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1754 kehrt offenbar Oesterreich in dem früher» Falle rücksichtlich der Empfehlung der russischen Propositionen an die Westmächtc gehandelt. Noch bei einer andern Gelegenheit ist die verschiedene Stellung, welche Oesterreich und welche Preußen gegenwärtig inmitten der kriegführenden Mächte einnimmt, zutage gekommen. Oesterreich fand für nöthig, eine (wenig stens theilweise) Mobilisirung der Militärmacht des Deutschen Bundes in folge des Vertrags vom 20. April und Angesichts der bevorstehenden ernsten Entscheidungen zu beantragen, und richtete unterm 28. Juli (auf. fallendcrweise, obne zuvor Preußen davon zu benachrichtigen) ein Cir- rular an seine Gesandten bei den deutschen Höfen, um diese letzter» zur rechtzeitigen Erlassung genügender Instructionen an ihre Gesandten beim Bundestage für die angedeutete Eventualität zu veranlassen. Preußen, davon unterrichtet, erließ ebenfalls ein Circular (unterm 3. Aug.), worin es die deutschen Höfe zwar nicht direct gegen jenen österreichischcrseitS beab sichtigten Schritt zu stimmen unternahm, wol aber indirect, indem cs die selben, unter Mittheilung der betreffenden Documente, dringend auf die preußische Auffassung der russischen Vorschläge und der Gegenvorschläge der Westmächte aufmerksam machte und die Hoffnung aussprach, daß dieselben diese Auffassung theile» und zu der ihrigen machen würden. Dabei ward ausdrück lich die Anschaffung von Cavalerie- und Artilleriepferden in Preußen als eine nicht aus dem Vertrage von? 20. April fließende, sondern ganz selb ständig getroffene Maßregel dargestellt. Dies war eine thatsächliche Bekräf tigung der von der Preußischen Korrespondenz wiederholt entwickelten An sicht, daß Preußens Verpflichtungen aus dem Vertrage vom 20. April mit den von den Westmächten ausgestellten „Garantien" durchaus nichts gemein hät ten (worin sie Recht hatte), daß aber auch aus andern Gründen das preußische Cabinct sich nicht bewogen finden könne, ohne weiteres dem österreichischen auf dem von diesem beschrittenen neuen Wege zu folgen, worin man ihm schwerlich wird Recht geben mögen. Der Eindruck, den die veröffentlichten „Actenstückr" machen, läuft somit darauf hinaus, daß Oesterreich um ebenso viel den West mächten näherstche als Preußen Rußland; daß Oesterreich entschieden den einfachen Statusquo nicht wolle, sondern „Garantien" zu Gunsten eines dauernden ungestörten Friedens verlange, d. h. mit andern Worten, that sächliche Beschränkungen Rußlands, wenn nicht in Bezug auf seinen Ge bietsumfang doch jedenfalls auf seinen Machtgebrauch gegenüber seinen Nach barn, während Preußen nur solche Bedingungen befürworten zu dürfen meint, welche Rußland selbst unbedenklich annchmcn könne, d. h. welche diesem in keinen, wesentlichen Stücke nachtheilig sind. Preußen steht, im Verhältniß zu der gegenwärtigen Situation, ungefähr ebenso, wie es nach der Schwenkung vom Anfang März zu der damaligen stand. Wie es da mals die von den Westmächtcn gebotene Convention zurückwies und dadurch Oesterreich ebenfalls dieselbe einzugehen hinderte, so ist es jetzt aus der Kon ferenz der vier Mächte ausgeschieden und hat sich aus Rücksicht für Ruß land isolirt. Oesterreich aber hat sich nicht wie damals durch Preußen mit fortziche» lassen; es hat an der Solidarität mit den Westmächten fest gehalten und scheint entschlossen, gemeinsam mit diesen „bis ans Ende" zu gehen. Wem, Preußen nicht noch in dec letzten Stunde aus seiner gegen wärtigen Jsolicung heraustritt (wie cs dies in dem erwähnten früher» Falle durch Abschließung des Vertrags vom 20. April that), so dürfte eine Com- bination eintrcten, so vcrhängnißvoll für Preußen und für Deutschland, wie kaum eine seit den verhängnißvollen Katastrophen zu Anfang dieses Jahr hunderts war. Deutschs and. Schleswig-Holstein, Bon der Eider, 2. Sept. Ich führe meine Betrachtungen von gestern über die Gesammtstaatspolitik heute weiter aus. Wen» die Regierung auch das preußische Patent vom 3. Febr. 1847 ihrem Verfassungswerk zugrunde gelegt, so hat sie sich doch wohl gehütet, eine Körperschaft wie den Vereinigten Landtag zu berufen. Man hat viel mehr geglaubt, sich die Erfahrungen zunutze machen zu müsse», welche der preußischen Regierung im Jahre 1847 sich aufgedrängt haben. Die Be deutung, welche der erste Vereinigte Landtag hatte, die Erregtheit, welche in seinen Verhandlungen vorherrschte und die sich dann dem ganzen Lande mittheilte, hatte zum Theil in der großen Zahl der Mitglieder ihren Grund; deshalb hat unser Ministerium sich wohl in Acht genommen, die provinzial- ständischen Repräsentanten der einzelnen Landeslheile (der gegenwärtige dä nische Reichstag ist in den Auge» der Negierung auch nichts weiter als eine Versammlung von Provinzialständcn) in ihrer Gesammtheit zusammentreten zu lassen, und statt des vereinigten Landes hat man bei uns nur das In stitut des „ständischen Ausschusses" acceptirt. Und die Vorsicht hat sich nicht einmal damit begnügt, die Zahl der von allen drei Ständeversammlungen zu wählenden Mitglieder auf 30 zu reducircn, sondern man hat auch, in dem man im Namen des Königs 20 Mitglieder aus eigener Machtvoll kommenheit ernannte, im voraus für eine gouverncmentalc Majorität ge sorgt. Die geschcidtcste von allen Liste» war aber die Anordnung, daß die erste Session nur aus den im Namen des Königs ernannten Mitgliedern gebildet werden soll. In dieser ersten Session wird nämlich, wie auf dem ersten Vereinigten Landtage geschehen, die Verfassung selbst zur Sprache kommen, und die Regierung wird also, dank ihrer Schlauheit, über dieselbe nur mit ihren Freunden und Anhängern zu verhandeln haben. Für die folgenden Sessionen aber wird damit ein Geleis gegeben sein, aus dem man nicht so leicht mehr wird herauSkommcn könne». Dies Alles ist offenbar sehr klug berechnet und zeigt ein gutes Theil Erfahrung und Schlauheit; nur schade, daß sich die Regierung eine Frage nicht recht klargemacht zu habe» scheint, die Frage nämlich: existirt denn überhaupt ein dänischer Ge- sammtstaat, oder sind wenigstens die Elemente zu einem solchen vorhanden? Da man sich einmal Preußen zum Vorbilde genommen hat, so wollen wir auf die Vergleichung mit diesem Staat näher eingehen. Auf den erste» Blick sollte man glauben, daß sich Dänemark leichter zu einem Ganzen müsse vereinigen lassen als Preußen; denn unleugbar haben die einzelne» Theile des preußischen StaatS geographisch und historisch keinen rechten Zu sammenhang; daS eine Stück liegt hier, das andere dort; der eine Theil ist erst vor 100, der andere vor kaum 40 Jahren erworben worden, und die Einverleibung geschah in allen Fällen, ohne daß das Land selbst dabei mit- zuredcn hatte; außerdem herrschten in den verschiedenen Provinzen von jeher verschiedene Gesetze, verschiedene Interessen, sogar verschiedene Bekenntnisse. Anders ist cs in Dänemark. Alle Theile liegen hier so nahe wie möglich beieinander, und mit Ausnahme des unbedeutenden Lauenburg ist da kein Stück, das nicht schon seit Jahrhunderten politisch mit dem andern in Bc- ziehung oder Wechselwirkung stände. Aber während in Preußen seit lan- ger Zeit eine einheitliche Regierung und ein gemeinsames Bewußtsein be- standen, während dort selbst die eroberten Provinzen schnell genug innerlich zum Ganzen hielten — fehlt in Dänemark zwischen dem deutschen und dem dänischen Theile jedes geistige Band. Jahrelang hat man in Preußen im Osten wie im Westen um eine Staatsvcrfassung petitionirt, der Ruf ist vom Volke ausgegangen und die Regierung war es, welche Hindernisse in den Weg legte — in Dänemark dagegen herrschte von jeher, und nicht erst seit heute und gestern, ein Widerstreit zwischen den einzelnen Landestheilen. Der Kampf gegen dieJncorporation ist Jahrhunderte alt, und je mehr die Regierung bestrebt war, die einzelnen Theile zu einem Ganzen zu vereinigen, desto hartnäcki ger ist der Widerstand geworden. „Sonderbar genug", schrieb einst der dänische Arndt, der alte Pastor Grundtvig, „sonderbar genug, man sagt, daß gerade von der Zeit an, da Kiel unter den König von Dänemark kam, keine dänischen Bücher mehr für die Universitätsbibliothek angcschafft wurden; ja, sonderbar genug, daß gerade von der Zeit an, da Viele glaubten, Dänemark und Holstein hätten auf ewig ihren langen Zwist geendigt und würden nun bald zu einem Ganzen zusammenschmelzen, daß gerade von der Zeit an die Uneinig keit anfing Das zu werden, was sie früher gar nicht gewesen war: ein gei- stiger Gegensatz! Sonderbar genug, aber doch Dem nicht unerklärlich, wel cher weiß, daß es für alte Gegner oder Nebenbuhler, die noch so ehrlich sich ausgesöhnt, die härteste Probe ist, wenn sie unter Einem Dache zu- sammcnleben sollen. Alle Sprachverschiedenheit ist eine Scheidewand, die keine Menschenhand aufgeführt, also auch keine Menschenhand niederreißen, an der sie aber leicht sich versündigen kann." Ich habe Ihnen diese Worte hier aus dem Dänischen übersetzt, weil sie, vor länger als zwanzig Jahren geschrieben, die Dinge wahrheitsgetreu schildern, frei von der Einseitigkeit, welche infolge des später« Partcikampfs auch bei dem alten Grundtvig voll- ständig die Oberhand gewonnen hat. Jedermann weiß, was seit jenen 25 Jahren vorgegangen ist. Von Jahr zu Jahr ist die Zwietracht gewachsen und die Unzufriedenheit ist zum Haß geworden. Die Gemalt hat wol mo mentan die Ruhe Herstellen können, und der Aufregung ist die Abspannung gefolgt; aber wenn irgendetwas zeigt, wie unheilbar der Schaden geworden ist, so ist cs die Haltung, welche die deutsche Bevölkerung gegenwärtig be hauptet, jetzt, wo Vic Hitze längst verraucht, wo jede Spur von Aufregung verschwunden ist, wo alle deutschen Organe, welche in den Herzogthümern erscheinen, in den Händen diensteifriger Abfälliger sind, während die natio nale Partei auf jede Art von Agitation verzichten muß Um Das, was im eigentlichen Dänemark vorgeht, kümmert sich die deutsche Bevölkerung durchaus nicht; man nimmt an den Vorgängen in Berlin fast mehr An theil als an denen in Kopenhagen, und jede Verordnung der Ministerien für Schleswig und Holstein wird hier mit Gleichgültigkeit oder mit Wider willen ausgenommen. Ehedem gehörte nur die Intelligenz zur Opposition, — jetzt ist die Feindseligkeit in der deutschen Bevölkerung tiefer gedrungen und sie hat in der That tiefere Beweggründe. Denn gegenwärtig handelt es sich nicht, wie ehedem, um Fragen des Staatsrechts, sondern das ist das Uebel, daß jetzt jeder Einzelne sich in seiner Existenz, in seiner Sprache, in seiner Geschäftsthätigkeit, in seinem Thun wie in seinem täglichen Verkehr bedroht und bedrängt fühlt. Dabei ist Alles so kleinlich, kleinlich in seinen Zwecken wic in seinen Mittel». Die österreichische Negierung hat zuweilen zu Pulver und Blei ihre Zuflucht genommen, aber sie hat nie der Lom- bardci ihre Banknoten aufgcdrungen, wie Dänemark uns seine Rcichsmünze. Auch das ist noch keiner andern Regierung in den Sinn gekommen, Sprachcdicte zu erlassen. Was die Negierung gewinnen würde, wenn cs ihr gelängc, die Münzeinheit durchzusühren, ist, genau betrachtet, kaum der Nede werth — dagegen sind die Maßregeln, die man für diesen Versuch, der zweifelsohne nicht gelingen wird, aufbietet, wahrhaft unerträglich. Und dienstbeflissene Federn spreche» von Versöhnung, preisen die Verfassung vom 26. Juli und versichern dreistweg, daß der neugeschaffenc Neichsrath das große Werk, das Jahrhunderten nicht gelungen ist, vollbringen werde. Selbsttäuschung oder Heuchelei! Die Verfassung vom 26. Juli, dieser armselige Abklatsch des Patents vom 5. Febr., siel todtgeboren aus der Presse, und was den Neichsrath betrifft, so kann er nicht einmal die Ehre beanspruchen, eine Versammlung von Vertrauensmännern zu sein. Um es offen herauszusagcn, die meisten von jenen 20 Männern, die heute tagen, sind Leute, die entweder wie David, Tscherning, Lauridz, Skau, Bardenfleth w. von ihrer Partei, oder wie Nenck, Jensen, Buchwaldt und Konsorten von ihrem Volke abgefallen sind. Der neugeschaffenc Neichsrath hat da her auch nicht die mindeste Hoffnung auf größere Bedeutung und län gere Lebensdauer, als einst der ständische Ausschuß in Preußen hatte; nur eine Aussicht bleibt ihm: die auf ein poch unrühmlicheres Dasein,