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2U47 unter Umgehung Sewastopols zu versuche». Diese Bewegung begann am 25. Sept, und ward am folgenden Tage dadurch vollendet, daß die Truppen Ihrer Majestät, welche di« Vorhut bildeten, dlesen Ort nahmen. Große Schwierigkeiten begleiteten den Marsch. Nachdem es die große Straße vom Belbek nach Sewastopol verlasse» hatte, mußte da- Heer durch.ein dichtes Gehölz marschiren, in welchen, nur ein einziger Weg in der gewünschten Richtung führte. Der Weg ward anfangs der Cavalerie und der Artillerie überlasse», und die Divisionen mußten sich durchschlage», so gut es eben ging. Die leichte Ar tillerie folgte ihnen, solange sie konnte, sah sich aber, als da- Terrain schwieriger wurde, genöthigl, auf jenen Weg cinzulenken. Das Hauptquartier der Armee, dem mehre Batterien Artillerie folgten, kam zuerst aus dem Walde heraus an einer Stelle, dic^auf der Karte des Majors Jarvis als Mackenzie Farm bezeichnet ist, und befand sich sofort in der Flanke und im Rücken einer auf Baklschisarai marschircnden russischen Division. Sobald wir die Cavalerie sammel» konnten, griffen wir an. Cine bedeu tende Quantität Munition und werthvollen Gepäcks fiel uns in die Hände. Wir ver folgten den Feind nur 1Vr Meilen weit, da wir an jenen, Abend um jeden Preis die Tscherna-Rjetschka erreichen wollten. Die Russen verloren einige Mann, und wir machten einige Gefangene, unter denen sich ein Artilleriecapitän befand. Unser Wcitermarsch begann mit dem schwierigen Hinabstcigen durch eine steile Schlucht in die Ebene, durch welche die Tscherna-Rjetschka fließt. Die Cavalerie erreichte den Fluß vor Abend. Im Laufe der Nacht folgten ihr die drei ersten Divisionen, da die 4. Division bis zu», folgenden Tage auf den Höhen des Belbek gelassen worden war, nm die Communication mit der Katcka aufrechtzuerhalten. Dieser Marsch, welcher den Feind überraschte, war sehr lang und sehr mühsam, und mit Ausnahme der Mackenzie Farm, wo zwei Cister- nen uns einen spärlichen Vorrath lieferten, fanden die Truppen nirgends Wager. Al lein sie ertrugen die Anstrengungen und Entbehrungen mit der grössten Heiterkeit und setzten ihren Marsch am Morgen des 26. Sept. fort. Als wir uns Balaklava näher te», deutete nichts darauf, das, der Ort eine Besatzung habe. Als aber dem Marsche der Scharfschützcnbrlgade Widerstand entgegengesetzt und Kanonen aus einem alten Castell abgefeuert wurden in dem Augenblick, wo die Spitze der Cvlonne sich auf der Straße-zeigte, hielt ich es für angemessen, die beide» anliegende» Höhen durch die leichte Division und einen Theil der reitenden Artillerie des Cavitäns Brandling be setzen zu lassen. Diese Bewegungen endeten mit der Uebergabe Leö OrtS, der von einer kleinen Anzahl russischer Soldaten besetzt gewesen war. Bald nach der Besitz ergreifung wurden wir von dem Capitän Mewds vom Agamemnon und vou Sir Ed mund Lyons selbst begrüßt. Seine Cooperation wurde uns durch die Thätigkeit und Kühnheit des Lieutenants Marse vom Agamemnon gesichert, welcher in meine», Lager bei der Tscherna-Rjetschka in der Nacht vom 25. Sept, mit Depeschen ankam und sich erbot, sofort durch den Waid zurückzukehre», um Sir Edmund Lyons mitzutheilen, welche Wichtigkeit ich seiner Anwesenheit am Eingänge des Hafens von Balaklava am näch sten Morgen beilege. Diese schwierig« Botschaft trug er selbst durch das von den Ko sacken durchstreifte Land, sodaß der Admiral gerade in dem Augenblick vor dem Hafen erscheinen konnte, wo unsere Truppen sich auf den Höhen zeigten. Nichts kam ge legener als seine Anwesenheit. Gestern lief das Admiralschiff in den vortrefflichen Hafen ein, und der Admiral unterstützte, wie immer, mit allen ihm zugebote stehenden Mit teln die Anstrengungen der Armee. Wir sind eifrig damit beschäftigt, unsere Belage rungsartillerie und unsern Proviant auszuschiffen, und wir wünschen lebhaft, den An griff auf Sewastopol zu unternehmen, ohne einen Tag zu verlieren. Gestern ließ ich zwei Divisionen in die unmittelbare Nachbarschaft der Festung Sewastopol vor rücken, welche ich mir auf diese Art gut ansehen konnte. Generallieutenant Sir John Bourgoyne und General Bizot, Commandant des französischen Geniecorps, sind damit beschäftigt, die Festung aus noch größerer Nähe zu recognosciren. Der Marsch des französischen Heeres am 25. Sept, war noch anstrengender und länger als der unserige. Da es hinter uns marschirtc, so konnte es die Tscherna-Rjetschka erst am folgenden Tage erreichen, und ich fürchte, daß es stark an Wassermangel gelitten hat. Ich bedaurc Cw. Gnaden mittheilen zu müssen, daß Marschall St.-Arnaud sich durch Krankheit genöthigt gesehen hat, den Befehl über das Heer niederzulcgen. Ich sah ihn am 25. Sept- Er war sehr leidend und hielt es für seine Pflicht, am Morgen des folgenden Tags zurückzutreten. Sein Rücktritt erregt mein lebhafteste- Bedauern, da ich ihn stets bereitgcfunden habe, mit mir im Einklang zu bandeln. Seitdem hat sich sein Zustand bedeutend verschlimmert, und ich halte denselben für sehr bedenklich. Glück licherweise hat er einen Offizier von hoben, Verdienst zum Nachfolger, den General Canrobert, mit dem in Gemeinschaft ich jedenfalls mit großem Vergnügen agiren werde und der gleichfalls den Wunsch hegt, mit mir die freundschaftlichsten Beziehungen zu unterhalten. Raglan. — Folgendes ist der Schluß des gestern begonnenen Berichts des Spe- cialcorrespondenten der Times über die Schlacht an der Alma: Die 2. Division, von Sir de Lacy Evans muthig geführt, ging über den Fluß zur Rechten. Das 7. Fiisilierrcgiment, geführt vom Obersten Nea, wurde zu Funf- zigen niedergeinäht. Das 55., 30. und SS. Regiment, geführt vom Brigadegeneral Pennefather. der im heißesten Gefecht sich befand und seinen Leuten ermunternd zu- ricf, ward freilich zu wiederholten malen ausgehalten, wich aber bei seiner Vorwärts bewegung, die sich durch das wilde Geknatter der Miniebuchsen bemerklich machte, kei nen Schritt zurück, und der Brigadegeneral Adams drang tapfer, sie in, Kampfe unter stützend, mit d«m 41., 47. und 4S. Regiment den Hügel hinauf. Sir George Brown, auf grauem Roß Allen vorleuchtend, ritt in der Fronte seiner leichten Division, mit Ruf und. Geberde sie anfeuernd. Wackere Bursche! sie sind eines so Wackern Führers würdig. Das 7. Regiment, um die Hälfte vermindert, zog sich zurück, um von neuem seine Colonne« zu formtreu; das 23. eilte, obgleich es acht Offiziere durch den Tod und vier durch Wunden verloren hatte, doch vorwärts, unterstützt vom 15., 33., 77. und 88. Regiment. Niederstürzte Sir George in einer Staubwolke vor der Batterie, aber gleich hob er sich wieder und rief: „Dreiundzwanzigstes, ich bin wieder in Ord nung; stets, des seid gewiß, werde ich dieses Tags gedenken." Und so führte er sie wieder vorwärts, aber bei der augenblicklichen Bestürzung, welche der Fall seines Füh rers hervorrief, litt das wackere Regiment furchtbar. Unterdessen stürmten zur Rechten der leichten Division die Garden und die hochländische Brigade die Höhen zur Linken. Ihre Linie war fast so regelrecht, als paradirten sie im Hydcpark. Plötzlich kam ein Kanonen- und Kartätschenhagel herangesaust und ein von hinten sie fassendes Mus- ketenfeuer lichtete ihre Rethen zu Dutzenden. ES lag auf der Hand, daß wir eben im Stände waren, mit den Russen, die durch ihre starke Stellung begünstigt waren, uns zu messen. Gerade jetzt sah man eine ungeheure Masse russischer Infanterie nach der Batterie sich hinabbewegen. Sie machte Halt. Es war die Krisis des Tags. Hart, eckig und fest sahen die Russen aus, als wären sie aus massivem Fels gehauen. Es war zweifellos, daß, wenn unsere Infanterie, ermüdet und gelichtet wie sie war, gegen die Batterie drang, sie einem furchtbaren Feger, daß sie nur schlecht aushalten konnte, begegnen würde. Lord Raglan sah die schwierige Lage. Er fragte, ob es möglich sei, ein paar Kanonen herbeizuschaffen, um sie auf jene Massen zu richten. Die Antwort war Ja, und ein Artillerieoffizier, dessen Namen ich nicht weiß, brachte zwei Kanonen auf den Platz und feuerte auf das russische Quarre. Der erste Schuß traf nicht; aber der zweite und der dritte, und die übrigen fuhren durch die feindlichen Reihen so gerade und scharf, daß man einen Augenblick deutlich eine Gasse durch das russische Quarre sich ziehe« sehen konnte. Nach einigen Dechargen zeigten sich die Colonnen des Quarre erschüttert, wankten auf und nieder, brachen und flobeu über die Höhe des Hügels, wobei sie sechs oder sieben deutlich zu unterscheidende Reihen von Todten, welche möglichst dicht nebeueinanderlageu, hinter sich zurücklteßen. Dieser Act befreite unsere Infanterie von einem tödtlicheni Alp, sie setzte jetzt ihren herrlichen und furcht losen Marsch den Hügel hinan fort. Der Herzog ermuthigte seine Leute mit Ruf und Beispiel und zeigte, daß er seines hohen Commandos und der königlichen Abneu, von denen er stammt, würdig sei. „Hochländer", sagte Sir Loli» Campbell, ehe sie zur Charge kamen, „ich bitte euch um cine Gunst: drückt eure Gewehre nicht eher ab, als vis'ihr eine Elle von den Russen seid." Sie chargirte» und wohl gehorchten sie dem Wunsche ihres Führers. Sir Colin ward daS Pferd unter dem Leibe erschossen, aber seine Leute nahmen die Batterie in Einem Ansatz. Die Russen stürzte» fort u»d ließe« viele Lobte binter sich. Die Garden hatten die rechte Seite der Batterie gestürmt, ehe die Hochländer an die linke gelangt waren, und die schottischen Garde- süflliere solle» die Erste» gewesen sein, welche eindrangen,. Die 2. und die leichte Division krönte« die Höhen. Die Franzosen wandten die Kanone» auf den Hügel» gegen di« fliehende» Massen, welche hie Cavalerie vergeblich zu decken strebte. Noch hier und da ein Kampf mit der zerstreuten Infanterie, ein paar Salven Kanoucn- und Musketenschüsse, und der Feind floh in südöstlicher Richtung; er ließ drei Gene ral«, Trommel», drei Kanonen, 700 Gefangene und 4000 Verwundete hinter sich zu rück. Die Schlacht an der Alma war gewonnen. Sie war gewonnen mit einem Ver lust von beinahe 3000 Tobten und Verwundeten auf unserer Seite. Der Rückzug der Russe« wurde von ihrer Cavalerie gedeckt, doch wenn wir eine entsprechende Macht gehabt hätten, würden wir viele Kanonen erbeutet und eine große Zahl Gefangener gemacht haben könne». — Die Berichte aus Rustschuk vom 4. Oct. sind voll von Mittheilun- gen über die Bewegungen der türkischen Armee. In großen Massen ziehen sich die Türken von allen Richtungen gegen Schumla und von dort gegen die Dobrudscha. Omer-Pascha leitet die Bewegungen selbst und war in den letzten Tagen des Monats September fortwährend auf der Reise. Milte October soll das Hauptquartier nach Schumla verlegt werden. Berichte aus Galacz vom 4. Oct. melden, daß die Operationen gegen Bessarabien durch Omer-Pascha von drei Seiten, und zwar von der Do brudscha, über den Pruth und dem Meere aus beginnen werben. Zum Commandanten der Garnisonen in Braila und Galacz wurde der österrei chische Brigadegeneral Frhr. v. Augustin ernannt. Die österreichischen Truppen sind bisjetzt bei den Bürgern untergebracht; doch werden zwei Ka sernen für dieselben eingerichtet, welche in 14 Tagen bezogen werden können. H-Bon der Donau, 10. Oct. Die Dienstbercitwilligkeit, mit welcher die Bewohner der Krim den Alliirten entgcgenkommen, erklärt sich leicht. Obwol die Krim bereits 70 Jahre unter der russischen Regierung lebt, so ist doch diese nicht von der Beschaffenheit, fremde Nationalitäten und Religionen mit sich auszusöhnen. Der Tatar der Krim, der Moham medaner, ist in dieser langen Zeit ebenso wenig wie der Pole ein guter Russe geworden. Dazu kommt aber, daß im Gedächtnisse des krimschen Volks die Art und Weise fortlebt, auf welche sein Land unter russische Botmäßig keit kam, und die Grausamkeiten, welche dieselbe befestigten. Durch ähn liche diplomatische Künste wie Polen ward die Krim Rußland einverleibt. Der Khan, ein Wahlfürst, und mehre Oberhäupter der Stämme erklärten infolge der Bestechung, daß sie nur unter der sanften und weisen Regie rung der russischen Kaiserin Glück und Ruhe finden könnten. Als die Ta taren widersprachen und sich widersetzten, wurden im Jahre 1783 auf Be fehl Potemkin's 30,000 Männer, Weiber und Kinder niedergemacht. Dazu kam bald darauf eine Verpflanzung eines großen Theils der Bewohner der Krim in andere russische Provinzen. Das sind die Rechtstitel, welche Ruß land auf die Krim und die Liebe feiner Bewohner hat, weshalb es nicht auffallen darf, wenn sich die Sympathie der Letztem jetzt den Alliirten und unter diesen vorzüglich ihren Religionsverwandten, den Türken, deren Sul tan ihr früherer Schutzherr war, zuwendet. Dieselbe Erfahrung der Ab geneigtheit seiner eroberten Länder, die Rußland bereits in Kaukasien und der Krim gemacht hat, wird es bald in noch höherm Grade machen, wenn der fortdauernde Krieg die Grenzen des russischen Polen und Finnlands überschreiten wird. Amerika. Der Postdampfer Arctic zwischen Liverpool und Neuyork ist am 26. Sept, versunken. Von 200 Passagieren, welche sich auf demselben befanden, sind 46 bestimmt gerettet. Die Post ist wahrscheinlich verloren. Ostindien und China. Der Dampfer Kalkutta brachte Nachrichten aus Ostindien bis zum 11. Sept, nach Triest; dieselben bieten wenig politisches Interesse. Aus Kalkutta wird vom 4. Sept, berichtet, daß mehre Pendschabregimenter ihre Dienste für den orientalischen Krieg freiwillig angeboten hatten. In Assam sind Goldlager entdeckt worden. Das Journal Englishman meldet gerücht weise den Tod des persischen Schah (muthmaßlich fälschlich). — Nach richten auch Hongkong reichen bis zum 22. Aug. Sir John Bowring war von seiner Inspektionsreise nach Tutscha, Amoy und Schanghai zurückge kehrt. Die Insurgenten, im Norden des Reichs geschlagen, haben einige Vortheile in der Provinz Keanghe davongetragen. — Nachrichten aus Kan ton vom 21. Aug. zufolge besorgte man die Einnahme der Stadt durck die Insurgenten wol nicht, doch behaupteten diese fortwährend ihre drohende Stellung. «Königreich Tachse«. Pillnitz, 0. Oct. Se. Maj. der König ertheiltcn heute dem außer ordentlichen Abgesandten des Kaisers der Franzosen und Mit- gliedc des französischen Senats, Baron v. Bourgoing, eine Partikular- audienz und nahm aus dessen Händen ein Schreiben seines Kaisers ent- gegen. (Dr. I.) * Leipzig, 14. Oct. Um allen Misvcrständniffen zu begegnen, er wähnen wir, daß der Packmcister, welckcc sich so bedeutende Diebstähle zu schulden kommen ließ, wie unser dresdener - Korrespondent in Nr. 230