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2V4L Ek ch K> ei z. Aus der Schweiz, 11. Oct. Der BundeSrath hat beschlossen, gegen die bei dem Wasfenschmuggel nach der Lombardei Betheiligten von sich aus keine gerichtliche Verfolgung anzustellen, weil die Hauptschuldigen, lau ter Flüchtlinge, entweichen konnten; di« übrigen betheiligten Flüchtlinge sollen ausgewiesen und der Büchsenmacher Fischer von Chur seiner CantonSregie- rung zur Bestrafung nach kantonalen Gesehen überwiesen werden. Btalten. Neapel und Sicilien. Aus einem uns zugestcllten Privatschreiben aus Messina voni 23. Sept, ersehen wir, daß die Cholera dort seit dem 6. Sept, in entschiedenem Abnehmcn und am Tage des Abgangs des Briefs fast ganz verschwunden war. Die Stadt bekam nach und nach in den Morgenstunden ihr gewöhnliches Ansehen; nur war von Geschäften fast noch so gut wie gar nicht die Rede. Die Flüchtigen hatten bereits begon nen, wieder nach Messina zurückzukehren, wurden aber durch mehre Todes- fälle, die sie betraf n, wieder erschreckt, und wollen nun Viele nicht eher ganz zurückkommen, als bis die furchtbare Seuche gänzlich von der Stadt gewichen ist. Spante«. Madrid, 8. Oct. Die Gaceta de Madrid veröffentlicht zwei Dekrete, von denen das eine die Auflösung der Nationalgarde von Sevilla wegen Theilnahme an Unordnungen, die in dieser Stabt vorgckommen, auS- spricht, das andere Vorarbeiten für die Anlegung einer Eisenbahn durch Altrastilien, mit Umgehung der Gebirge, anordnct. — Nach der Espana hat, weil die letzten Entlassungen eine Lücke in den Cadres der Armee gemacht haben, die Regierung beschlossen, 25,000 junge Soldaten unter die Fahnen zu rufen. Die ersten RekrulenauShebun- gcn sollten sofort beginnen. Frankreich. L Paris, 12. Oct. Wieder ängstliche Erwartung in allen Kreisen der Nachrichten aus dem Schwarzen Meere. Die Ruffenfreunde, welche muthlos und kleinlaut geworden, gewinnen wieder etwas Leben und Stimme. „Sewastopol ist noch nicht gefallen und kann sich halten", hört man hier und da in gewissen Salons wieder aussprechen. „Mentschikow", hört man ferner sagen, „zieht die Streikkräfte der ganzen krimschen Halbinsel an sich, die weit beträchtlicher sind als es die gefälligen Organe der Wcstmächte angegeben." Diese Hoffnungen von der einen Seite erzeugen einige Be sorgniß von der andern Seite, und es wird nach einer Entscheidung ver langt. In höher« Kreisen ist man wieder guten Muths; die osficiellen Berichte, die selbst aus mancherlei Gründen nicht veröffentlicht werden, lau ten sehr günstig, und man lächelt in diesen Kreisen über die Berichte, die von untergeordneten Offizieren auS der französischen Armee an Privat personen eingelaufen und denen gemäß ein Angriff auf die Russen vor dem 4. Oct. gemacht werden müsse, weil bis dahin die zerstreuten Streit kräfte conccntrirt sein und den Alliirten entgegentreten würden, daß Sewa stopol entweder bis zum 10. Oct. in den Händen der Belagerer sein müsse oder für dieses Jahr uneinnehmbar wäre, und was dergleichen Gerede mehr ist, was ich nur mittheile, um mich meiner Pflicht als Berichterstatter zu entledigen. — Das Tagesereigniß ist ein Artikel Granier's aus Cassagnac im Con- stitutionnel, der Rußlands Eroberungstendenzen nicht mit Zorn und im Namen des verletzten Rechts, sondern mit kaltem Hohn wegen des gänzlichen Mangels an Beruf dazu bloßstellt. Es gibt nach dem Ver fasser Eroberungen und Eroberungen: berechtigte, welche die Verbreitung der Civilisation zum Zweck haben, und unberechtigte, deren einziger Zweck das Herrschen ist. „Welche Wohlthat der Gesittung", fragt er, „hätte nun aber Rußland der Welt bringen können? Hat es in Polen, Finnland, Armenien, Bessarabien, der Krim und andern Ländern etwas Anderes gethan als den Absolutismus der Gewalt bis zu ihnen zu verbreiten? Welche Beispiele der Rechtschaffenheit, Ordnung und guten Verwaltung haben die russischen Ge nerale in den unglücklichen Donauprovinzen, für deren Protektor der Zar sich so laut erklärte, gegeben? Welcher Einbruch von Nothhäuten wäre die sen Gegenden verderblicher gewesen als die Ankunft der «Schutzheere»? Ist es nicht natürlich, daß das menschliche Bewußtsein sich zuletzt gegen solche Negierungen empört?" Die Türken, meint Granicr aus Cassagnac, obwol den andern großen Nationen an gewerblicher und Handelsthäligkeit nach stehend, werden dagegen von Niemand an Rechtschaffenheit, Toleranz, Pa triotismus und Muth übertroffen. Abgesehen vom europäischen Gleich gewicht wäre daher die Festsetzung der Russen im Orient für die Religions- und bürgerliche Freiheit sowie für die Civilisation im Allgemeinen ein wah res Unglück gewesen. Zu mehr praktischen Betrachtungen übergehend, fragt dann der Verfasser: „Bis wohin wird die gerechte Genugthuung für das Gerechtigkeitsgefühl wie für die Sicherheit der Völker gebracht werden? Es wäre heute unmöglich, dies zu sagen. Ehe das Schwert aus der Scheide war, hätte Rußland sich sehr wohlfeil herausziehen können. Man kennt jetzt die gerechten und unwiderruflichen Foderungcn der Alliirten; aber der gesunde Menschenverstand lehrt, daß diese Foderungcn, ohne aufzuhören ge recht zu sein, mit dem Kampf, den Opfern, dem vergossenen Blut noch stei gen können. Unter der Bedingung, das Protektorat über die Griechen, welche türkische Unterthanen sind, aufzugeben, vom Protektorat der unrechtmäßiger weise überfallenen Donaufürstcnlhümer ausgeschlossen zu werden, die Möglich keit zur Störung der Donauschiffahrt einzubüßcn, seine übermäßige und recht lose Herrschaft im Schwarzen Meere zu verliere» — kann Rußland heule den Frieden haben; aber wer begreift nicht, daß das Looö der Waffen ihn mor gen viel theuer machen kann» WaS di« militärisch«, finanzielle und mora lisch« Macht bttrifft, die nöthig ist, um das Unternehmen der verbündeten Mächte zu Ende zu führen, so kann Niemand vernünftigerweise glauben, sic sei nicht vollkommen hinreichend." „Rußland selbst bietet die Hand zu seiner Niederlage", raisonnirt dann Granier aus Cassagnac weiter, „und zwar ist es gerade der Despotismus, der bisher seine Stärke auszumachen schien, der seinen Fall herbeiführcn wird. Wenn man von den Völkern nur Gehorsam verlangt, so kann Terrorismus wol aushelfcn; aber im Augenblick der Gefahr, wo cs sich um Hingebung und Mitwirkung handelt, fühlen solche Völker nur Gleichgültigkeit, wenn nicht Haß gegen ihre Herren." Zwischen diesen Betrachtungen des Verfassers und seinen Schlußworten, worin er was jetzt geschieht als die Verwirklichung der 1812er Idee Napoleon's l. schildert, mag wol ein innerer Zusammenhang sein, und cS ist höchst be- merkenswerth, wenn er ausruft: „Europa, durch die Theilung Polens Rußland aufgethan und durch die Verträge von 1815 ihm auf Gnade oder Ungnade in die Hände geliefert, wird seine Freiheit und Würde wiedcr- erobern und die orientalische Barbarei, die bereitsteht, die Freiheit des Westens unter dem asiatischen Despotismus und die reine christliche Tradi tion unter dem griechischen Schisma zu erdrücken, über den Niemen zurück werfen. Die Idee von 1812 wird siegen, weil der praktische Genius Napo leon's III. sie allen Völkern begreiflich gemacht hat. Der Schatten des modernen Karl's des Großen wird den Ruhm haben, nach seinem Tode durch seinen Geist zu bewirken, was er bei Lebzeiten mit seinem Schwert uicht bewirken konnte." — Hr. Barbe S, auf Befehl des Kaisers aus dem Gefängniß von Bellc- Jsle entlassen, ist hier eingetroffen. Man hat ihn buchstäblich vor die Thür seines Kerkers sehen müssen. Heute Morgen zeigte er sich in den Bureaux mehrer Journale, denrn er folgende Protestalion zugestcllt hat: Ich komme zu Paris an, ich ergreif« die Feder und ich bitte Sle, diese Note ohne Säumen in Ihr Journal einzuracken. Ein Befehl, dessen Beweggründe ich nicht untersuche — denn ich habe nicht die Gewohnheit, die Gesinnungen meiner Feinde anzuschwärzen —, ist am 5. Oct. dem Director des Gefängnisses von Belle-JSle er- theilt worden. Bei der ersten Mttthcilung dieser Kunde habe ich mit dem Schmerz des Besiegten geknirscht und mich so sehr als ich cs vermochte zwei Tage lang ge weigert, mein Gefängniß zu verlassen. Ich komme jetzt hierher, um mehr aus der Nähe zu sprechen und mich besser gehört zu machen. Was liegt Dem, der kein Recht auf mich hat daran, ob ich mein Land liebe oder nicht? Ja, der Brief, den man gelesen hat, ist von mir, und die Größe Frankreichs ist, seit ich eine» Gedanken habe, meine Religion gewesen. Aber noch einmal, was liegt Dem, der außerhalb meines Glaubens und meines Gesetzes lebt, daran, ob mein Herz diese Gesinnungen hegt? Ist nicht durch den Decemberstreich für immer ein Kampf ungesagt zwischen mir unk Dem, der ihn verübt bat? Abgesehen also von meiner verletzten persönlichen Würde, gebietet mir meine Pflicht als loyaler Feind, Alle» und Jede»! hier zu erklären, daß ich aus allen meinen Kräften die in Betreff meiner getroffen- Maßregel zurückweisc. Ich werde zwei Tage in Paris zubriugen, damit mau Zeit hat, mich wieder ins Ge fängniß zu stecken. Ist diese Frist vorüber, so eile ich von freien Stücken in die Ver bannung. Mittwoch, II. Oct., 10 Uhr Morgens. Barbes. Großbritannien. -^London, 11. Oct. Lord Aberdeen war, seiner Zusage getreu, vorgestern in der Stadt Aberdeen zu Gaste, als sein Bild im dortigen Stadlhause feierlich ausgestellt wurde. Er erwiderte die schmeichelhafte An rede der obersten Stadtbehördcn ungefähr folgendermaßen: „Als ich das letzte mal die Ehre halte, in diesen Räumen zu erscheinen, geschah es, um Ihnen meinen verstorbenen berühmten und für immer zu betrauernden Freund Sir R. Peel vorzustellen. Seit jener Zeit gefiel cs Ihrer Maj, mir seinen Posten anzuvertrauen, den er zum unberechenbaren Wohle des Landes mehre Jahre eingenommen halte. Als ich gewürdigt wurde, sein Nachfolger zu werden, hielt ich es für meine Pflicht, die Grundsätze d-r Negierung, an deren Spitze ich stehen sollte, kurz und allgemein, aber dem- lich auseinanberzusetzen. Ich habe keine Veranlassung gefunden, diesen Grundsätzen untreu zu werden. Im Gegenthcil ist es mein Wunsch, an ihnen fcstzuhalten. Zum Vertheidiger der Peel'schen nationalökonomischen Principien braucht sich heutzutage Niemand mehr aufzuwerfen, denn sie sind anerkannt von Allen, selbst von seinen früher» Gegnern. Was mich be trifft, erklärte ich, daß die Hauptgrundsätze meiner Verwaltung auf den Ge danken des conservativen Fortschritts basirt seien. Man versuchte den Sinn dieser Erklärung in Zweifel zu ziehen, man behauptete, er sei unbestimmt und nicht leicht zu fassen. Ich aber wollte damit nichts Anderes gesagt haben, als daß ich, während die großen Institutionen des Landes und die fundamentalen Principien der Verfassung heilig bewahrt werden sollen, nichtsdestoweniger in jedem Departement des Staatö furchtlos reformirend Hand anlcgen werde. Denn ich trage die Ueberzeugung in mir, daß nur mit diesen Grundsätzen eine Negierung in England sich lange halten und die Unterstützung des Volks verdienen kann. Wahr ist es, daß ich bei je- ner Gelegenheit es für meine Pflicht hielt zu erklären, daß die Politik der Negierung eine Politik des Frieden sei. Man wird zugcbcn, daß wir uns bemühten, diesem Programm trcuzublciben. Ja ich bin über zeugt, daß uns daS Land jetzt deshalb so hingcbcnd in diesem nothgedrun genen Kriege seine Unterstützung im vollsten Maße angedcihen läßt, well es weiß, daß wir ihn aufrichtig vermeiden wollten. Ich halte mich, aufrich tig gestanden, mit beinahe verzweifelter Zähigkeit bis zum letzte» Augen blick an Friedenöhoffnungen geklammert; sobald aber der Krieg nicht mehr ab- zuwendcn war, erklärte ich für meine Person, ihn mit äußerster Kraftanstrcn- gung führen zu wollen. In diesem Augenblick darf ich wol die Frage stelle», ob dieses Versprechen etwa nicht treulich gehalten wurde? Bedenken Sie. meine Herren, was in den letzten sechs Monaten vollbracht worden ist. Es wurde ein Heer gesammelt und außer Landes geschickt, wie England nie ein besseres gesehen, der Herzog v. Wellington nie besessen Hai; nicht weniger