Volltext Seite (XML)
letzterer Eigenschaft wirkte er im angesehenen Armigaud-Quartett mit. Als viel seitiger Komponist rang Edouard Lalo häufig genug vergebens um Anerkennung. Nur seine Oper „Der König von Ys" hatte am 7. Mai 1888 einen triumphalen, durchschlagenden Erfolg. Noch heute gilt das Werk als ein Gipfelpunkt im damaligen französischen Opernschaffen. Zu Lalos gelungensten Kompositionen rechnet ferner das Ballett „Namouna“. Daraus wurden auch drei Orchestersuiten bekannt. Während der Arbeit an seiner letzten Oper „Der Bauernaufstand" starb der Komponist an einem Herzleiden in Paris. Lalo hat neben Saint-Saens das große Verdienst, zur Erneuerung der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verflachten französischen sinfonischen Musik beigetragen zu haben. Ja, Guy Ferchault vertritt sogar die Ansicht, daß Lalo als Pionier der Bewegung betrachtet werden darf, die beim Anbruch des 20. Jahrhunderts in den drei großen Namen Faure, Debussy und Ravel endigte. Diese Einschätzung der Persönlichkeit Lalos rechtfertigen nicht zuletzt seine Orchesterwerke, von denen die vier Violinkonzerte hervorgehoben seien: darunter die Symphonie espagnole (Spanische Sinfonie), die Fantasie norvegienne (Norwegische Fantasie) und das Concerto russe (Rus sisches Konzert). Aber auch das Violoncellokonzert, die Sinfonie g-Moll und ein Divertissement verdienen genannt zu werden. Die virtuose Symphonie espagnole für Violine und Orche ster op. 21 aus dem Jahre 1873, seinem Freunde Pablo de Sarasate ge widmet, ist das volkstümlichste Werk des französischen Meisters geworden; es erfreut sich bei Solisten und Publikum gleichermaßen großer Beliebtheit. Und wirklich ist es ein glänzendes, virtuos-schillerndes Werk, das dem Solisten alle Gelegenheit gibt, sein technisches und geistiges Gestaltungsvermögen zu be weisen. Den Hörer besticht die Symphonie espagnole nicht nur durch die Brillanz des Technischen, sondern auch durch die zündende Thematik und Farbigkeit der Instrumentation. Lalos spanische Herkunft und seine Liebe zur spanischen Folklore ist deutlich an den fünf Sätzen (Allegro non troppo — Scherzando — Intermezzo — An dante — Rondo) des suitenhaft angelegten Konzerts zu spüren. Die personal stilistischen Eigentümlichkeiten Lalos bestimmen vorteilhaft das Profil dieser Musik: Eleganz, urtümliche, kraftvolle, aber auch zarte Gefühlshaftigkeit, Strenge der Form, Brillanz, Dramatik, melodischer Einfallsreichtum, Unterhaltsam keit im besten Wortsinn, sichere Beherrschung des Handwerks, wohlklingende Harmonik. Peter Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre Romeo und Julia nach Shakespeare, heute zu den beliebtesten Werken des Komponisten gehörend, hatte anfangs einen ausgesprochenen Mißerfolg und stieß überall auf Ablehnung. Nach der Uraufführung der im Herbst 1869 entstandenen Komposition, die 1870 in Moskau im Rahmen der Konzerte der Russischen Musikgesellschaft stattfand, schrieb Tschaikowski in einem Brief: „Meine Ouvertüre .Romeo und Julia' hatte hier keinen Erfolg und fiel durch", und auch weitere Interpretationen der Ouvertüre im Jahre 1876 in Wien und Paris wurden für den Komponisten deprimierende Mißerfolge. So schrieb der gefürchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick nach der dortigen, von dem berühmten Dirigenten Hans Richter geleiteten Aufführung: „Das zweite philharmonische Konzert brachte eine Ouvertüre zu Shakespeares .Romeo und Julia' von dem russischen Komponisten P. I. Tschaikowski. Diese Ouvertüre war neu, neu und befremdend, denn daß diese seelenlose, von grauen Dissonanzen und wildem Lärm durchtobte Tonschlacht eine Illustration der zartesten Liebestragödie sein soll, das hätten die wenigsten Zuhörer zu denken gewagt. Das Stück schien bereits mit völligem Stillschweigen übergangen, als einige Hände sich in hef tigem Applaus regten und damit das Signal zu einem ziemlich allgemeinen und schnell obsiegenden Zischen gaben." Dennoch steht heute fest, daß die „Romeo-und-Julia"-Ouvertüre eines der ersten wirklichen Meisterwerke des zur Entstehungszeit knapp 30jährigen Tschaikowski darstellt, der die Komposition übrigens selbst sehr liebte und sie nach der Fertigstellung noch zweimal (1870 und 1879) umarbeitete. Er fühlte sich zu diesem Sujet so hingezogen, daß er auch eine Oper nach der Tragödie Shakespeares, dem berühmtesten Liebesdrama der Weltliteratur, plante, von der allerdings nur ein Duett erhalten ist. Die Ouvertüre, die sich durch melodische Erfindungskraft und Feinheit der Instru mentation, Klangschönheit und dramatischen Schwung auszeichnet und eine bemerkenswerte Geschlossenheit der Wirkung erreicht, folgt in ihrer Anlage nicht dem Handlungsverlauf der Shakespeare-Tragödie. Sie gibt vielmehr in ihrem sorgfältig gegliederten musikalischen Verlauf den Inhalt des Dramas durch eine sinfonische Darstellung des Schicksals der Handlungsträger, des dramatischen Grundkonflikts wieder. Drei Hauptthemen tragen das musikalische Geschehen des Werkes. Feierlich, choralartig erklingt das auch später wieder erscheinende Thema der Einleitung (Andante non tanto, quasi moderato), das den gütigen Pater Lorenzo, den Beschützer der Liebenden, charakterisieren soll. Im Hauptteil (Allegro giusto) werden zu Beginn in temperamentvoller Weise die Kämpfe der beiden feindlichen Adelsgeschlechter geschildert, denen Romeo und Julia ent stammen; energisch, rhythmisch prägnant ist das hier zugrunde liegende Thema. In starkem Gegensatz dazu steht das sehnsuchtsvoll-leidenschaftliche, lyrische dritte Hauptthema, das ausdrucksvolle „Liebesthema" des durch den Zwist der Eltern in den Tod getriebenen unglücklichen Paares. Nach der Gegenüberstellung dieser Themen in Durchführung und Reprise bildet ein ruhiger Nachsatz (Mode rato assai), formal der langsamen Einleitung entsprechend, den Ausklang der Komposition. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG: Montag, den 25., und Dienstag, den 26. Dezember 1972, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast 5. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solisten: Dr. Jiri Reinberger, CSSR, Orgel Ludwig Güttler, Dresden, Trompete Werke von Brixi, Haydn, Vanhal und Schubert Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1972/73 — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: Polydruck Radeberg, PA Pirna - 111-25-12 3 ItG 009-122-72 (•KilHanrnooioio 4. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1 972/73