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Freitag. Nr. 264. AO. November I8L4. Leipzig. Li« Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montag« täglich und wird Nachmittags ä Uhr aus gegeben. DMA Mgmcilik ^citMg. NreiS für das Viertel jahr 1'/, Thlr. ; jede ein zelne Nunimer 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8) Hnfeetionsgebühr für den Naum einer Zeil« 2 Ngr. Deutschland. Preußen. «Berlin, 8. Nov. In den hiesigen diplomatischen Krei sen wird mit Bestimmtheit hervorgchoben, daß aus Petersburg Andeu tungen hierhergclangt seien, welche die Geneigtheit des russischen Cabinets, aufFricdenSunterhandlungrn auf Grundlage der bekannten vier Foderun- grn einzugehen, aussprächen. Wie man hört, hatte der hiesige franzö sische Gesandte, Marquis de Moustier, vor wenigen Tagen eine längere Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Hrn. v. Manteuffel, zu wel cher Besprechung Letzterer den Vertreter Frankreichs eingeladen haben soll. Man vermuthet, daß bei dieser Gelegenheit auch Mitthcilung von den aus Petersburg hier eingegangencn Andeutungen gemacht worden ist. Unbe gründet ist dir Angabe, daß von Seiten der beiden Westmächte eine Auf- fvderung an Preußen, eine entschiedene Erklärung über seine Haltung in »er orientalischen Streitfrage abzugeben, in den letzter« Tagen ergangen sei. Es haben nur Auseinandersetzungen zwischen Preußen und England wegen der Behinderungen, die gegen ein preußisches Handelsschiff, das mit Eement für russische Rechnung beladen war, von Seiten der betreffenden englischen Behörden in Anwendung gebracht worden sind, stattgefunden. — Die Behauptung, daß die russische Antwort auf die jüngste preußische Note bereits hier eingetroffcn sei, ist von der Preußischen Korrespondenz bereits als irrig bezeichnet worden. Bisjeht sind, soviel wir hören, nur An deutungen über die im Petersburger Cabinct vorwaltende Stimmung hier hergelangt. Bezeichnend für die Anschauungen der hiesigen Grldmänner äst, daß dieselben eine größere Belebung der Börse von dem Falle Sewa stopols hoffen, indem sie annehmen, daß, sobald die verbündeten Westmachte .im Besitze dieses wichtigen Platzes sind, auch die deutschen Mächte ihre biS- jeht beobachtete Neutralität aufgeben und somit der Friede Europas rasch hergestellt werde. Wie hierhergemeldct wird, hätte das wiener Cabi- net seine früher gehegte Absicht, im Falle der Nichtverständigung mit Preu- ßen mit gesonderten selbständigen Anträgen innerhalb des Schosses des Deutschen Bundes aufzutretcn, nunmehr aufgegcben. Es wird diese Wand- lung als ein Erfolg der Vermittelung des bairischen Ministerpräsidenten v. d. Pfordten bezeichnet. Zugleich kann dieselbe aber auch als ein Beweis für die bewirkte größere Annäherung Preußens und Oesterreichs gelten.— Hinsichtlich der gegenwärtig in Rom stattfindenden Generalcongr ega- tion der katholischen Bischöfe glaubt man hier aus dem Umstande, daß der Bischof von Mainz, Hr. v. Ketteler, vom Papste wiederholt auf- gefodert worden ist, dieser Congregation beizuwohnen, schließen zu dürfen, -daß auch die freiburger Kirchenangelegenheit einen Gegenstand der Bera- §hung bei dieser Zusammenkunft der Bischöfe bilden werde. — In der hie sigen neuen I. Kammer, mit deren Bildung und Zusammensetzung man .jetzt hier so eifrig beschäftigt ist, wird weder die evangelische noch die katho lische Geistlichkeit eine eigene Vertretung aus ihrer Mitte erhalten. Es hat dies zu vielen Erörterungen und Bemerkungen Anlaß gegeben. Zn dieser Beziehung scheint man aus dem Auge verloren zu habe», daß vor unge fähr zwei Jahren von Seiten der katholischen Bischöfe ein Uebcrcinkommen -dahin stattgefunden hat, sich von jeder parlamentarischen Wirksamkeit fernzu- -halten. Die Gründe für diesen Beschluß hatte der verstorbene Fürstbischof v. Diepenbrock dem König in einem Schreiben dargelegt. Es mag dies zur Folge gehabt haben, daß man höhern Orts auch von der Ertheilung des Mechts der besondern Vertretung in der I. Kammer an die evangelischen Bi- schüfe Abstand genommen hat. — Mit großer Spannung sieht man der Wahl des Vertreters der hiesigen Universität für die I. Kammer entgegen. Ob Professor Stahl die Stimmenmehrheit erlangen werde, wird von Vielen für keine ausgemachte Sache gehalten. In Betreff mehrer bereit- in den Provinzen erfolgter Wahlen will man behaupten, daß sie die Genehmi gung des Königs nicht erlangen würden. Diese Vermuthung möchte in dessen sehr vorgreifend sein. — Die in einem früher« Schreiben bereits an gedeutete Vorlage, welche den Kammern in Betreff der Presse vorgelegt werden dürfte, soll nur dahin gehen, daß inländische Zeitungen auch wegen Miltheilungen aus den Kammern und ans den stenographischen Kammer- berichten gerichtlich verfolgt werden können. Die freie Meinungsäußerung, welche den Abgeordneten durch das Gesetz in den Kammern gestattet ist, soll in gewissen Fällen über die Kammern und über die stenographischen Beichte hinaus nicht ausgedehnt bleiben. Dies scheint man durch die be sagte Vorlage erzielen zu wollen. "V Berlin, 8. Nov. Mit Spannung sicht man hier in den leitenden Kreisen der Rückantwort des Petersburger Cabinets auf die untern, 23. Oct. abgegangenc Note entgegen. Obwol man sich in Betreff der, Will fährigkeit des russischen Cabinets hier keinen Illusionen hingibl, glaubt man doch, die Antwortsnote werde Momente enthalten, welche zur Beruhigung Oesterreichs dienen könnten und in dieser Richtung zu verwenden seien. Mit Rücksicht auf diese Annahme dürften vorerst alle andrrweiten Bcstre bungen, welche auf eine präcisere Stellung Preußens zu Oesterreich gerich tet sind, ohne wesentlichen Erfolg sein. — Es wird von gutunterrichteter Seile bestätigt, daß die jüngste Notifikation des englischen Cabinets, welche hierhergclangt ist, die Stellung Preußens zu Oesterreich betrifft und dieselbe keineswegs in sehr freundlicher Weise bespricht. Unter dem Hin weis auf die Acte und Versicherungen, aus welchen eine mit den übrigen Großmächten gleiche Auffassung des Rechtsverhältnisses in der orientalischen Frage seitens Preußens hervorgehe, soll die Note auf die in, Aprilvertrag übernommenen Verpflichtungen hindeuten, um darzuthun, daß Preußen den selben jetzt, wo Oesterreich von Rußland bedroht sei, nachzukommen habe. England sei dabei wesentlich interessier, da, wenn Oesterreich angegriffen werde, die Donaufürstcnthümer und dadurch seine Verbündeten dem Vor gehen Rußlands nach dieser Seite ausgesetzt seien. Schließlich wünscht die Note die Entschließungen Preußens in dieser wichtigen Frage kennen zu lernen: ein Verlangen, das hier einige Verlegenheit bereitet haben soll. Eine Antwort auf diese Mitthcilung des englischen Cabinets ist noch nicht erfolgt. — Man wollte heute in verschiedenen Kreisen Nachricht von lebhaf ten Unterhandlungen haben, welche gegenwärtig zwischen England und Oesterreich über den Abschluß eines wichtigen und weitgreifcnden Ver trags schweben. Es wurde behauptet, England habe Oesterreich für den Fall, daß es zur Action gegen Rußland schreite, bedeutende Subsidien zu gesichert. — Die Neue Preußische Zeitung berichtet untern, 8. Nov. aus Berlin: „Eine entsetzliche Nachricht geht heute durch Berlin. Ein Vater soll gestern Abend seine vier Kinder, das älteste sechs Jahre, das jüngste ein Jahr alt, in der Gegend des Schlesischen Thores ertränkt haben. Von glaubwürdiger Seite wird uns mitgetheilt, daß der Vater selbst gestern Abend in einem Polizeibureau diese schreckliche Aussage gemacht habe. Auch waren die vier Kinder nicht in der Wohnung des Mannes zu finden, und da dieser bei seiner Angabe beharrte, auch die Mutter, welche außer dem Hause mit Waschen beschäftigt war, in Verzweiflung um ihre fehlenden Kin- der hinzukam, so wurde der Mann zur Haft gebracht." Baden. Adelsheim, 4. Nov. Heute Morgen wurde das Todes- urtheil, das am 28. Sept, von dem Schwurgerichtshof in Manheim gegen Georg Adam Gerig von Rosenberg gefällt ward, nachdem es die allerhöchste Bestätigung erhalten hatte, hier vollstreckt. Derselbe Katte, un ter Bcihülfe seines 13jährigen Sohnes, in der Nacht vom 28. auf den 29 März d. I. seine kranke Frau erwürgt und erdrosselt. (Karlsr. Z.) Thüringische Staaten. Der Weser-Zeitung wird aus Thüringen vom 5. Nov. geschrieben: „Die entschiedene, unumwundene Erklärung, welche die zur 12. Curie gehörenden großherzoglichen und herzoglich säch sischen Staalsregierungen als Antwort auf die bekannte österreichische Note abgegeben haben (Nr. 238), hat nicht nur in den engern Kreisen des Thü ringer Landes die allgemeinste Zustimmung der Bevölkerung, sondern auch, wie es scheint, in ganz Dcntschland Beifall und Anerkennung gefunden. Wir sind hier zu Lande wahrhaftig nicht in komischen Selbsttäuschungen über die Tragweite und die praktische Wichtigkeit jener Erklärung befangen; die staatliche Bedeutsamkeit der Sachscn-Ernestifchen Lande ist viel zu gering, als daß man von denselben ein entscheidendes Eingreifen in die großen Ge schicke eines europäischen Riesenkampfes erwarten dürfte. Immerhin aber hat jene Erklärung, von, engern deutschen Standpunkte aufgefaßt, In teresse und Bedeutung. Die Sachsen-Ernestinischen Regierungen waren bisher als die aufrichtigsten, man könnte sagen als unbedingte Anhänger Preußens in allen allgemein deutschen Fragen bekannt und, da Preußen in den »„eisten Fällen der Vertreter einer freien Richtung Oesterreich gegen über war, von allen patriotischen Deutschen deshalb geachtet und gewisser maßen populär geworden. Daß auch sic sich endlich ganz entschieden für Oesterreich erklären zu müssen glaubten, ist ein sehr beachtenswerthes Zei chen der Zeit und zugleich ein unumstößlicher Beweis, wie schlecht oder wie betrügerisch die Kreuzpeilung rechnete, als sie in Aussicht stellte, daß. wen» Oesterreich allein und ohne Preußen seine europäische Politik verfolgen wolle, Preußen von selbst an die Spitze der gesammten deutschen Bundesstaaten gestellt werden würde. Wie ist statt dessen das gerade Gegcntheil erfolgt! Nicht nur die Sympathien des Volks, sondern auch die wohlerwogenen Ent schlüsse der Regierungen neigen zu Oesterreich (denn, was man auch sagen möge, auch die Bamberger werden und müssen zuletzt mit Oesterreich gehen), und die keineswegs beneidenswerthe Vereinsamung, welche man schadenfroh den, Cabinet von Wie« in Aussicht gestellt halte, sie ist Anderer Loos ge worden. Man würde übrigens irren, wollte man den thüringischen Re gierungen hinsichtlich ihrer offenen und entschiedenen Hinneigung zu Oester- reich andere als echte deutsche Motive unterlegen. Was Oesterreich jetzt von