Volltext Seite (XML)
werden, da ein erst kürzlich in den USA aufgetauchter Mittelsatz die bisher vorliegende zweisätzige Fassung des Werkes, deren Aufführung wir planten, zu einem Fragment werden ließ. Frantisek Xaver Brixi entstammte einem weitverzweigten Musiker geschlecht aus Nordwest-Böhmen. Er wurde 1732 in Prag geboren. 1744 trat er als Schüler in das Piaristengymnasium in Kosmonosy ein, an welchem vorher, 1735, Jin Antonin Benda studiert hatte. Er absolvierte das Gymnasium nach fünf Jahren erfolgreichen Studiums. Zunächst ernährte er sich kümmerlich als Organist der Kirche zum hl. Kastallus und vermutlich auch an der St. Niklas-Kirche in Prag. Seit 1759 war er Kapellmeister in der Metropolitankirche bei St. Veit in Prag auf dem Hradschin und offenbar auch Organist und Kapellmeister im Kloster St. Georg auf der Prager Burg. Brixi hat sein Heimatland niemals ver lassen und nie im Ausland studiert. Er wuchs aus der heimatlichen Musiktradition hervor und entwickelte sich unter dem Einfluß der tschechischen Volksmusik. Er schuf mühelos, und seine jäh aufsteigende Entwicklung als Komponist wurde durch seinen vorzeitigen Tod im Jahre 1771 gewaltsam unterbrochen. Brixis Lebenswerk ist überaus reich und zeugt von einem unermeßlichen Fleiß, von einer hervorragenden Begabung und einzigartigen, geradezu mozarthaften Fruchtbarkeit. Sein Werk umfaßt über 440 Kompositionen, beinahe durchweg Kirchenmusik, vor allem etwa 105 Messen, 263 Offertorien, 26 Litaneien, 24 Vespern, 5 Requiems und eine Unzahl kleinerer Kompositionen. Zu den wegen ihrer tschechischen, volksweisenartigen Elemente besonders anziehenden Werken gehören seine Weihnachtspastorellen und die originelle Pastoralmesse in D-Dur. In den Jahren 1758 bis 1763 entstand Brixis sogenannte Wassermusik (Musica navalis) für die Prozessionen auf der Moldau. Er schrieb auch Oratorien und Kantaten sowie dramatische Kloster- und Schulspiele. Brixi, der von Smetanas Lehrer Josef Proksch der tschechische Händel genannt wurde, hat durch sein Werk dem tschechischen musikalischen Klassizismus den Boden bereitet, und deshalb nimmt es in der Geschichte der tschechischen Musik einen für deren Entwicklung wichtigen Platz ein. Mit Recht wird er als Vorläufer Mozarts bezeichnet; denn man stößt in der Singweise seines melo dischen Denkens auf die markanten Merkmale des um 24 Jahre jüngeren Mozart. Seine Instrumentalwerke, vor allem die Orgel- und Cembalokonzerte, haben schon einen völlig Mozartschen Charakter. Brixi hat unter dem Einfluß der tsche chischen Volksmusik, vor allem der volkstümlichen Lied- und Tanzelemente, mit denen seine Tonsprache durchwirkt ist, in der tschechischen Musik eine voll kommen neue Art des musikalischen Denkens geschaffen. Er wirkte umso bahn brechender, als seine Kompositionen bald in die breitesten Volksmassen vor drangen. So ist es auch zu erklären, warum Mozarts Kunst in Böhmen so un mittelbar und begeistert als ein dem Fühlen des tschechischen Volkes so nahe stehender, allgemein verbreiteter und — im wahren Sinne des Wortes — aus dem musikalischen Vorstellungsvermögen des Volkes sprießender Stil begrüßt wurde. Das technisch vollkommenste und künstlerisch reifste von Brixis fünf Cembaio- und Orgelkonzerten mit Begleitung eines kleinen Orchesters ist das Orgel konzert F - D u r. Es besteht aus drei Sätzen und läßt in wirksamer Kontrast gliederung auf den von zartem Klang angehauchten, munteren ersten Satz (Allegro moderato) den melodisch reich entfalteten langsamen Mittelsatz (Adagio) und den rhythmisch belebten raschen Schlußsatz (Allegro assai) folgen. Brixi hat in diesem Konzert ein Meisterwerk von ausgesprochen Mozartschem Stil, geradezu volkstümlich schlichter melodischer Invention und von klassisch ausgeglichener formaler Gestaltung geschaffen. Die breit entfaltete Passagen technik von sequenzmäßiger Beschaffenheit, die reich kolorierte Melodik und rhythmische Brillanz hat eher den Charakter der Cembalofaktur als des Legalo- stils der Orgel. Das Konzert ist ein überzeugender Beweis für die außerordent liche Invention, schöpferische Leichtigkeit und die gedankliche Durchschlagskraft Brixis. Franz Schubert schrieb seine ersten beiden Sinfonien für das Konviktor chester des Wiener Stadtkonvikts, in dem er als Sängerknabe mit zehn Jahren Aufnahme gefunden hatte. (Weitere vier Jugend-Sinfonien entstanden nach dem Austritt aus dem Konvikt 1814 für ein Liebhaberorchester, das aus den Quartett abenden im Vaterhaus hervorgegangen war). Die 2. Sinfonie B-Dur kom ponierte Schubert in der Zeit von Dezember 1814 bis März 1815, also 17jährig. Haydn, Mozart und Beethoven (wenigstens der Beethoven bis zur „Prometheus"- Ouvertüre und der 2. Sinfonie) sind die Vorbilder. Dabei entbehrt dieses lebens sprühende Werk nicht Züge einer unverkennbar Schubertschen Handschrift. Auch eine experimentierende Auseinandersetzung mit der klassischen Tradition ist spürbar. Nach einem einleitenden Dialog zwischen Bläsern und Streichern beginnt der eilige Hauptsatz (Allegro vivace) mit einer ausgedehnten Exposition von eindrucksvoller Geschlossenheit. Ein gesangvoller, lyrischer Gedanke ist das in der Subdominante Es-Dur erklingende Seitenthema. Der schwär merische Liedton dieser innigen Kantilene nimmt Züge vorweg, wie sie der eben falls 17jährige Mendelssohn mit der elf Jahre später komponierten „Sommer nachtstraum “-Ouvertüre erst wieder erreichte. Die Durchführung des Satzes ist im Verhältnis zur Exposition kurz. Die Reprise setzt auf der Subdominante ein! — Konventioneller in der Anlage sind die nachfolgenden Mittelsätze. Das Andante bringt — in Haydnscher Manier — fünf Variationen über ein Thema, das mozar- tisch anmutet. Die vierte Variation liefert, zum Scherzo umgestaltet, das Thema des dritten Satzes (Allegro vivace), der wie ein ländlicher Tanz wirkt und schon an das Scherzo der letzten Sinfonie Schuberts erinnert. Die freundliche Melodie des Trios bringen die Holzbläser, während die ersten Geigen (staccato) und die Bässe (pizzicato) begleiten. — Sehr selbständig ist die Final lösung des jungen Schubert, der hier erstmalig in die klassische Sinfonie-Tradi tion den unverfälschten, liebenswürdig-ungezwungen „Wiener Ton“ einführt. In diesem jugendlich-übermütigen Presto-Finale, das halb ein Rondo, halb ein So natensatz ist, „pratert“ es reichlich. Ausgelassen-unwiderstehlich kommt das Hauptthema daher, das in kühne harmonische Experimente voller dramatischer Spannungen verwickelt wird. Charmant ist auch das Seitenthema.