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UN« auf Seiten Frankreichs in dtN letzten kritischen »erhandlunpen geneigt »u ha ben, wie man behauptet hat, die Rathgeber der Königin gewünscht haben (soweit die» einer Regierung erlaubt war, die «ine neutrale Haltung zu beobachten hatte), daß den Ansprüchen Sr. kaiserl. Mas., die er zu machen gerechtfertigt ist, volle Gc- nugthuung zutheil werde. Er würde mir nicht schwer sein, diese Behauptung durch schriftliche« Zeugniß zu bewahrheiten, und ich wage hinzuzufügen, daß ich nur wün schen kann, daß England in jeder gerechten Federung, die er je an ein fremdes Land zu stellen haben mag, von einer uns befreundeten Macht dieselbe Haltung er warten darf, welche die englische Regierung ruhig und prunklos in der verwickelten Frage der Heiligen Stätten in Rücksicht auf Rußlands Ansprüche beobachtet hat. Ich nehme Ew. Ercellenz gute Dienste in Anspruch, um diese Auffassung des wirk lichen Sachverhalt« zur Geltung zu bringen, auf jeden Fall, um der entgegengesetz ten Meinung eine Aufnahme zu versagen, bis man sich vergewissert hat, ob meine Behauptung richtig ist. Ich habe ic. (Gez.) G. H. Seymour. Unterm 10. März hat Dir G. H. Seymour an den Grafen Cla rendon weiter geschrieben und es ist dies das neunte Aktenstück: Mylord! Zch habe soeben eine sehr freundschaftliche und zufriedenstellende Un terhaltung mit dem Kanzler gehabt, der, in der Meinung, daß mein Brief vom 8. d.M. durch ein MiSverständniß in Bezug auf des Kaiser« Memorandum entstan den sei, mich zu sehen gewünscht hatte. Wir überlasen da« Memorandum zusammen und Graf Reffelrode bemerkte, daß Alles, was man wünschte, wäre, daß Ihrer Maj. Regierung unter Berufung auf die Offenherzigkeit und Gerechtigkeitsliebe deS Kaisers sich bemühen sollte, die Augen des französischen Ministers über die falsche Richtung, in welche er durch Hrn. v. Lavalette verleitet worden sei, zu öffnen. Dar auf antwortete ich, daß dies die von Ihrer Maj. Regierung befolgte Politik nicht bei einer, sondern bei verschiedenen Gelegenheiten gewesen sei und daß ich als einen Beweis von der Sprache, die Ew. Herrlichkeit Vorgänger gegen die französische Re gierung geführt habe, mir die Erlaubniß erbäte, ihm einen Auszug aus einer De pesche Lord I. Russell s vorzulesen. Ich laS darauf fünf oder sechs Zeilen aus Lord Z. Russell'- Depesche an Lord Cowley vom 28. Zan., die anfangen: „Aber Ihrer Maj. Regierung kann nicht umhin zu bemerken", und schließen mit: „Die Bezie hungen der befreundeten Mächte", welche Stelle ich ausgeschrieben und mit mir ge nommen hatte. Graf Nesselrode äußerte seine warme Zuftiedenheit, daß Ihrer Maj. Regierung dem französischen Gouvernement so vortreffliche Rathschläge gegeben habe, und bedauerte nur, daß ich ihn nicht lange vorher in Besitz so überzeugender Be weise über die von Ihrer Maj. StaatSsecretär der auswärtigen Angelegenheiten an der Frage der Heiligen Orte genommenen Bctheiligung gesetzt hätte. Schließlich bat mich der Kanzler, die Stelle im Memorandum: „Möge sich daher England bemü hen", so auSzulegcn, daß sie eine Hoffnung ausdrücke, nicht daß sie einen Vorwurf einschließe — hinsichtlich der Politik, welche man von Ihrer Maj. Regierung einge halten zu sehen wünscht und nicht als eine Anspielung auf die bisher befolgte. Das zehnte Aktenstück bildet ein Schreiben des Lords Clarendon an Sir G. H. Seymour. Es lautet: Foreign-Ofsice, 23. März 1853. Ihre Depeschen vom 21. und 22. v. M. sind der Königin vorgelegt, die mir aufgctragen, Ihnen volle Anerkennung der Diskre tion und Gewandtheit auSzusprcchen, welche Sie in den Unterredungen mit dem Kaiser bewiesen. Ach habe nicht erst nöthig Ihnen die Versicherung zu geben, daß die Ansichten deS Kaisers von der Regierung der Königin mit der angelegentlichen und ernstlichen Aufmerksamkeit betrachtet werden, welche dieselben erfodern. Obgleich die Regierung an den Grundsätzen und der Politik festhalten zu müssen glaubt, welche in der Depesche Lord I. Russell'S vom 9. Febr. bezeichnet worden, so theilt sie doch gern die Ansicht deS Kaisers, daß die Angelegenheit ernstlich und offen besprochen werden müsse. Das edle Vertrauen, das der Kaiser bezeigt, verlangt eine ebenso offenherzige Darlegung der Meinung der königlichen Regierung, die fest überzeugt ist, daß im Falle der Geeignetheit oder Möglichkeit einer Verständigung über kom mende Eventualitäten das Wort des Kaisers jeder schriftlichen Uebereinkunft vor zuziehen sei. Die Regierung Ihrer Maj. verharrt in dem Glauben, daß die Türkei noch lebensfähige Elemente besitzt, und ist der Ansicht, daß die neulichen Ereignisse die Richtigkeit der in der Depesche meines Vorgängers auSgedrücktcn Meinung be wiesen haben, der Meinung nämlich, daß kein hinreichender Grund vorhanden sei, um dem Sultan zu erklären, er könne den Frieden bei sich zu Hause nicht wahren, noch freundliche Beziehungen zu seinen Nachbarn aufrechterhalten. Die königliche Regierung hat deshalb mit Befriedigung vernommen, daß der Kaiser sich mehr als England interessirt glaubt, einer türkischen Katastrophe vorzubeugcn, da sie über zeugt ist, daß von der Politik, welche Se. kaiserl. Maj. in Betreff der Türkei be folgt, die Beschleunigung oder unbestimmte Verschiebung eines Ereignisses abhängt, an dessen Verhütung alle europäischen Mächte interessirt sind. Die königliche Re gierung ist überzeugt, daß nichts dieses Ereigniß mehr beschleunigen kann als die beständige Prophezeiung seines Eintretens, daß der Lebensfähigkeit der Türkei nichts mehr schade als die Annahme ihres raschen und unvermeidlichen Verfalls, und daß, wenn die Ansicht deS Zar, die Tage der Türkei seien gezählt, notorisch würde, der Zusammensturz derselben rascher eintreten würde als selbst der Kaiser denkt. Ange nommen aber, daß aus unvermeidlichen Ursachen die Katastrophe stattfinden sollte, so theilt die Regierung Ihrer Maj. vollständig hie Ansicht des Kaisers, daß die Be setzung Konstantinopels durch irgendeine der Großmächte mit dem gegenwärtigen Gleichgewichte der Macht und der Aufrechterhaltung deS europäischen Friedens un verträglich fein würde und ohne weiteres als unmöglich betrachtet werden muß; daß es keine Elemente zum Wiederaufbau eines byzantinischen Reichs gibt, daß in der fystematischen MiSregierung Griechenlands keine Ermuthigung zur Ausdehnung des griechischen Gebiets liegt, und daß, da keine Materialien zur Provinzial- oder Com- munalregierung vorhanden sind, ein Zustand der Anarchie daraus folgen würde, wenn man die türkischen Provinzen sich selbst überließe oder ihnen erlaubte, geson derte Republiken zu bilden. Der Kaiser hat angekündigt, daß er entschlossen sei, lieber auf jede Gefahr hin Krieg zu führen! als eine solche Lösung der Frage zu gestatten, und so sehr auch die Regierung Ihrer Maj. geneigt sein mag, die Rich tigkeit der Ansichten Sr. kaiserl. Maj. anzuerkennen, daß der bloße vorher ge faßte Entschluß über Das, was nicht geduldet werden soll, wenig zur Lösung der wahren Schwierigkeiten beiträgt oder zur Entscheidung der Frage, was in Bezug auf die Behandlung der verschiedenen Bestandtheile, aus welchen bas türkische Reich zusammengesetzt ist, thunlich oder auch nur wünschenSwerth ist: England wünscht keine GebietSvergroßerung und würde sich auf kein zum voraus beschlossenes Arran gement einlassen, aus welchem ihm ein solcher Vortheil erwachsen würde. Aber die Regierung Ihrer Maj. glaubt, daß kein Arrangement den Ereignissen ihren Gang vorschreibcn und daß kein Uebereinkommen geheimzehalten werden könnte. Der An sicht der englischen Regierung nach würde man dadurch das Signal zu Zntriguen aller Art und zu Aufständen der christlichen Unterthanen der Pforte geben. Jede Macht und jede Partei würde sich bemühen, für ihre künftigen Interessen Sorge zu tragen, und der Auflösung des türkischen Reichs würde ein Zustand der Anarchie "orhergehen, welche jede Schwierigkeit erhöhen oder gar eine friedliche Lösung der Frage unmöglich machen würde. Die einzige Art, auf welche man eine solche Lö- 6V4 sung versuchen könnte, würde in einem europäischen Congresst bestehen. Dies ist aber nur ein Grund mehr, um die AHrechthaltung der gegenwärtigen Ordnung der Dinge in der Türkei als wünschenSwerth erscheinen zu lassen, da die Regierung Ihrer Maj. nicht ohne Besorgniß an die Eifersucht denken kann, welche dann er regt werden würde, an die Unmöglichkeit, die verschiedenen ehrgeizigen Bestrebungen und die dabei int Spiel kommenden auieinanderlaufenden Antersssen miteinander zu versöhnen, sowie an die Gewißheit, daß dann eine Revision der Verträge von 1815 zur Sprache kommen würde und daß Frankreich gesonnen sein könnte, sich den Gefahren eines europäischen Kriegs autzusetzen, um sich von den Verbindlich keiten loSzusagen, durch welche cS seine Natwnalehrc beeinträchtigt glaubt und die für die Franzosen eine beständige Quelle der Erbitterung sind, indem sie ihnen durch siegreiche Feinde auferlcgt wurden. Das Hauptziel der Regierung Ihrer Maj., auf welche» ihre Anstrengungen gerichtet gewesen sind und stet» gerichtet sein werden, ist die Aufrechterhaltung des Friedens, und die Regierung wünscht die Aufrechterhaltung des türkischen Reichs, weil sie von her Ueberzeugung durch drungen ist, daß keine große Frage im Orient angeregt werden kann, ohne eine Quelle der Zwietracht im Westen zu werden, und daß jede große Frage im Westen einen revolutionären Charakter annchmen und eine Revision det ganzen socialen Systems in sich schließen wird, auf welche die festländischen Regierungen sicherlich nicht gehörig vorbereitet sind. Der Kaiser kennt allzu wohl die unter der Ober fläche herrschende Währung, die selbst in FricdenSzeiten auSzubrechen droht. Se. kaiserl. Maj. wird gewiß der allgemeinen Meinung nicht widersprechen, daß der erste Kanonenschuß das Signal zu Dingen sein würde, die verderblicher als selbst die Calamitäten sind, welche der Krieg unvermeidlich in seinem Gefolge hat. Und ein solcher Krieg würde das Resultat einer Auflösung und Vertheilung deS tür kischen Reichs sein. Deshalb das besorgte Streben der königlichen Regierung, der Katastrophe vorzubeugen. Dieselbe kann nicht zugeben, daß die Zeichen deS Ver falls der Türkei jetzt sichtbarer sind oder rafchcr aufeinanderfolgen als seit einer Reihe von Jahren. Es ist noch große Energie und großer Reichthum in der Türkei vorhanden; an Neigung, das RegierunzSsystem zu verbessern, fehlt eS nicht; die Corruption, obgleich nicht groß, trägt doch nicht den Charakter, noch ist sie so aus gedehnt, daß sie das Dasein des StaatS bedrohte; die Behandlung der Christen ist nicht hart und die von der Pforte gegen diesen Theil ihrer Unterthanen bewiesene Tole ranz könnten sich einige Regierungen, welche auf die Türkei als auf eine barbarische Macht mit Verachtung herabblicken, zum Muster nehmen. Die königliche Regie rung glaubt, daß die Türkei 'nichts bedarf als die Nachsicht ihrer Alliirten und deren Entschlossenheit, sich in keiner Art auf ein« die Würde und Unabhängigkeit des Sultans demuthigende Weise hart zu beweisen, sowie des freundschaftlichen Bei standes, den unter Staaten wie unter Individuen der Schwache von dem Stärkern zu erwarten berechtigt ist, um nicht allein ihr Bestehen hinzuziehen, sondern selbst all« beunruhigenden Ursachen ihres Verfalls schwinden zu machen. Zu einem sol chen Werke des Wohlwollens und einer ersprießlichen europäischen Politik wünscht die königliche Regierung mit dem Kaiser zufammcnzuwirken. Sie setzt volles Ver trauen in die Aufrichtigkeit der Gesinnungen des Kaisers, und da sie die Interessen Rußlands und Englands im Orient für identisch halten darf, so hegt sie sehnliche Hoffnung, daß eine solche Politik den Ausschlag geben und beitragen werde, der Allianz zweier Länder, welche Ihre Maj. und deren Regierung zu fördern wünschen, «inen stärkern Halt zu geben. Devtschla«». Oesterreich, Wien, 26. März. Es wird gewiß vielen Ihrer Leser angenehm sein, über den Proceß des bekannten Hermann Kudlich nähere Details zu vernehmen. Ich schrieb Ihnen unlängst, daß die Un tersuchung wahrscheinlich mit einer Schuldigsprechung enden werde. Diese Besorgniß war wirklich allgemein, selbst bei den Nächstbetheiligten, vor handen und war dadurch namentlich die Gattin des Bedrängten, die Tochter eines unserer angesehensten Advocaten, der Verzweiflung nahe- gebracht. Zur freudigsten Ueberraschung Aller ist das Gegentheil einge- treten ; Kudlich ist nicht blos, wie di« augsburger Allgemeine Zeitung fälschlich berichtet, ab ingtuntis entlassen, sondern vollkommen freigespro- chcn worden. Falsch ist auch die Angabe einiger Blätter, daß die Theil nahm« an den Beschlüssen des deutschen Rumpfparlaments Gegenstand der Untersuchung gewesen. Hermann Kudlich war in den HochverrathSproceß seines flüchtigen jünger« Bruders Hans verwickelt, der im österreichischen Reichstage denselben schlesischen Bezirk vertrat wie sein Bruder in Frank furt, der sich durch den Antrag auf Aufhebung der Unterthänigkeit einen Namen gemacht und dann im October, freilich ganz erfolglos, den Land sturm aufbieten wollte. Dieser junge Mann schrieb aus der Schweiz an seinen Bruder, der eine Tagereise von Wien ein Kohlenwerk betrieb, und an einige Freunde höchst ungenirte Briefe, ohne zu bedenken, daß die Em pfänger derselben gefährlich compromittirt werden könnten. Bei der gegen ihn eingeleiteten Contumazverhandlung kamen Anzeichen dieser Correspon- denz vor; es wurde bei Hermann Kudlich eine Hausdurchsuchung vorge nommen, wobei man den ganzen Vorrath jener Briefe fand, infolge dessen der derart Beinzichtigte in, Haft genommen wurde. Durch diese Briefe wurde der Proceß gegen den Abwesenden, der sonst bei klar vorliegendem Thatbestande Drasch beendet gewesen wäre, in die Länge gezogen, weil nun der Verdacht einer Verabredung zu neuen revolutionären Unternehmungen entstand. Es wurden weitläufige Untersuchungen vorgenommen, viele Per sonen, darunter auch einige Exdeputirte, wie Scherzer, Krause, Umlauft, Marcher, Schuselka, mußten sich darüber verantworten daß in den Briefen auch von ihnen die Rede sei. Da die Antwortschreiben des Jnhaftirten nicht vorlagen, so wurde seine Sache sehr bedenklich. Aber sein Verlhei- diger, vr. Wiedenseld, führte aus den vorliegenden Briefen mit überzeu gender Klarheit den Beweis, daß der ältere Bruder die excentrischen An sichten und Projekte des Düngern nicht nur nicht gelheilt, sondern bekämpft habe, indem aus den chronologisch zusammengestellten Briefen eine fort schreitende Mäßigung des Schreibers ersichtlich war, sodaß er zuletzt fast bis zu einem offenen pstor psovavi gelangt. Vorzüglich daraufhin erfolgte die Freisprechung. Hans Kudlich aber wurde in derselben Sitzung in oon- iumaoigm zum Tode verurtheilt. Verantwortlicher Redactcur: Heinrich lvrvchhau-, — Truck und Verlag von M. -k. Brvchhau» in Leipzig.