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1786 bewaffnete Neutralität schwachen und beim Frieden leer und ungehort aus gehend DaS verlangt eine gesunde Politik nicht. Im Gegentheil wird Preußen sich den Dank Europas erwerben, wenn es durch sofortigen und energischen Angriff Rußland zum Frieden nölhigl; denn dazu ist seine Stel lung vorzüglich geeignet. Uebrigens mag das verbündete Europa bedenken, daß eS ein unbestrittener Grundsatz ist: Eine rasche kräftige Kriegführung führt zum baldigsten Frieden! "V Berlin, 10. Sept. Die Zollconfercnz in Darmstadt wird sich hauptsächlich mit den Vcrivaltungsangelcgcnheiten beschäftigen, wie wir be reits andeutcten. Doch dürften auch einige Anträge auf Tarifänderungen zur Erörterung kommen. In erster Beziehung erwähnen wir die Feststel lung der Weserzölle. Der Scparatartikcl 4 des Septembervcrtrags lautet nämlich: „Die contrahirenden Staaten werden baldthunlichst über eine für die Ufcrstaaten gemeinsame Einrichtung zur Erhebung der Weserzölle, sowie auch über eine Ermäßigung oder Suspension dieser Zölle, falls dadurch zweckmäßige Abänderungen des Zollgebiets und wesentliche Hülfsmiltel zur Sicherung der gemeinsamen Grenzabgabcn erreicht werden können, eine Ver- Handlung cinleitcn." Diese Verhandlung und Feststellung steht auf der Ta gesordnung der darmstädler Eonferenz. Hannover dürfte indessen einige Schwierigkeiten hierbei erheben, wie cs dies auch bei andern ähnlichen Ge legenheiten gcthan. Ein anderer Gegenstand der Verhandlungen in Darm stadt wird die Contirungsfrage sein, deren Erledigung zu erwarten steht. Bezüglich der Tariffragen sind dem Vernehmen nach Anträge der süddeut schen Regierungen zu erwarten. Endlich hat die Eonferenz auch zu ent scheiden, ob die zeitweilige Aufhebung der Getrcidezöllc, welche bekanntlich bis 1. Oct. d. I. währt, fortdauern soll, oder ob mit dem 1. Oct. die Gctrcidczölle wieder in Kraft treten sollen. Wir erinnern hierbei an den Umstand, daß Oesterreich gegenüber diese Zölle aufgehoben sind und mithin dieselben nur für die preußische Grenze mit Polen eine vorwiegende Be deutung haben. XAus Oberschlesien, II. Sept. Unser neulicher Artikel über die Durchführung eines äußerst zahlreichen österreichischen Artillcrie- parks durch unsere Provinz gegen die russische Grenze hat wahrscheinlich die preußische Corrcspondenz veranlaßt zu erklären, daß dieser Transport keineswegs eine Uebertretung des Verbots der Durchfuhr von Waffen und Kriegsmunition durch Preußen sei. Wir streiten nicht gern über Worte, sondern urthcilcn lieber nach Thatsachcn; auch sehen wir wohl ein, daß nach dem Trutz- und Schutzbündniß vom 20. April, welche Auslegung demsel ben auch mancher rabbulistische Vcrlheidiger russischer Interessen geben mag, Preußen Oesterreich den Transport von Kriegsmaterial nach der russischen Grenze durch sein Gebiet nicht wohl versagen kann. Da aber der Trans port von mehr als 100 Kanonen, vielen Artilleristen und zahlreicher Mu nition nach unserm gesunden, wenn auch beschränkten Menschenverstand eine „Durchfuhr von Waffen und Kriegsmunition ist", so kann uns nichts ab- haltcn, sic als eine solche anzusehcn und daraus Schlüsse zu ziehen, die allerdings nicht russenfrcundlich, aber gewiß altprcußisch und deutsch-patrio tisch sind. Man wird doch nicht fürchten, durch solche Deduktionen den Zorn Rußlands wa i zurufen! Dieses wird durch seine überall wachsamen Spione längst von jenem ihm feindlichen Transport Nachricht erlangt und ihn in das Sündenregister Preußens eingetragen haben. Eine Macht, die im Siebenjährigen Kriege Ostpreußen sich huldigen ließ, die im Januar 1813 von einer ähnlichen Maßregel nur durch die Energie unsere Jork abgchaltcn werden konnte, die Frankreich in unsern Tagen schon zwei mal unsere Rheinprovinzen angeboten hat: eine solche Macht verdient unserer seits schonende Berücksichtigungen wahrlich nicht. Baiern. -f-Auö Franken, 10. Sept. Der Uebcrblick in Betreff der Ausdehnung der Cholera im Lande wirb immer klarer. Nicht blos die in den Blättern zerstreuten „Todesanzeigen" nach „kurzem, aber schmerz lichem Krankenlager" rc. liefern ein unwillkommenes Material; auch mit amtlichem Ansehen umgebene Veröffentlichungen verschiedener Art geben hinreichendes Zeugniß. An Intensität hat die Seuche in den zuerst betrof fenen Orten allerdings abgenommcn; münchcncr Blätter zählen mit ängst licher Sorgfalt auf, wie viele Personen heute weniger erkrankt und gestor- den seien als gestern oder vorgestern. Allein der Umfang dieses traurigen Herrschcrgebiels hat von Tag zu Tag zugenommcn. Oberbaiern zunächst und aus naheliegenden Gründen, denn „meist waren", wie Obcrmedi- cinalrath vr. Pfcufcr kürzlich in München referirte, „die ersten Erkrankun gen bei Individuen, die von der Hauptstadt kamen", liefert das stärkste Contingcnt. „Wolfrathshauscn, Ingolstadt, Freising, Erding und noch einige kleinere Ortschaften" wurden von der Krankheit heimgcsuchl. In Au, Haidhausen und Giesing, in der nächsten Umgebung Münchens, trat die Krankheit seit dem 31. Aug. immer ernster auf: bis zum 4. Sept. 128 Todesfälle von 204 Erkrankungen. Nach den neuesten Berichten aus München vom 7. Sept, scheint die Epidemie, während ein entschiedenes Abnchmen der Krankheit „in allen Distrikten der Stadl" seit drei Tagen beobachtet wurde, in der Umgegend von München sich mehr auszubreitcn. So z. B. starben in dem anderthalb Stunden von München entfernten Pfarrdorfc Aubing von 2000 Bewohnern „in der letzten Woche" 20, b. h. 1 Proc. Die Regierung sendete dahin sowie noch nach mehren Dörfern Assistenzärzte, welche die Krankheit in München beobachtet haben. Sodann Hal sich die Krankheit sowol im äußersten Süden des Landes gezeigt, wie in Fussen, als auch im nördlichen Extrem, in Oberfranken; letzteres ist schon aus einem Rcgierungsrescript zu schließen, durch welches, „da auch in Ober franken an einzelnen Orten Fälle von Brechruhr, wenn auch nur sehr we nige vorgekommen sind, die Abhaltung von Vcegnügungsfcsten im Freien, wie auch der Verkauf von Pflaumen und Gurken auf den Märkten", bci Strafe untersagt wird. Beachtcnswerth ist auch die in Nürnberger Bläk- lern enthaltene Mittheilung, daß die betreffenden (amtlichen) Bekanntmachun- gen über den Stand der „Brrchruhr" „nur die Erkrankungen an der epi demischen Brechruhr (Cholera) betreffen, daß aber an der leichtern Form, der sogenannten Cholcrinc, seil dem Anfänge des Monats August nach amtlichen Erhebungen gegen 1700 Fälle behandelt wurdcn, bei welchen durch rechtzeitig angewendelc ärztliche Hülfe Uebergang in die epidemische Brechruhr verhütet und Genesung herbeigeführt worden ist". In der Cor- rectionsanstalt Ebrach sind, einer aus amtlicher Quelle fließenden Angabe zufolge, vom 4. bis zum 8. Sept, weitere 19 Personen an der Cholera erkrankt und 5 gestorben. Auch in der Correctionsanstalt Kaisheim (Schwa ben und Neuburg) scheint, dem oben erwähnten Bericht des Medicinalraths vr. Pfcufcr zufolge, die Seuche sich „gezeigt" zu haben. Mehrfaches In- teresse erregt eine Eingabe der städtischen Behörden von Würzburg an den König und an das Ministerium, des Inhalts, daß „in Anbetracht der in manchen Theilen Baierns herrschenden Epidemie der bevorstehende Garni- sonswcchse! verschiedener Truppenkörper unterbleiben möge". Man ist auf den betreffenden Bescheid umsomehr gespannt, als Dergleichen streng genom- men, und in den letzten Jahren nimmt man diese Dinge hier zu Lande sehr streng, außerhalb der Competenz jener Körperschaften liegt. Baden. Dem Württembergischen Staats-Anzeiger schreibt man aus Karlsruhe vom 8. Sept.: „Der als langjähriger Deputirter und Chef der liberalen Partei der früher« badischen Volksvertretung sowie als frank furter Parlamentsmitglied und als Candidat zur Würde eines deutschen Rcichsvcrwesers bekannte pcnsionirte Hofgrrichtsrath Adam v. Jtzstrin, welcher scit Bekämpfung der badischen Revolution in Hallgarten, Herzog- thum Nassau, seinen Wohnsitz hat, wurde vom Stadtamt Manheim wegen Geistesschwäche entmündigt und der Obergcrichtsadvocat Achenbach ihm als Vormund gegeben. Infolge dessen sind von nun an alle seine künftigen Rechtshandlungen kraft Gesetzes ungültig, und er wird in Bezug auf seine Person und sein Vermögen einen. Minderjährigen gleicbgeachtet. (Adam v. Jtzstein ist 79 Jahre alt.) — Buchhändler Wirth von Mainz wurde auf Ausbleiben seiner Vertheidigung innerhalb des festgesetzten Ter mins vom Oberamte Lahr der Verbreitung verbotener Druckschriften als geständig angesehen und mit seinen weitern Vcrtheidigungsmitteln ausge schlossen. Das Strafcrkenntniß steht nun in kurzem zu erwarten." Thüringische Staaten. Meiningen, 7. Sept. Heute fand in unserm Gemcinderath eine lebhafte Debatte statt. Es wurde über die Frage verhandelt, ob einigen jüdischen Kaufleuten fernerhin, was bisjetzt mit wenig Ausnahmen streng untersagt war, gestattet sein sollte, in un serer Stadt zu wohnen. Die Frage wurde mit 9 gegen 6 Stimmen verneint. (N. Pr. Z.) — Aus Gera vom 8. Sept, schreibt man der Leipziger Zeitung: „Der von dem hochseligen Fürsten, Heinrich VXIl, während seines ganzen Lebens mannichfach bekundete außerordentliche Wohlthätigkcitssinn hat sich, wie jetzt bekannt wird, auch in dem am 24. März 1850 von Seiten des hohen Verewigten niedcrgelegtcn und am 20. Juni d. I. eröffneten letzten Willen desselben documcntirt. Nicht eine milde Stiftung oder sonstige Wohlthätigkeitsanstalt des Landes dürste existiren, der nicht durch die testa mentarische Verordnung des verewigten Fürsten eine namhafte Summe als Legat zugewicsen wäre." Schleswig-Holstein. Aus dem Herzogthum Schleswig schreibt man der Weser-Zeitung im Sept.: „Sowie bei uns die Kirchenvisi- tationcn abgehaltcn werden, sind sie gewiß einzig in ihrer Art Ganz im Sinne des Hof- und Staatskalenders, welcher die Kirchenvisitatoren als Administrativbcanuc bezeichnet, denken nämlich diese auch nicht daran, nach dem Lebenswandel der Prediger und Lehrer, nach dem Verhältuiß der Er sten, zu ihren Gemeinden, nach dem sittlichen Zustande der Letzten, ,c. zu forschen, sondern die Hauptfragen erstrecken sich darauf: Inwieweit die dä nische Sprache in Kirchen und Schulen eingeführt? Ob sich in den Ge meinden Sympathien oder Antipathien für Dänemark zeigen? Ob die Umschläge der Schreibbücher in den Schulen schwarz-roth-gelb oder roth blau-weiß seien? Ob die Griffel so oder so gefärbt seien? Ja aus Man- chem scheint hcrvorzugehen, daß es das Hauptbesircben der Visitatoren ist, Alles zu vermeiden, was den ihnen untergeordneten dänischen Pastoren An laß zur Verdächtigung ihrer politischen Gesinnung beim Ministerium geben könnte. Und da wundert man sich noch, daß die Dänisirung der Kirche und Schule bci uns Fortschritte macht!" — Den Hamburger Nachrichten geht vom Physikus vr. Valentiner in Kiel nachstehende Berichtigung zu: „Kiel, 9. Sept. Herr Rcdacteur. Soeben lese ich in einem Artikel aus Kiel in der heutigen Nummer Ihres Blatts, daß die Cholera stark grassiren soll auf mehren hier angelangten französischen Schiffen. Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß diese Nachricht gänzlich unbegründet ist, und bitte Sie, diese Berichtigung in die nächste Nummer Ihres Blatts aufzunchmen. Das Wahre der Sache ist, daß vier Nervens,cberkrankc vom französischen Dampfschiffe Laborieux in ein zu diesem Bchufc gemiethetcs freiliegendes Haus außerhalb der Stadt ge bracht sind, um dort ihre Genesung abzuwartcn und damit inzwischen das Schiff einer durchgreifenden Reinigung unterworfen werden könne. Die mehr fachen Todesfälle reducircn sich auf einen an Lungenentzündung verstorbe nen Mann von der Mannschaft der Fregatte Andromaque. Der Gesund heitszustand auf allen im hiesigen Hafen liegenden Schiffen ist überhaupt außerordentlich befriedigend."