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1W9 die Nachricht eingelaufen, daß am 28. Sept. Nachmittag- die Alliirten ohne Widerstand zu Balaklava mit ihren Belagerungsgeschützen gelandet sind. (Rr. 235.) Hieraus ergibt sich denn unzweifelhaft, daß die vielerwähnten mündlichen Mittheilungen des Tataren zu Bukarest nicht begründet waren." Der Lloyd fährt dann fort: „Da Balaklava nur zwei deutsche Meile» von Sewastopol entfernt ist, eine vortreffliche Poststraße dahin führt und auch kein Hinderniß dort besteht, um sich Sewastopol zu nähern, so ist anzuneh- men, daß zwei Tage nach der Landung, also am 30. Sept., der Angriff auf Sewastopol Hal beginnen können. Die Depesche läßt uns nur im Dun keln darüber, welches Corps der Alliirten dort landete und welche Stärke cS hatte. Die Poststraße von Balaklava führt gegen den innersten Hafen von Sewastopol und bedroht ein Vorrücken auf derselben die schwächste Po sition Sewastopols. Hier im Süden befinden sich keine Forts, sondern Ma- gazine, das Hospital, Kasernen, die Docks rc. Nehmen die Alliirten von den Höhen im Süden Besitz, so können sie die russische Flotte mit Leich tigkeit in Grund und Boden schießen, oder dieselbe muß sich bequemen, jener der Alliirten die Stirn zu bieten. Alle wichtigerer Forts befinden sich im Norden: die Forts Konstantin, Katharina, Alexander, Nikolaus und St.- Paul, sowie dir Feldveste und die Batterien. Das Gelingen dieser Diver sion im Süden muß den Angriff im Norden, von den Belbrkschluchten aus, ungemein erleichtern und den Fall Sewastopols nach sich führen. Bala klava verdankt seine Existenz einer kleinen, ganz schmalen Bai, die, wie ein Haken gekrümmt, ins Land hineingeht. Sie correspondirt mit den größern Baien von Sewastopol auf der nördlichen Seite des Herakleotischen Cherso- nesus, ist auf der ganzen, sonst ziemlich ununterbrochenen Südküste einzig in ihrer Art, hat alle Erfodernisse eines guten Hafens, ist tief, klippenlos und ohne Sandbänke vor ihrer Mündung. Die Berge und Felsen, welche sie umgeben, sind vier bis fünf mal höher als die schroffen Ufer der sewa- stopolischen Buchten, und da sie sich ganz hinter ihnen versteckt, so ist jedes Schiff, das diesen Hafen erreicht, so sicher wie ein Schatz, der in die Erde vergraben wird. Dazu genießt dieser Erdflcck auch dieselben Vortheile Ler geographischen Position mit Sewastopol. Daß er aber dennoch jenem nachgcsetzt wurde, erklärt sich daraus, daß die balaklavasche Bucht nicht geräumig genug ist und nur für wenige Schiffe Platz hat." Daß der Fall Sewastopols von den Russen vielleicht doch nicht abgewendet werden wird, scheint gleichwol vorhergesagt werden zu können, und eine von der Frankfurter Postzcitung veröffentlichte Depesche bringt auch bereits die Be glaubigungen. Es wird ihr nämlich aus Paris vom 6. Oct. telegraphirt: „Aus Marseille vom gestrigen Datum ist folgende Depesche hier eingegangen: Bei der Abfahrt des englischen Regierungs dampfers Fury wurde verkündet, daß die zweite Vcrtheidi- gungslfnie Sewastopols erstürmt worden und die ganze Fe- Kung von den Verbündeten, welche am 27. Sept, die Höhen besetzt hatten, eng eingeschlossen sei. Eine Abtheilung der russischen Flotte, welche eS versuchte, den Hafen zu verlassen, wurde von dem Contveadmiral Bruat mit 14 Schiffen zurück- geschlagen. Die Hochfläche an der Alma wurde von denVer- bündeten, ungeachtet des Feuers von hundert russischen Kano nen, im Sturm genommen." 'In seiner Morgenausgabe vom 5. Oct. sagt der Lloyd: „Sewastopol wird nun von zwei Seilen angegriffen werden oder ist vielmehr angegriffen worden; denn die Alliirten dürfen und werden dem Fürsten Mentschikow keine Zeit lassen, Verstärkungen an sich zu ziehen, die, wie officielle Be richte aus Odessa melden, von dorther und aus den anliegenden Gouver nements in vollem Anzuge sind, jedoch in ihrer Stärke keinen Vergleich mit jenen aushalten können, die den Alliirten fortwährend zugeführt wer den und ihnen noch zugebote stehen. Fürst Mentschikow hat sich infolge des siegreichen Vordringens der Alliirten gezwungen gesehen, seine Truppen -in Baktschisarai zu concenlriren. Diese Thatsache ist ein offenes Geständ- «iß: Sewastopol sei unhaltbar. Der russische Feldherr sucht den Truppen, die bestimmt waren, Sewastopol zu Vertheidigen, den Rückzug zu sichern; « will sie nicht zwecklos opfern, er versucht es nicht weiter, das Vorrücken der Alliirten zu hindern. Zn der Letztern Interesse kann es vorläufig nicht liegen, den Kürsten Mentschikow zu verfolgen; es würde dadurch nur seine Absicht,, Zeit zu Verstärkungen zu gewinnen, erreicht werden; ein kleiner Theil ihrer Truppen reicht hin, seine Bewegungen zu beobachten, die, so lange er sich nicht in besserm Zustande als jetzt befindet, den Alliirten bei ihren Operationen nicht hinderlich sein werden. Daß die Verbündeten zu einer raschen That entschlossen sind, davon zeugt die Depesche aus Kon stantinopel vom 30. Septi, worin Lord Redcliffe meldet, in Balaklava hätten Ausschiffungen der Reservetruppen sowie von Geschützen stattgefun den. Im Süden und im Norden von großen Streitkräften, denen eine mächtige Flotte zur Seite steht, angegriffen, kann das Schicksal Sewasto pols keinem Zweifel unterliegen. Zu spät werden die russischen Verstär kungen kommen, und Rußland wird es bedauern, seine Feinde so unter schätzt und seine eingebildete Stärke so hoch veranschlagt zu haben." Der wiener Copirten ZeitungS-Korrespondenz entnehmen wir ferner folgende Mittheilungen: „Die heutige Landpost aus Konstantinopel bringt Berichte vom 27. Sept. Es war dort offiriell bekannt, daß die alliirten Truppen schon am 25. Sept, bis in die Nähe von Sewastopol vorgedrun- gen waren Und zur Landseite das Dorf Milia, eine Stunde von Sewasto pol entfernt, besetzt hielten. Ebenso bestätigt cs sich, daß die Flotte den außerhalb der Hafenbefestigungen gelegenen Quarantänehafen, die dort be findliche St.-Wladimirkirche und die Kaserne genommen hat. Die Opera tionen gegen Sewastopol selbst sollten gleichzeitig von der Land - undWasser- . srite am 26. Sept, beginnen. Ebenso wird bestätigt, daß Fürst Mcntschi- ! kow die Rettung der Flotte und des HafenS aufgegeben habe, wenn nicht ! in kurzem Entsatztruppen in genügender Zahl eintreffen; doch hat er be schlossen, den Platz solange als möglich zu halten. Ebenso ist eS richtig, daß Fürst Mentschikow das Commando von Sewastopol dem Kriegsgouver- j neur Michael Nikolajewitsch Stanjukowitfch übertragen, sodann mit allen > verfügbaren Truppen in das Baklschisaraigebirge gezogen ist und dort eine Flankenstellung eingenommen hat, die er beim Eintreffen von Verstärkungen mit Vortheil zu benutzen gedenkt. Die über Bukarest hier cingelangte Nachricht, daß die Russen am 27. Sept, eine zweite Schlacht an der Belbek verloren haben, kann nach Vergleich der vorliegenden officicllen Depeschen als richtig bezeichnet werden. ' Die russische officielle Depesche meldete, daß die Russen am 26. Sept, an der Katcha standen. Nach den österreichischen officiellen Depeschen waren die Alliirten am 27. Sept, an der Belbek. Die Russen müssen sonach an diesem Tage schon über die Belbek sich zurückgezogen haben. Das Kriegs- ! theaker war sonach an diesem Tage auf etwa eine Quadralmcile der Um- ! gebung Sewastopols zusammengedrängt. Die Belbek ist von Sewastopol nur 45 Minuten Wegs entfernt. Heute sind endlich über Jassy genaue Mittheilungen ans der Krim eingetroffcn, welche dir Ereignisse bei Sewastopol erleuchten- Am 28. Sept. Morgens war Sewastopol noch in den Händen der Russen, 'doch hielt man den Fall des russischen Gibraltar für nahe bevorstehend. Es bestätigt sich vollkommen, daß die alliirten Truppen von der Landseite auf der an dem Meeresgestade hinführenden Straße bis zu den Abhängen von Sewastopol vorgedrungen sind, gleichzeitig aber noch eine zweite Aufstellung mit der Fronte gegen das Baklschisaraigebirge eingenommen haben, um die Russen, die dort eine Stellung gefaßt, anzugreifen. Am 25. Sept, entbrannte in diesen Gebirgsschluchten der Kampf; am 26. und 27. Sept, wurde er mit entschiedenem Glück für die Alliirten fortgesetzt, in deren Hände ein Defile nach dem andern fiel, und es erscheint die vor Sewastopol eingenommene Stellung von Tag zu Tag gesicherter. Die Verstärkungen, auf die Fürst Mentschikow rechnet, müssen sich beeilen, den Kampfplatz zu erreichen, wenn sie Sewastopol retten wollen. BiSjeht liegt die Möglichkeit nicht vor, daß sie Simpheropol vor Mitte Oclobcr erreichen könnten." — Das türkische Bulletin vom 24. Sept, über die Almasch lacht in der Krim, geliefert am 20. Sept., sagt: „Heute (24. Sept.) gegen 9 Uhr kam der Orenoque mit der Nachricht, daß die Garnison von Sewastopol, 45,000 Mann stark, mit 100 Geschützen, mit Zurücklassung von blos 15,000 Matrosen, vollständig die Stadt verließ und den verbündeten Ar meen entgegenzog, denen gegenüber sie sich bald am Ufer deS Almaflusscs befand. Die Russen hatten ihre Stellung auf den Höhen, nicht weit vom Fort Sievernaya, welches die Stadt beherrscht und sie schützen sollte, eingenommen. Sie hatten Zeit, zwei Redoutenlinien aufzuführen. Die verbündeten Armeen näherten sich, der rechte Klügel der englischen traf mit dem Feinde zusammen, welcher gegen den linken Flügel der französischen Armee gedrängt und auf diese Weise zwischen zwei Feuer gerathen, sehr große Verluste erlitt. Infolge der Bodenbeschaffenheit konnte der französisch- türkische Flügel nur unvollkommen mit seiner Artillerie operiren. In dem nun fast allgemein gewordenen Angriffe wurden die Russen aufs äußerste verfolgt, und sie mußten nach fünfstündigem Gefechte, von der 3. französi schen und der 3. englischen Division mit dem Bayonnet angegriffen, die erste Linie ihrer Verschanzungen verlassen. Ganz besonders entwickelten die Zuaven einen unerschrockenen Eifer in dieser Verfolgung. 12,000 Mann der russischen Garde wurden von der Seite angegriffen, und der Rest dieser Division, welche sich, wie wir gestehen müssen, mit einem seltenen Mulhe benahm, zog sich in guter Ordnung in die zweiten Verschanzungen zurück. Wenn die verbündeten Truppen Cavalerie gehabt hätten, so würden sie eine große Anzahl Gefangener gemacht haben. Der Marschall de St.-Arnaud befehligte persönlich diese wichtige Action, welche als glückliche Vorbedeutung für den entscheidenden Erfolg der Campagne ist. Man sah einem noch mörderischer« Gefechte für den 23. Sept, entgegen, nach welchem man so fort den Angriff auf Sewastopol beginnen wollte. Der Verlust der Russen ist ungemein groß. Die verbündeten Armeen zählten zwischen Tobten und Verwundeten 3000 Mann als kampfunfähig. General Canrobert ist an der Schulter verwundet. General Thomas wurde von einer Kugel in die Hüfte getroffen, an Bord des Orenoque nach Konstantinopel und sogleich ins Hospital gebracht. Beim Abgang des Orenoque verkündete man, daß mehre Schiffe der Flotte von Sewastopol ausgelaufen und unmittelbar darauf die Dampfboote entsendet wurden, um ihnen den Rückzug abzu- schneiden. Man glaubte, die Absicht der Russen sei, die verbündeten Flot ten auf die hohe See zu locken, um dann über die Transportschiffe hcr- zufallen und sie zu verbrennen. Dieses Vorhaben wurde jedoch rasch vereitelt." Einem andern Bulletin des Jmpartlal entlehnen wir noch folgende Details: „Die Chefs konnten dem Eifer der französischen Soldaten kaum Einhalt thun. Die Schützen beiyächtigten sich zuerst des Dorfes Alma, und gleichzeitig überschritten die Division Bosquet und die Türken den Fluß. Um 1Uhr begann die russische Batterie zu feuern. Die französischen Ka- nonen erwiderten, die Jäger von Vincennes drangen vor und eroberten die Vorschanze. Die Engländer kämpften mit gleichem Eifer und nahmen um 5 Uhr die zweite Batterie. Die dritte widerstand nicht lange. Der Feind ergriff die Flucht und der Sieg war vollkommen. Die Zahl der Alliirten wird auf 40,000, jene der Russen auf 50,000 Mann angegeben." — Aus Bukarest vom 25. Sept, schreibt der Daily News-Correspon-