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Sonnabend. ui »tris chst trsch^G.imhUu«nayme kxt Montag« täglich und wird Stachmtttag« 4 Uhr au«- ' gegeben. Prei» für das »ierttl- jahr 1'^ Lhlr.; jede ein zelne Rümmer 2 Rgr. 28. Januar 1854 Nr 24 DcilWc Agmeint ZtitMg «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter deS In- und Auslandes, sowie durch die Erpediiion in Leipzig (Querstraße Rr. 8). rAnfertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Rück- und Borblicke beim Jahreswechsel. - in. Der Staat und die Kirche. — Leipzig, 26. Ian. Keine Macht hat die Stimmungen der kehlen Jakre so gut zu nützen verstanden, keine ist so rührig gewesen als die ka tholische Kirche, oder vielmehr eine gewisse Partei in der katholischen Kirche, welche deren Consequenzen auf die äußerste Spitze treibt und in manchen Stücken päpstlicher zu sein scheint als der Papst selbst. In dem abge laufenen Jahre hat diese Partei an den verschiedensten Punkten Europas ihre Ähätigkeit entwickelt, nicht überall mit dem gleichen Erfolge, aber überall mit dem gleichen unermüdlichen Eifer, der gleichen Hingebung an ihren Zweck, der gleichen Dielbeweglichkeit und Rücksichtslosigkeit in der Wahl ihrer Mittel. Während sie an dem einen Orte der herrschenden Kreise sich zu versichern wußte, bemühte sie sich anderswo um die Gunst des Volks; das eine mal stützte sie sich auf die von der äußersten Rechten in der procestan- tischest Kirche ihr zur gemeinsamen Bekämpfung der freiern religiösen Rich tungen dargebotene Hand; ein anderes mal verbündete sie sich mit den Li beralen, um ihre Foderungen in den Kammern durchzusetzen ; sie scheute eine systematische parlamentarische Opposition gegen die Regierungen ebenso we nig alS unter Umständen einen revolutionären Putsch, wie die Vorgänge im boidischen Odenwalde und in Aosta bezeugen. Auch diesmal, wie im Jahre 1839, ist eS Deutschland, wo der durch die Bestrebungen dieser Partei her» vorgeruskne Eonflict zwischen Staat und Kirche, weltlicher und geistlicher Gewalt seinen äußersten Punkt erreicht, seinen schroffsten Ausdruck gefunden hat. Vollstrecker des Gesetzes und der obrigkeitlichen Gewalt von den Or ganen der Kirche excommunicirt, mit der höchsten Strafe der Kirche be- legt- von der Gemeinschaft der Gläubigen, von dem Genüsse der kirchlichen Segnungen ausgeschlossen, und auf der andern Seite geweihte Priester, Verkündiger deS heiligen Wortes Gottes, Hirten des Volks als Frevler an den Gesetzen des Staats verhaftet und ins Gefängniß geworfen, kirchliche und weltliche Obrigkeit, also die beiden Gewalten, welche vereint den Men schen leiten, deren jede ihm in ihrem Berufe eine unantastbare Autorität sein soll, einander gegenseitig anfeindend, einander gegenseitig anklagend vor dem Volke und vor aller Welt, einander gegenseitig der Ungesetzlichkeit be zichtigend — kann es einen traurigem Anblick für die patriotisch und reli giös nicht gänzlich Indifferenten geben? Wie der Conflict sich lösen wird? Wenn wir nach früher» Vorgängen schließen dürfen, wahrscheinlich zum Nachtheil der Staatsgewalt. Hat in dem früher« Conflicte ähnlicher Art die viel mächtigere Regierung eines paritätischen Landes, trotz vorausgegan gener noch entschiedenerer Maßregeln gegen die ihre obrigkeitliche Gewalt misachtenden Organe der katholischen Kirche, dennoch zuletzt für gut befun den, nachzugeben, wie dürfte man etwas Anderes von einer minder mäch tigen erwarten? Wie aber auch der Streit ende — ob der Staat auf die Durchführung seiner Gesetze verzichte, oder ob die Kirche ihre feierlichen Ver kündigungen zurücknehme: eine Verwirrung der Gemüther, eine Trübung der Begriffe des Volks von göttlichen und menschlichen Rechten, ein tiefer sittlicher Schaden im öffentlichen Bewußtsein wird aller Vermuthung nach durch-di« Lösung des Conflicts ebenso gut wie durch dessen Ausbruch erzeugt werden. Könnte aber solchen Conflicten nicht für die Zukunft vorgebeugt und so der große, nicht leicht gutzumachende Nachtheil, den sie nach allen Seiten hin mit sich bringen, von vornherein abgewendet werden? Ein Mit tel gibt eS wol, ein einziges, sicheres; aber gerade dieses wird die herr schende Politik am wenigsten ergreifen wollen. Es heißt: gänzliche Trennung der Kirche vom Staate, Lösung der unnatürlichen Verschmelzung zweier Gebiete, deren jedes seine volle Unabhängigkeit und Selbständigkeit beansprucht, deren jedes nur bei solcher Unabhängigkeit recht gedeihen und zum Heile der Gesell- schäft wirken kann, wie frühere Erfahrungen anderwärts gezeigt haben und jetz^ diese neueste abermals schlagend beweist. Denn was sind die hauptsächlichsten Gegenstände des Streits zwischen der Kirche und dem Staate in dem vorlie- gephm und in ähnlichen Fällen? Die Verkündigung päpstlicher Breven ohne das Placet der Regierung, das Verfahren der Geistlichkeit bei den Mischehen, die Anstellung Geistlicher durch den Staat oder durch die kirchlichen Obern, die Einwirkung der Letztem auf den konfessionellen Unterricht in den öffent- lichen Schulen. Alle diese Streitpunkt« aber fallen von selbst hinweg, so bald der Staat das kirchliche Gebiet vollkommen von dem seinigen sondert; sie werden aber nie zu einem rechten befriedigenden Austrag kommen, so lange beide Gebiet« ungetrennt bleiben. Hat der Staat seine Angelegenhei ten von denen dec Kirche vollständig gesondert, so braucht er von den An- ordnungen derselben, sie mögen kommen von wem sie wollen und mögen lauten wie, sie wollen, keine andere Notiz zu nehmen als von jeder andern Veröffentlichung durch das gedruckte oder gesprochene Wort: d. h. er hat strafend einzuschreiten, wenn durch den Inhalt solcher Verordnungen ein Strafgesetz verletzt, z. B. zum Ungehorsam gegen die Regierung aufgereizt wird; solange aber dies nicht der Fall, hat er sich darum nicht zu küm- mern, denn diese Anordnungen der Kirche können mit denen des Staats nicht collidiren, weil der von der Kirche gänzlich getrennte Staat nichts zu verordnen hat, was die Kirche berührt. Sollte aber die Kirche ihren An gehörigen etwas gebieten oder verbieten, was diese in ihrer Stellung zum Staate mit diesem in Conflict brächte, etwa die Festsetzung neuer Feier tage, wodurch katholische Beamte von der Ausübung ihrer Dienstpflichten ungebührlich abgehalten würden: nun so werden es diese Einzelnen mit sich auszumachen haben, ob sie lieber die Vorschrift ihrer Kirche oder die Fode rungen ihres Berufs unerfüllt lassen, im letztem Falle aber natürlich auch sich Dem aussetzen ivollcn, daß der Staat den von der einen Seile auf gehobenen Vertrag auch von der andern löse, d. h. sie entlasse. Ebenso ist es rücksichtlich der andern Streitpunkte. Was insbesondere die Frage dec gemischten Ehen betrifft, so beschränkt sich offenbar der natürliche Beruf und die natürliche Pflicht des StaatS gegen seine Bürger darauf, diesen Letztem Gelegenheit zur Schließung gesetzlich gültiger Ehebündnisse unter seiner Au torität zu geben. Dazu dient das Institut der Civilehe; die nachfolgende kirchliche Einsegnung werden die so Verbundenen, je nach ihrem religiösen oder konfessionellen Standpunkte, entweder von dem Geistlichen der einen oder der andern Kirche oder von Beiden vollziehen lassen, und die Erfah rung lehrt, daß bei einem solchen freien, vom Staate weder beschränkten noch überwachten Verhältniß zwischen den einzelnen Kirchenangehörigcn und ihren Geistlichen viel seltener derartige Conflicte vorkommen als da, wo der Staat sich einmischt, und daß, wenn deren einmal vorkommen, sie viel leichter sich lösen, jedenfalls aber in ihren Wirkungen nur die allerengsten Kreise der unmittelbar dabei Betheiligten, nicht die ganze Staatsgesellschaft berühren. Nachtheilige Folgen für die protestantische Kirche würden wir von einer solchen Losgebung der katholischen Kirche seitens des Staats nicht fürchten, vorausgesetzt, daß die gleiche Freiheit der Selbstregierung auch jener ge währt würde. Dies freilich wäre unerläßlich; eine durch ihre Verbindung mit dem Staate in ihrer freien Bewegung und Entwickelung gehemmte protestantische Kirche, gegenüber einer völlig freien, unabhängigen katholi schen, möchte sich allerdings in einer Übeln Lage befinden; einen Kampf unter gleichen Bedingungen dagegen, mit der gleichen Freiheit auf beiden Seiten, darf und wird der Protestantismus nicht scheuen. Noch eine andere, aber auf eben diesen Punkt zurückführende Lehre predigt eben die ses freiburger Ereigniß. Katholische Blätter, wie das Deutsche Volks blatt, haben allen Ernstes die Behauptung aufgestellt: die von der katho lischen Geistlichkeit excommunicirten Personen könnten, da sie durch die Ex- communication aus der Kirche, der sie angehört, ausgeschlossen, folglich, weil sie in eine andere nicht übergetreten, auch keine Christen mehr seien, nicht länger in Staatspostcn verbleiben, zu deren Bekleidung nach der Ver fassung ein christliches Glaubensbekenntnis erfodert werde. Diese Behaup tung, wie verletzend sie, namentlich für einen paritätischen Staat, erscheinen mag, läßt sich doch vom Boden des bestehenden Staatsrechts jedenfalls mit besserm Grunde verlheidigen als widerlegen. Wenn man dem Angehörigen einer vom Staate nicht anerkannten Sekte die politischen Rechte, die Fähig keit zu Staatsämtern rc. abspricht, obgleich derselbe behauptet, mit seinem religiösen Glauben auf christlichem Boden zu stehen, deshalb abspricht, weil er keiner der anerkannten Kirchen angehört — kann man dann wol consequen- terweise Denjenigen noch als Christen gelten lassen, den seine Kirche aus gestoßen und der sich einer andern anerkannten christlichen Confession nicht zugewendet hat? Aber freilich hätte auf diese Weise die katholische Kirche es vollkommen in ihrer Gewalt, alle ihrem Bekcnntniß angehörige Beamte des Staals durch Excommunication dienstunfähig zu machen und ent weder di« Staatsmaschine wenigstens thcilweise für den Augenblick zu läh men, oder durch die Furcht vor den Folgen eines solchen Schrittes die ka- lholischen Beamten gänzlich von sich abhängig und somit für den Staat zu gänzlich unzuverlässigen Organen zu machen. Zu solchen Consequenzen führt das bestehende System der Vermischung des staatlichen mit dem kirchlichen Gebiete! Selbst ein so feiner Geist wie der unlängst verstorbene Radowitz (be kanntlich «in ebenso guter Katholik als conservativer Staatsmann) wußte aus den unter den bestehenden Verhältnissen zwischen Staat und Kirche fast unvermeidlichen Conflicten keinen sichern Ausweg zu zeigen. In dem noch unlängst vor seinem Tode erschienenen fünften Bande seiner „Gesammelten Schriften" findet sich ein Aufsatz, betitelt: „Der Katholik zwischen seiner Kirche und dem Staate", worin er Ansichten ausspn'cht, die auch auf den gegenwärtig obschwebenden Streit Anwendung finden und wennschon, wie gesagt, eine recht klare Entscheidung in keiner Weise gebend, doch minde stens das Verdienst einer Mäßigung haben, wie sie leider gerade auf der Seite, von wo man sie am ersten hätte erwarten sollen, am wenigsten sich gezeigt hat. „Der katholische Unterthan", sagt Radowitz, „ist unter einen zweifachen Gehorsam gestellt: unter den der Kirche und den des StaatS.