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issr worden, daß, um e- zu beruhigen, das Ministerium für angemessen erach tete, die Königin zu veranlassen, daß sie sich der Bevölkerung zeige. Sie hat den gestrigen Tag in unserer Mitte zugebracht und ist Abends 7 Uhr nach dem Prado zurückgereist. Die Glaubensbekenntnisse sind an der Ta gesordnung. Man verkauft deren von vielen Leuten, deren Namen kaum bekannt sind, in den Straßen oder sendet sie den Wahlern ins Haus. — Nach Berichten aus Catalonien unterlagen die Truppen der Königin in den zwei ersten Gefechten mit den dortigen Karlistcnbanden, und erst beim dritten sollen sie, die an Zahl weit überlegen waren, einige Gefangene ge macht haben." — Der Kölnischen Zeitung schreibt man aus Paris: „Aus Spanien habe ich einen Brief gesehen, der die dortige Lage sehr schwarz schildert. Espartero soll, zwischen der Königin und den Progressisten stehend, nur ge ringen Halt haben, und die Letztem sollen so große Fortschritte machen, daß der Gedanke an die Republik hier und da ausgesprochen wird. Man be merkt mit Befremden, daß des Königs Bruder, der Herzog von Sevilla, auch auf die Seite der Ultras getreten." Frankreich. LI Paris, 5. Oct. Noch immer keine officielle Anzeige des großen Er- eignisses in der Krim. Wenn diese Verzögerung auch gerade nicht beun ruhigt, so ist es doch gewiß, daß sie eine peinliche Spannung erzeugt, die noch fühlbarer in den populären Theilen der Stadt ist als in den reichern Vierteln und auf der Börse. Man hört zwar behaupten, daß ein Bericht des Viceadmirals Hamelin an das Marineministerium gelangt sei, in wel chem die Einnahme Sewastopols gemeldet wird, doch ist man veranlaßt, dieses Gerücht als grundlos zu betrachten, da die Regierung sich gewiß be eilen würde, jede Anzeige, die irgendeinen officiellen Charakter hätte, dem erwartungsvoll harrenden Publicum mitzutheilen. Neuere Nachrichten, welche die Regierung aus Wien erhalten hat, bestätigen aufs neue den Fall der das Schwarze Meer beherrschenden Festung, und es wird versichert, daß die Verzögerung der officiellen Nachricht lediglich der Abwesenheit des Generals Omer-Pascha zuzuschreiben sei. Die Regierung hat ferner die Nachricht er halten, daß der Marschall St.-Arnaud von seinem alten Uebel heimgesucht sei, daß ihn aber die Krankheit nicht an der ausdauerndsten Thätigkeit, nicht an den anstrengendsten Arbeiten hindere. „Er befehligt die Armee und ge bietet dem Leben durch seinen festen Willen", rief der Kriegsminister aus, als er die Anzeige von dem Krankheitszustande des Oberfcldherrn erhielt. WaS übrigens hier die meisten Zweifler irremacht, sind die ofsiciell ange kündigten Glückwünsche Oesterreichs und sein rascher Anschluß an die Hoff nungen, welche sich für die Westmächte an die gelungene KriegSthat knüpfen. — Der Allgemeinen Zeitung berichtet man auS Paris folgenden Act französischer Courtoisie gegen Sachsen: „Um dem König von Sachsen die gebräuchlichen Beglückwünschungen zu seiner Thronbesteigung zu über bringen, ist der frühere Gesandte in Madrid, Hr. de Bourgoing, vom fran- zösischen Hofe gewählt worden. Derselbe war von 1832 — 35 Gesandter am sächsischen Hose und sein Vater bekleidete unter dem Kaiser Napoleon von 1807 —11 denselben Posten. Man hofft, daß diese Wahl vom säch sischen Hofe besonders günstig ausgenommen wird, da es der Wunsch des Kaisers Ludwig Napoleon ist, die Verbindung wiederhergestellt zu sehen, welche einst Frankreich und Sachsen verknüpfte." — Eine Depesche, welche der französische Gesandte zu Wien, Baron de Bourqueney, am 5. Oct. der Regierung überschickt hat, wurde an der Börse angeschlagen. Die Depesche dementirt das Gerücht über die Ein- nähme von Sewastopol und meint, daß dasselbe dadurch entstanden sei, daß die Nachricht von dem Siege an der Alma über die Gebühr ausgc- bcutet wurde. — Der Moniteur stellt heule an die Spitze seines officiellen Theils fol gendes Schreiben des Kaisers an den Minister des Innern: St.-Cloud, 3. Oct. 1854. Herr Minister! Man theilt mir den nachstehenden Auszug eines Briefs von Barbes mit. Ein Gefangener, der langer Leiden un geachtet so patriotische Gesinnungen bewahrt, kann unter meiner Regierung nicht im Gefängniß bleiben. Lassen Sie ihn also auf der Stelle und ohne Bedingung in Freiheit setzen. Hierbei bitte ich Gott, daß er Sie in seinem heiligen Schutz behalte. Napoleon. (Auszug eines Schreibens von Barbes.) Gefängniß Bellc-Zsle, 18. Sept. 1854. ...Ich freue mich sehr über die Gesinnungen, welche du mir auSdrückst. Wenn du am Chauvinismus (Cülvinismus) leidest, weil du nicht Wünsche für die Russen hegst, so bin ich noch mehr Chauvin als du, denn ich geize um Siege für unsere Franzosen. Ja, ja, mögen sie da hinten nur recht die Kosacken schlagen, das wird reiner Gewinn für die Civilisation und die Welt sein. Wie du, habe ich den Krieg nicht gewünscht, da das Schwert aber einmal gezogen, ist es nothwendig, daß es nicht ohne Ruhm in die Scheid« zurückkehre. Dieser Ruhm wird der Nation, die desselben mehr als jede andere bedarf, zugute kommen. Seit Waterloo sind wir die Besiegten Europas, und um etwas Gutes selbst bei uns zu thun, ist es entspre chend, den Fremden zu zeigen, daß wir Schießpulver essen können. Ick bedaure unsere Partei, wenn sich Leute in ihr befinden, die anders denken. Es fehlte uns leider nichts, als den moralischen Sinn zu verlieren, nachdem wir schon so vieles Andere verloren haben. Dem Willen des Kaisers gemäß ist der Befehl, Hrn. Barbes ohne Bedingung in Freiheit zu setzen, unmittelbar durch den Telegraphen ab- gegangen. — Das ultramontane Univers enthält einen äußerst heftigen Artikel gegen den Zar, dessen Niederlage ihm Gelegenheit zu mancherlei Decla- mationen gibt. „So", sagt dieses Blatt, „bricht dieser Koloß wie gelähmt zusammen, er, der sonst der Schrecken der Welt gewesen! Der Zar ist besieg Bald wird er, wir hoffen cs, selbst empfinden, was sein Unglück ihm zur Pflicht macht, und die eiserne Hand, mit der er die Katholiken unterdrückte, wird Nachlassen. Nöthigenfalls werden Frankreich und Eng land den edcln Gedanken haben, daraus einen Artikel des Friedensschlusses zu machen. Der Kaiser Nikolaus begann den Krieg unter dem Vorwande, seine NeligivnSgenossen im Orient zu schützen; diesen Zweck werden seine Besieger weit besser als er erfüllen. Es ist des Kaisers der Franzosen würdig, zu wollen, daß eins der Resultate dieses Kriegs die Freiheit seiner katholischen Religionsgcnossen in Rußland sei. Das sei seine erhabene Siegstrophäc! In Rußland selbst möge ein ewiges Tedcum den Sieg feiern, den Gott Napoleon III. verliehen." GroHbritannie« -j-London, -1- Oct. Die (noch nicht enttäuschte) Times läßt heute einen Jubelruf über den Fall von Sewastopol erschallen, den sie jetzt auf Grund ihrer wiener und pariser Depeschen als ein durchaus nicht anzuzweifelndes Ereigniß betrachtet. „Wir dürfen", sagt sie, „gegenwärtig mit Zuversicht behaupten, daß die Forts von Sewastopol eins nach dem andern vor den vereinigten Streitkräften der Angreifer gefallen sind, daß mindesten« die Hälfte der russischen Flotte zugrunde gegangen ist, daß die Flaggen der Verbündeten auf der St.-Wladimirkirche wehten und daß spätestens am 26. Sept, die Uebergabe der Festung durch den Fürsten Mentschikow er folgte.... Allein der Verlust jener starken Festung, an welche so viele Mil lionen Geldes und so viele Menschenleben verschwendet wurden, die Zerstö rung jener Flotte, welche binnen zehn Monaten die Buße für Sinope ge zahlt hat, die Niederlage und Capitulation jenes Heeres, welches sich ver sammelt und vers anzt hatte, um der vereinigten Vorhut Englands und Frankreichs Trotz zu bieten, die vollständige Demüthigung des hochmüthigen Sendlings Fürsten Mentschikow, der vielleicht in kurzem als Gefangener seinen Einzug i» Konstantinopel hält, welches er verließ, um mit Invasion zu drohen und das Signal zum Kriege zu geben, das Scheitern aller dieser stolzen Bestrebungen sind gewissermaßen nur die mehr vorübergehen den und localen Züge dieser gerechten Katastrophe. Wenn wir die Wir kungen dieses gegen das russische Reich geführten Schlags von einem allge meiner« Gesichtspunkte aus auffassen, so bedeuten sic etwas ganz Anderes als die bloße Niederlage eines Heeres, oder den Verlust einer Provinz, oder das Scheitern eines Feldzugs. Zum ersten male, seit Rußland eine leitende Rolle in den europäischen Angelegenheiten spielt, ist es in der Verfolgung seiner Politik auf einen kräftiger« Widerstand von Seiten Englands und Frankreichs gestoßen, und sofort sind seine Plane völlig über den Haufen geworfen worden.... Es wird sich vielleicht noch zeigen, daß dieselbe Macht, welche diesen Schlag in der Krim geführt hat, ähnliche auch im Norden Europas führen wird.... Wir hoffen, daß dieser Sieg uns nicht nur die Macht, sondern auch den Willen verleihen wird, die Autorität der engli schen Nation zu edel« Zwecken, zum Fortschritt der Civilisation, zur Ver- theidigung richtig verstandener Freiheit und zur Verstärkung jener Bande des Vertrauens und der Eintracht ausübcn wird, welche uns friedlich mit allen Nationen der Erde, Eine ausgenommen, verknüpfen." Durch den Er folg in der Krim ermuthigt, spricht die Times sich jetzt auch ziemlich deut lich, wenngleich in sehr gewundenen Redeweisen, für ein kühneres Vorgehen in der Ostsee aus. Vom Kriegsschauplatz in der Ostsee meldet der pariser Berichterstattcr von Daily News: „Ich vernehme, daß in vollem Ernst an einen beinahe sofortigen Angriff auf Kronstadt gedacht wird. Der Jngcnieurgeneral Niel, der sich bei der Belagerung von Bomarsund ausgezeichnet hat, rapportirte dem Kaiser persönlich, daß er einen Angriff noch in diesem Jahre für aus führbar halte. Dieser Bericht wurde der englischen Admiralität mitgetheilt, und ich habe Grund zu glauben, daß die bereits telegraphirte Bewegung des Admirals Parseval-Deschenes ein wichtigeres Unternehmen als ein fruchtloses Menschenopfer bei Reval bedeutet." Der Morning Herald, der sei ner KSle noire, dem Admiral Sir Charles Napier, kein Lorbcrreis zu gönnen scheint, bringt eine ähnliche Nachricht, begleitet sie aber mit misvergnügtcn Randbemerkungen. Er hält die Jahreszeit für ungünstig und die entenle zwischen dem englischen und französischen Admiral für nicht ooi-Uiale genug die Schuld bürdet er consequenterweise dem „tollen Charley" auf. Der Morning Herald läßt sich nämlich von seinem „Specialcorrespondenten" aus Hamburg vom 1. Oct. folgende, aus „allerbester Privatquelle" fließende Nachrichten melden: „Vor ungefähr 14 Tagen wurde, wie schon gemeldet, ein Kriegsrath gehalten, um zu überlegen, was vor der Frostblockade sich gegen den Feind noch unternehmen ließe. Alle Admirale und Capitäne der vereinigten Flotten saßen im Conseil und Sir Charles Napier führte den Vorsitz. Nach kurzer Berathung wurde der einstimmige Beschluß gefaßt, die Feindselig, keiten, der vorgerückten Jahreszeit wegen, zu suspcndircn und mit den Flotten hcimzukehren. Die Admirale rapportirte« diesen Beschluß an ihre respectiven Regierungen; aber Sir Charles Napier fügte sein individuelles Gutachten bei, daß vor dem Winter noch etwas gegen Sweaborg zu unternehmen wäre. Als dieser Umstand dem französischen Admiral zu Ohren kam, ge- rieth er in die höchste Entrüstung, und, wie mein Gewährsmann sagt, we niger aus Eifersucht als im Bewußtsein der Gefahren, denen seine Schiffe bei längcrm Verweilen in jenen nördlichen Breiten ausgesetzt wären, ent schloß er sich, dem englischen Admiral einen Strich durch die Rechnung;u machen, und gab sogleich seiner Flotte Befehl zur Rückkehr. Man glaubt sogar, der französische Admiral faßte diesen Entschluß, nachdem die briti sche Regierung zum Bombardement von Sweaborg ihre Zustimmung ge geben hatte. Die französische Flotte segelte daher gegen Frankreich, und einige Schiffe sind wol jetzt bereits in die Nordsee gelangt. Am 28. Sept, sandte Admiral Parseval-DcscheneS, sobald er in Kiel angckommcn war, per Telegraph eine Depesche an den französischen Kaiser ab, um ihn von