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DRESDNER PHILHARMONIE Mittwoch, den 29. November 1972, 20.00 Uhr Donnerstag, den 30. November 1972, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solistin: Liana Issakadse, Sowjetunion, Violine Ludwig van Beethoven 1770-1827 Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 Allegro non troppo Larghetto Rondo (Allegro) PAUSE Edouard Lalo 1823-1892 Symphonie espagnole für Violine und Orchester op. 21 Allegro non troppo Scherzando (Allegro molto) Intermezzo Andante Rondo (Allegro) Peter Tschaikowski 1840-1893 Romeo und Julia — Fantasie-Ouvertüre ' 1946 in Tiflis geboren, trat im Alter von sieben Jahren in das Konserva torium ihrer Heimatstadt ein. Bereits 1957 konzertierte sie erstmals in Moskau. 1960 errang sie den 2. Preis beim sowjetischen Allunions-Wettbewerb der Musikstudenten. 1963 wurde sie Schülerin David Oistrachs am Moskauer Konservatorium und bereits zwei Jahre später gewann sie den 1. Preis im Long-Thibaud-Wettbewerb Paris. Seitdem hat die junge sowjetische Künstlerin im In- und Ausland eine verheißungsvolle Karriere angetreten. ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethovens einziges Violinkonzert D-Dur op. 61 aus dem Jahre 1806 entstand in unmittelbarer Nachbarschaft mit der 4. Sinfonie, dem 4. Klavierkonzert und den Rasumowski-Quartetten. Das Konzert, das wohi das bedeutendste dieser Gattung überhaupt ist, demzufolge zu den Standard werken der Violinliteratur gehört, hatte Beethoven für den Konzertmeister des Iheaters an der Wien, Franz Clement, komponiert, der es auch am 23. Dezember 1806 uraufführte, ohne allerdings damit eine restlos befriedigende Resonanz bei der Kritik finden zu können. In einzigartiger Weise sind im Beethovenschen Violinkonzert die ganz eigenen Möglichkeiten des Instrumentes erfaßt. Das Werk ist lyrisch, gefühlsbetont und ist als erstes seiner Art zum Prüfstein gei gerischer Kunst geworden, obwohl es eigentlich nur im Finale ausgesprochene Virtuosität fordert. Vollendung der Form, Tiefe und Schönheit der Gedanken, idealer Ausdruck klassischen Humanismus — das sind Vorzüge des Werkes, das bei aller Universalität des zur Darstellung gelangenden Weltbildes jedoch mehr zu gelassener Ausgewogenheit als zur Überwindung dialektischer Spannungen neigt. Vier leise Poukenschläge, die im ganzen Satzverlauf späterhin motivische Be deutung haben, eröffnen die Orchestereinleitung des ersten Satzes (Allegro ma non troppo), die das thematische Material mit sinfonischer Impulsivität an das Soloinstrument weitergibt. Zwei Themen werden entwickelt. In den Oboen, Klarinetten und Fagotten erklingt zunächst das gesangvolle Hauptthema, dem nach einem energischen Zwischensatz ein zweites lyrisches D-Dur-Thema der Holzbläser von bezaubernder Schlichtheit folgt. Nach der Entwicklung dieses Themas, die zu einem kraftvollen Höhepunkt mit einer neuen daraus hervor wachsenden Melodie führt, setzt die Sologeige, zurückhaltend von Bläsern und Pauken begleitet, mit leichter Abwandlung des Hauptthemas in hoher Lage ein. Und nun beginnt ein herrlicher Zwiegesang mit dem Orchester. In kaum zu beschreibender Schönheit fließt der Klang der Sologeige über dem Orchester hin oder begleitet es mit beseelten Passagen. Auch nach einem zweiten kräftigen Orchestertutti setzt sich der verklärte, melodische Gesang des Soloinstrumentes fort. Nach der Durchführung kehren in der Reprise die musikalischen Haupt- und Nebengedanken wieder, vom Orchester wesentlich getragen. Figurenreich ist der Part der Violine, der schließlich in die Solokadenz mündet. Der Schluß teil — mit seiner besonderen Berücksichtigung des zweiten Themas — schließt mit einem schwungvoll-energischen Aufstieg der Geige. Romanzencharakter besitzt das anschließende G-Dur-Larghetto, dessen erstes Thema, von gedämpften Streichern angestimmt, zu den Hörnern, Klarinetten und Fagotten überwechselt und von Passagen und Trillern der Solovioline kommentiert wird. Ein zweites lyrisches Thema gesellt sich nach einem Höhe punkt hinzu, von der Geige vorgestellt. Mit einer Kadenz leitet das Soloinstrument zum Rondo-Finale (Allegro) über und übernimmt sogleich mit einem fröhlichen, dreiklangsbetonten Hauptthema die Führung, die es nunmehr durchgehend dem „Refrain“ des Orchesters gegenüber beibehält. Der tänzerische Elan dieses Satzes, der formal zwischen Rondo und Sonatensatz steht, durch heitere und auch lyrische Episoden und Einfälle aufgelockert, ist von geradezu mitreißender Wirkung. Die virtuosen Lichter des beglückenden Finales erzeugen den Eindruck eines bunten Wirbels. Mit energischen Akkorden verklingt das Werk. Victor Antoine Edouard Lalo, ein französischer Komponist spa nischer Herkunft, wurde in Lille (Flandern) geboren. Am Konservatorium dieser Stadt trieb er frühe musikalische Studien, ehe er am Pariser Konservatorium Schüler des berühmten Geigers und Dirigenten Francois Habeneck wurde. Lalo entwickelte sich bald zu einem glänzenden Geigenvirtuosen und Bratschisten. In