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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 22. Januar 1972, 20.00 Uhr Sonntag, den 23. Januar 1972, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 5. ZYKLUS-KONZERT UND 5 KONZERT IM ANRECHT C Dirigent: Kurt Masur Solist: Peter Schreier, Berlin Dresden, Tenor Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger ■-Wilfried Jentzsch -geb. 194-1- — Benjamin Britten geb. 1913 An den Schlaf (Giovanni della Cosa) Die Teufel atrf-dem- Karneval-(NTee-ele -Meebiavelli) Die—U-nverg I e i ch I ic-he—f-^ra-neesee-Petre rca)- Wos geboren -ist-(M+eheleegele-Bee«e+fe44- Les llluminations für Tenor und Streichorchester op. 18 Text: Arthur Rimbaud 1. Fanfare (Maestoso poco presto — Largamente) 2. Villes (Allegro energico) 3a. Phrase (Lento ed estatico) 3b. Antique (Allegretto, un poco mosso) 4. Royaute (Allegro maestoso) 5. Marine (Allegro con brio) 6. Interlude (Moderato ma comodo) 7. Being Beauteous (Lento ma comodo) 8. Parade (Alla marcia) 9. Deport (Largo mesto) Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791 Cesar Franck 1822-1890 „Misere! O sogno, o son desto?" - Rezitativ und Arie für Tenor und Orchester KV 431 PAUSE Psyche - Sinfonische Dichtung für Chor und Orchester I. Psyches Schlaf (Lento) Psyche wird vom Zephir entführt (Allegro vivo) II. Die Gärten des Eros (Poco animato — Lento) Psyche und Eros (Allegretto moderato) III. Psyches Verstoßung, Leiden und Verklärung (Quasi Lento — Lento) Erstaufführung Als Peter Schreier 1964 in einem Kammerabend der Staatskapelle Dresden die „ I agebuchblätter für Tenor und Orchester“ von Wilfried Jentzsch uraufführte, Kam der Wunsch auf, ein größeres Werk für diesen Interpreten zu schaffen. So entstanden 1966 67 die „Vier Sonette für Tenor und Orchester" nach Dichtungen vier italienischer Autoren der frühen bis mittleren Renaissance, die im Sinne einer kontrastreichen Aussage zusammengefaßt wurden. Kennzeich net Giovanni della Casas Sonett „An den Schlaf eine eigentümlich schwebende Atmosphäre, so fesseln bei Machiavelli Züge der Ironie und Groteske. In Pe trarcas Sonett leuchtet die Liebe zur antiken Schönheit und Klarheit, während Buonarrotis Dichtung eine gedanklich tiefsinnige Betrachtung über die Zeit darstellt. Um über die verschiedenen Texte musikalisch einen Bogen zu spannen, legte der Komponist seinem Werk eine Zwölftonreihe zugrunde. Alle vier So nette wurden aus der gleichen Reihe geformt. Diese Reihe besteht vor allem aus konsonanten Intervallen; sie eignete sich sowohl zu melodischer als auch akkordischer Gestaltungsweise. Die öingstimme steht im Zentrum des stets klar und kammermusikalisch gehaltenen musikalischen Satzes, der sensiblen Aus druck mit aparten Klangwirkungen verbindet. Das sparsam, dabei betont soli- stisch behandelte Instrumentarium verzichtet gänzlich auf Violinen, bezieht aber stellenweise den Klavier- und Harfenklang ganz entscheidend ein. Der Engländer Benjamin Britten genießt als Gegenwartskomponist eine ungewöhnliche Popularität. In seiner Musik repräsentiert sich Dialektik des Ethischen und Ästhetischen und in hervorragender Weise das Sinnlich-Schöne als Kriterium musikalischer Wirksamkeit. „Les llluminations" für Tenor und Streichorchester op. 18 nach Dichtungen Arthur Rimbauds ent standen 1939. Britten war im Frühsommer 1939 nach New York übergesiedelt, lebte einige Monate in Brooklyn und zuletzt in Amityville (auf Long Island), wo am 25. Oktober 1939 die Partitur zu „Les llluminations" vollendet wurde. Die Faszination dieses Werkes mag zum Teil schon aus der kongruenten Ent stehungssituation des verbalen und musikalischen Aspekts resultieren. Arthur Rimbaud (1854—1891), Teilnehmer am Aufstand der Commune, schrieb seine Gedichte, darunter auch die „Illuminationen" (1872), als Siebzehn- bis Neun zehnjähriger in London. In ihnen haben sich die vielgesichtigen Eindrücke der Stadt ais ein grelles und buntes Kaleidoskop ekstatischer Bilder zur dichterischen Form gefügt. Britten vertonte diese Dichtungen in New York, wo er die brisante Bilderfülle einer modernen Großstadt, das farbige Panorama Long Islands erlebte. Im ersten Satz (Fanfare) hält sich die Musik der „Illuminationen" anfangs durch aus an den Titel-Begriff, wobei auffällt, daß der englische Komponist im Sinne der französischen Militärmusik stilisiert (Bratschen und Violinen). Das nach folgende Motto entnahm Britten dem Text zum achten Satz und deutet durch die exponierte Position das Hintergründige und wohl auch besonders Persönliche der Bilder und Visionen in diesem Werk an: „Ich allein", so lautet das Motto, „besitze den Schlüssel zu dieser wilden Parade". Schon am Einleitungsteil fällt die Farbenpracht des vielstimmigen Streichersatzes auf, die im zweiten Satz „Villes" (Städte) vor allem in ihrer rhythmisch-harmonischen Wirkung intensiviert wird. Die Singstimme pendelt in graziöser Eleganz zwischen Kantilene und Chanson-Parlando. Bewegungen, Farbe und Lichter, das Bild der Stadt und der arkadischen Landschaft, Tanz und Glocken, Eruptionen und kristallenes Glitzern — sie alle fügen sich zu einer „wilden Parade" üppig-farbiger Bilder. Die beiden Abschnitte des dritten Satzes „Phrase" und „Antique , korrespon dieren miteinander. Die Phrase des Dichters; „Ich habe Saiten gespannt von Glockenturm zu Glockenturm, Girlanden von Fenster zu Fenster, goldene Ketten von Stern zu Stern — und ich tanze!" wird als deklamatorischer Monolog gefaßt. Dann entfaltet sich aus dem Sinn der letzten Zeile „und ich tanze! die musi kalische Gestaltungstendenz des Satzes „Antique — ein Walzer, der mit musi- ZUR EINFÜHRUNG Der Dresdner Wilfried Jentzsch, Jahrgang 1941, Vertreter der jüngsten Komponistengeneration unserer Republik, war Mitglied des Dresdner Kreuzchores und studierte in den Jahren 1960 bis 1964 Violoncello und Komposition an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber" seiner Heimatstadt. Von 1964 bis 1968 hatte er eine Aspirantur für Komposition an der Weimarer Musikhochschule bei Professor Johann Cilensek inne. 1968 69 war er Meisterschüier Professor Rudolf Wagner-Regenys an der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin, nach dessen Tod er seine Studien bei Professor Paul Dessau fortsetzte, der auch heute noch die Entwicklung des jungen Komponisten sorgsam beobachtet. Seine wich tigsten bisher vorgelegten Kompositionen außer den heute zur Uraufführung ge langenden „Quattre Sonetti per Tenore e Orchestra" sind: Sonate für Streicher, Couleurs, Concerto espressivo für Viola und Orchester (1969 von Pal Lukäcs und der Dresdner Philharmonie unter Kurt Masur uraufgeführt), Dramma per musica (von der Dresdner Philharmonie unter Lothar Seyfarth 1970 uraufge führt), Kanon für Orchester (vom Berliner Sinfonieorchester unter Lothar Sey farth 1971 uraufgeführt), Kammermusik I, „Mobile" für Orchester (im Auftrag der Dresdner Philharmonie geschrieben). als Lieder- und Oratoriensänger ist er international Reihe von Eterna-Schallplattenaufnahmen als einen PETLR SCHRciER, eine der be deutendsten Sängerpersönlicn- keiten unserer Tage, erhielt seine Ausbildung 1954 bis 1959 an den Musiknochschuien in Leipzig und Dresden, nachdem er bereits während seiner Zu- gehönqkeit zum Dresdner Kreuz chor sonstisch tätig war. Als Mitglied des Dresdner Opern- Studios konnte sich Peter Schreier weiter vervolIkommnen. Bereits während des Studiums trat er erfolgreich als Konzert und Oratoriensänger aut. >959 debütierte er als Opernsänger an der Dresdner Staatsoper, der er seitdem verbunden ist. 1963 wurde er außerdem als lyrischer Tenor an die Deutsche Staats- aper Berlin verpflichtet. Der mit dem Nationalpreis unserer Re- | publik ausgezeichnete, in Dresden beheimatete Künstlet |-.at inzwischen eine steile inter- nationale Karriere angetreten, die ihn in viele Länder führte. Als Mozart Tenor ist er heimisch auf den großen Bühnen der ■ Welt: so wurde er an der Römischen Oper, an der Wiener I, ■ Staatsoper ebenso gefeiert wie im Salzburger Festspielhaus, in I Buenos Aires oder an der Metropolitan Opera New York, an der Mailänder Scala wie im Londoner Opernhaus. Jedoch bedeutet die Spezialisierung auf Mozart-Partien keine ein schränkende Festlegung. Sein Repertoire umfaßt zahlreiche andere Partien der klassischen und zeitgenössischen Opernliteratur. Auch anerkannt. Nicht zuletzt weisen ihn eine Liedinterpreten ersten Ranges aus.