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DRESDNER PHILHARMONIE Mittwoch, den 23. Februar 1972, 20.00 Uhr Donnerstag, den 24. Februar 1972, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Lothar Seyfarth Solist: Jean Bernard Pommier, Frankreich, Klavier Modest Mussorgski 1839-1881 Eine Nacht auf dem Kahlen Berge — Konzertfantasie Franz Liszt Totentanz (Danse macabre) - Paraphrase über 1811-1886 „Dies irae" für Klavier und Orchester PAUSE Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Konzert für Klavier und Allegro Andante Rondo (Allegretto) Sinfonie C-Dur KV 551 Allegro vivace Andante cantabile Menuett Finale (Allegro molto) Orchester A-Dur KV 414 (Jupiter-Sinfonie) llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllillllllillliillllllllllllllllilillllllll JEAN BERNARD POMMIER, Sohn einer Musikerfamilie, wurde 1944 in Beziers (Südfrankreich) geboren. Bereits im Alter von sieben Jahren gab er sein erstes Konzert. Nach Unterricht bei Ives Nat bezog er 1958 das Pariser Konservatorium, das er nach zweijährigem Studium bei Pierre Sancan mit einem 1. Preis verließ. 1960 gewann er bei einem Internationalen Wettbewerb in Westberlin ebenfalls den 1. Preis. Beim Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau 1962 erreichte er die dritte Runde und erhielt das erste Ehrendiplom. Konzerte in der UdSSR schlossen sich diesem Erfolg an. Auslandsgastspiele führten den Künstler in den letzten Jahren nach England, Belgien, der Schweiz, nach Holland, Däne mark und der VR Bulgarien, nach Spanien Japan und den USA. Für die c u u i . ■ \Mice" produzierte Jean Bernard Pommier Schallplattenfirma „His Masters Voice r , C k II I «. d ■ j n,»sdner Philharmonie war er bereits 1968, mehrere Schallplatten. Bei der Dresa' 1969 und 1971 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Modest Mussorgski, der geniale russische Komponist, hat uns nicht sehr viele Werke hinterlassen. Seine Opern und seine Lieder haben sich aller dings die ganze Welt erobert. Weniger bekannt sind seine Orchesterstücke, de ren bedeutendstes, „Eine Nacht auf dem Kahlen Berge", heute erklingt. Es ist ein Jugendwerk, dessen erste Skizzen in den Jahren 1860—62 ent standen sind. In einem Brief an Balakirew, Haupt und Lehrer des „Mächtigen Häufleins" (ein Spottname, der dann zum Ehrennamen für die Gruppe der Komponisten: Balakirew, Mussorgski, Borodin, Cui und Rimski-Korsakow wurde), vom 26. September 1860 lesen wir: „Es fand sich außerdem noch eine höchst fesselnde Arbeit, die zum nächsten Sommer fertiggestellt werden soll. Nämlich: eine vollständige Handlung auf dem .Kahlen Berge', dem Drama .Die Hexen' von Baron Mengden entnommen: Hexensabbat, vereinzelte Episoden von Zau berern, ein Triumphmarsch dieses ganzen Gesindels und als Finale - eine Ver herrlichung des Sabbats, personifiziert durch den Satan, den Gebieter auf dem .Kahlenberge'. Der Text ist vortrefflich. An Material gibt es schon einiges, es könnte ein vortreffliches Stück werden . . ." Er blieb bei dieser Meinung, auch als Balakirew, der Lehrmeister, das Werk nur bedingt anerkennen wollte. Das ergibt sich aus einem späteren Brief (24. Sep tember 1862), in dem es heißt: „Nie werde ich aufhören, dieses Stück für an ständig zu halten und namentlich für ein solches, in dem ich nach selbständigen kleineren Sachen zum ersten Male auch in einem größeren Werk mein eigenes Gesicht gezeigt habe ... Ob Sie nun, lieber Freund, die Absicht haben, meine .Hexen' aufzuführen oder nicht - am allgemeinen Plan und der Ausarbeitung werde ich nichts mehr ändern - an diesen .Hexen", die genau mit dem Inhalt des Vorwurfs übereinstimmen und ohne Verstellung und Nachahmung geschaf fen wurden . . . Meine Aufgabe habe ich, so gut ich konnte, bewältigt. Nur in den Schlaginstrumenten, mit denen ich Mißbrauch trieb, will ich vieles verändern." Mussorgski hat das Werk mehreren Umarbeitungen unterzogen. Die endgültige Gestalt erhielt es durch Rimski-Korsakow nach dem Tod des Komponisten. Es glie dert sich in vier Teile: 1. Versammlung der Hexen, ihr Gerede und Geklatsche; 2. Satans Fahrt; 3. Unflätige Ehrenbezeigungen vor dem Satan oder Der schwarze Dienst; 4. Hexensabbat - wildes Bacchanal. Beim Höhepunkt des Hexensabbats läutet von fern her das Glöckchen der Dorfkirche, das die Geister der Finsternis zerstreut. — Tagesanbruch. Mit dem Kahlen Berg ist ein Ort in der Nähe von Kiew gemeint, an dem sich nach dem Volksglauben die Hexen versammeln. Mussorgski nannte das Werk „ein original russisches, das aus den heimatlichen Feldern hervorgebrochen und mit russischem Brot genährt worden ist". In der Tat: mag manches an dieser Tondichtung an Franz Liszt erinnern, mag der Einfluß von dessen „Danse ma- cabre" zu spüren sein (Liszt war bei den Mitgliedern des „Mächtigen Häufleins" hochgeschätzt) —, die besondere Note erhält sie durch die original-russische Färbung. Franz Liszt war eine der bedeutendsten Erscheinungen in der Musikge schichte des 19. Jahrhunderts. Als Pianist, als Klavierkomponist und Komponist großangelegter programmatischer Tonwerke — die Durchbildung der Programm- Musik im Anschluß an Hector Berlioz war eine seiner entscheidendsten Leistungen — sowie als sozialer und organisatorischer Anreger des Musiklebens erwarb er unschätzbare Verdienste. Gewiß erscheint uns manches in seiner Musik heute recht zeitgebunden und in seiner Wirkung fernergerückt - doch darf nicht ver kannt werden, daß Liszt trotz starker Betonung des virtuosen Elements, der gro ßen, uns häufig etwas äußerlich-pathetisch anmutenden Klanggebärde stets be strebt war, seinen Werken einen geistigen Gehalt zu geben, was auch auf das in