfalls im Besitz der großen, mit diesem Flusse paral lellaufenden Wasserleitung sind, die allein den MilitäretablissementS und dem ganzen östlichen Theile von Sewastopol Wasser liefert. Es ist den Verbündeten gelungen, diese Wasserleitung abzulenken, um die Gar nison und die Einwohner auf das Cisternenwasser auzuweiseu. Da die reg nerische Jahreszeit noch nicht eingetreten ist, so sind alle Cistcrnen trocken und es entstehen daraus entsetzliche Entbehrungen für die Festung. Gewisse Eorrespondenzcn bestätigen, daß in den letzten Tagen ein Glas klares Wasser mit einem Rubel bezahlt wurde. Die letzten Nachrichten lassen sich fol gendermaßen zusammenfassen: zwei blutige aber glorreiche und mit vollstän digem Erfolg gekrönte Gefechte, Vernichtung eines Theils der russischen Ar mee, energische Fortsetzung der Belagerung, Erschöpfung aller Hülfsquellen des Feindes. Wir können nur Hoffnungen daraus schöpfen." Wenig in Uebereinstimmung mit diesem Bericht sieht jedoch der folgende Bericht des Fürsten Mentschikow über die am 25. Oct. aufgenvm- mencn russischen Offcnsivopcrationen. Der Bericht lautet: Am heutigen Tage begannen unsere Offensivovcraüonen gegen die Belagerer und sie wurden mit Erfolg gekrönt. Dem General Liprandi war der Auftrag ertheilt wor den, mit der ihm anvertrauteu Division das abgesonderte befestigte Lager des Feindes anzugreife», welches den Weg von Sewastopol nach Balaklava deckt. Dieses Unter nehmen führte er am heutigen Morgen in glänzender Weise aus. In unsern Händen befinden sich gegenwärtig vier Rcdouten, in welche» elf Geschütze genommen wnrden. Die Hauptredoütc des Feindes, welche von Türken vertheidigt wurde, wurde im «türm durch das asowsche Infanterieregiment genommen, welches die Waffenthat wacker auS- führtc, unter den, persönliche» Befehle des Brigadecommandeurs, Generalmajors Sscm- jakin sowie des Negtmentscommandeurs, Oberst Krüdener, der sich in dieser Affaire hcrvvrthat. Gegen unser Detachement overirte auch die englische Cavalerie. welche unter Befehl des Lords Cardigan mit außerordentlichem Ungestüm die Husarenbrigade der 6. Cavaleriedivision angriff, aber dnrch zwei Divisionen des combinirten Neserveulanenre- gimentS in die Flanke genommen, unter das gekreuzte Kartätschenfeuer der Geschütze der 12. und 16. Infanteriedivision sowie der Scharfschützen der ersten Brigade dieser letz ter» Division zurückgedrängt wurde und bedeutenden Verlust erlitt. Die erste Brigade der 16. Division, nntcr dem persönlichen Befehl des Generalmajors Jabokrizki, war vorgeschoben worden, um den Feind zu verhindern, das Detachement des Generals Li prandi zu umgehen. Gleichzeitig mit dem Angriff auf unsere Husaren sprengte die eng lische Cavalerie auch gegen die dritte schwere donische Batterie heran, von weicher einige Kanoniere niedergchancn wurden. Der Verlust unserer Infanterie in dieser Astaire scheint an Todten und Verwundeten nicht über 500 Mann zu betragen. Der Verlust der Cavalerie und Artillerie ist noch nicht ermittelt, selbst nicht annähernd. Der Coni- mandeur des Husarcnrcgimeuts Prinz Nikolai Mapimilianowitsch, Generalmajor Cha- lezki, ist durch Säbelhiebe am Ohr und am Arm verwundet. Es ist schwer, den Ver lust des Feindes mit Genauigkeit zu bestimmen. iJn einer Anmerkung wird beige fügt: „Mau glaubt indessen, daß die englische Cavalerie gegen 500 Mann verloren hat.") Wir machten ungefähr 60 Engländer, darunter l Stabsoffizier und 2 Ober- vffizicrc gefangen. Von den dem Feinde abgcnvmmenen vier Redoute» werde» zwei in dieser Nacht »tedergerisstii, die beide» andern aber uoch mehr befestigt werden, um diese Position zu halten, von welcher aus man aus das Dorf Kadikoi vperirc» kann, an dem der Weg vom feindlichen Lager nach Balaklava vorüberführt. Die Festungsar tillerie in Sewastopol hat heute de» Batterien der Belagerer nichts nachgegeben; durch dle Wirkung ihrer Bomben und Brandgeschossc brannten aber in der Artillcrievorstadt gegen -10 Häuschen oder Masanken (Häuser von Fachwerk) nieder. — Das Journal deS Döbats sagt bezüglich der jüngsten Berichte des Generals Canrobert und des Admirals Hamelin: „Aus dem Bericht des Erster« ergibt sich, daß die Vertheidigungswerke Sewastopols auf der Land seite sehr ausgedehnt sind, und daß die Widerstandsmittel des Feindes nur mit größter Anstrengung zerstört werden können. Es ist im Ganzen nichts als eine Artillericfrage, bei der es darum zu thun ist, die Geschütze des Be lagerten zu dcmontiren und seine Wälle so zu beschädigen, daß er auf den selben keine neuen Feuerschlünde mehr aufstellen kann, endlich die Stadt und die im Hafen befindliche Flotte durch einen Hagel von Bomben und Haubitzgranaten zu zerschmettern. Das ist denn auch das von den Gene ralen angenommene Angriffsverfahren. In dem Bericht des Admirals Ha melin findet man dessen Bedauern ausgedrückt, nicht in die Rhede von Se wastopol eindringen zu können, weil bekanntlich der Eingang derselben durch versenkte russische Schiffe versperrt ist. Ohne dieses Hinderniß, fügt er hinzu, wäre er ungeachtet des feindlichen Feuers bis in den Hintergrund des Kriegshafens vorgedrungen und hätte sich dann mit der verbündeten Armee in Verbindung gesetzt. Die Flotte würde bei dieser Operation nicht mehr feindliche Kugeln erhalten haben als bei dem Angriff am 17. Oct. Hätte sie sich aber im Innern des Hafens befunden, so wäre es ihr ein Leichtes gewesen, die auf beiden Seiten desselben gelegenen Gegenstände, Stadt und Zeughäuser, zusammenzuschießen und die inncrn Festungswerke zu zerstören." — Die Ost-Deutsche Post sagt: „Nach Briesen aus Odessa vom 29. Oct verlautete dort, daß die im Donaudelta stehenden Truppen mit Aus nahme der Festungsbesaßungen in den Rayon des ober« Pruth verlegt wer den. Diese Nachricht findet in einer Correspondenz aus Galacz dahin die Bestätigung, General Lüders habe den Befehl erhalten, auf die Kunde von dem Fall Sewastopols Bessarabien im Süden zu räumen, weil cs zu be fürchten sei, die Alliirtcn würden sich von dort gegen Akjerman und Odessa wenden, um diese zwei Positionen zu zerstören." — Man schreibt aus Konstantinopel vom 26. Oct.: „Die frühern Of fiziere der preußischen Armee, welche seit längerer Zeit in türkischen Diensten stehen und deren Verdienste die letzte Zeit in hinreichendes Licht gesetzt hat, sind sämmtlich befördert worden und haben gestern durch Fer mans ihren festen militärischen Rang erhalten. Es wurden zu Obersten ernannt: der Hauptmann Schmidt, Director an der Gcnicschule, und der Hastptmann v. Malinowski, Lehrer an der Kriegsschule; zu Oberstlieute- nants: Hauptmann v. Grunewald und Lieutenant Bluhm an der Gcnic schule, Lieutenant Lueling, Instrukteur bei der hiesigen Artillerie, Schwenz- fcucr ebenso, v. d. Beck in Albanien, Wendt in den Dardanellen, Wage mann im Bosporus, Geßler in Syrien; zu Majors: die Lieutenants Hoff mann in Anatolien, Lehmann bei der Gcm'efchulc und Kodlewski, Thicrarzt beim kaiserlichen Gestüt Kuzkowski ist bekanntlich schon vor einiger Zeit Brigadegeneral oder Liva und damit Pascha geworden." «Amerika. Neuyork, 24. Oct. Ueber das Schicksal Sir I. Franklin's hatte man in Neuyork von Sir George Simpson ähnliche Aufklärungen wie die des 0r. Rae in England erhalten. — Man sagt, daß ein amerikanischer Handelsvertrag mit Santana negociirt wird. Die Einwanderung war sehr stark, bei großer Sterblichkeit auf den Emigrantenschiffen. In der Ocean bank entdeckte man einen Unterschlcif von 100,000 Doll. —In Havana war ein Individuum, das den General Lopez gefangen hatte, ermordet worden ; die Behörden veranstalteten ein amtliches und feierliches Begräbniß, welches einige Ruhestörungen verursachte. Aus Neuorleans schreibt man, die mexikanischen Revolutionärs seien geschlagen und über den Nio-Erandc getrieben worden. «Königreich Sachsen. ** Dresden, 8. Nov. Beide Ständekammern waren heute zu öffent licher Verhandlung versammelt. In der 11. Kammer berieth man über das allerhöchste Decret, die projectirte Eisenbahnverbindung zwischen Zittau und Reichenberg betreffend. Für die Wichtigkeit dieses Gegen standes spricht schon der Umstand, daß der Gedanke, eine Eisenbahnverbin dung zwischen Zittau und der böhmischen Fabrikstadt Reichenberg herzu- stellen, bereits zu wiederholten malen Ausdruck in den sächsischen Ständc- versammlungen gefunden hat, theils infolge von Petitionen, theils auch auf Antrag der Staatsregicrung selbst. Der in der II. Kammer gegenwärtig über dieses neue Eisenbahnproject vom Abg. Georgi erstattete Bericht ver weist einleitend darauf, wie der Wunsch, eine bessere Rentabilität für die Löbau-Zittauer und zugleich für die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn zu ge winnen, ferner die von Jahr zu Jahr wachsende Bedeutung des böhmischen Fabrikbczirks, der mit dem deutschen Eisenbahnnetze durch die angestrebtc Bahn in Verbindung gebracht werden würde, vor allem aber die Besorg niß, daß diese Verbindung weiter östlich, nach Görlitz hin, zustande gebracht und damit, besonders bei einem in Aussicht gestellten Anschluß Reichenbergs an die österreichischen Bahnen, dem gcsammtcu sächsischen Eisenbahnverkehr wesentliche Nachthcile zugefügt werden möchten, immer wieder die Aufmerk samkeit dem heute zur Berathung vorliegenden Plane habe zuwenden müs.