Volltext Seite (XML)
DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 10. Dezember 1971, 20.00 Uhr Sonnabend, den 11. Dezember 1971, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4. PHILHARMONISCH ES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Solisten: Walter Hartwich, Dresden, Violine Manfred Reichelt, Dresden, Violoncello Ludwig van Beethoven Ouvertüre zu „Coriolan" op. 62 1770-1827 Johannes Brahms 1833-1897 Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102 Allegro Andante Vivace non troppo PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie „Manfred“ h-Moll op. 58 Lento lugubre Vivace con spirito (Scherzo) Andante con moto (Pastorale) Allegro con fuoco IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIIIIUIHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIUIIII WALTER HARTWICH wurde 1932 in Braunau (CSSR) geboren. Er erhielt seine musika lische Ausbildung bei Prof. Gerhard Bosse an den Musikhochschulen Weimar und Leipzig, später bei Prof. György Garay. Nach dem Examen war er vier Jahre beim Staatlichen Sinfonieorchester Halle und drei Jahre beim Rundfunksinfonieorchester Leip zig als Konzertmeister tätig. Seit September 1962 wirkt er als 1. Konzertmeister der Dresdner Philharmonie. Seit 1966 ist er außerdem als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden tätig. 1967 wurde er mit dem Titel Kammervirtuos ausgezeichnet. Er gastierte bei zahlreichen Orchestern der DDR und veranstaltete Duo-Abende mit Prof. Gerhard Berge. MANFRED REICHELT wurde im Jahre 1935 in Rochlitz geboren. Von 1954 bis 1959 studierte er an der Musikhochschule Weimar, insbesondere bei Prof. Neumann. In den Jahreh 1959 bis 1961 war er Solo cellist am Rundfunkorchester Leipzig. Seit 1961 wirkt er in gleicher Funktion an der Dresdner Philharmonie und entfaltete eine rege solistische Tätigkeit bei vielen Orche stern der DDR. 1967 wurde er zum Kammer virtuosen ernannt. Außerdem ist er als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" tätig. ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethoven schrieb die Ouvertüre zu dem Schau spiel „Coriolan" von Heinrich Joseph von Collin op. 62 im Jahre 1807, in zeitlicher Nähe zur 5. Sinfonie, deren Tonart, c-Moll, sie übrigens aufweist. Die Uraufführung erfolgte in Wien im März des gleichen Jahres. Vermutlich erklang sie auch im Wiener Hoftheater zu Beginn der Auf führungen des Coriolan-Schauspieles, das der österreichische Dramatiker in freier Anlehnung an Shakespeares gleichnamige Tragödie geschrieben hatte. Während die Dichtung heute vergessen ist, gehört Beethovens Ouvertüre — übrigens seine einzige, die tragisch schließt — zum festen Bestand des Konzert repertoires. Wie die 3. Leonoren-Ouvertüre mutet auch die Coriolan-Ouvertüre wie eine sinfonische Dichtung an. Collins Schauspiel führt uns in das antike Rom. Es berichtet vom Kampf der Plebejer gegen die Patrizier. Der stolze, ver blendete Coriolan verrät sein Vaterland, läßt die Bitten seiner patriotisch gesinnten Mutter ungehört und gerät schließlich in seiner Vermessenheit in einen ausweglosen Gewissenskonflikt, der zu seinem tragischen Untergang führt. Bildhaft-realistisch hat Beethoven dieses Geschehen in seiner dramati schen, unmittelbar packenden Ouvertüre gestaltet, die sogleich mit der Vorstel lung des problematischen Helden eröffnet wird (Allegro con brio). Coriolans trotziger, aufbegehrender Charakter wird zunächst durch heftige Akkordschläge, unterbrochen von Generalpausen, angedeutet, bis das herrisch-wilde Haupt thema das Charakterbild deutlicher zeichnet. Das gesangvolle zweite Thema, die bittende Mutter symbolisierend, bringt den musikalisch-inhaltlichen Gegen satz zu der aufgewühlten Stimmung des Hauptthemas. Aus dem Konflikt dieser beiden gegensätzlichen Themen entwickelt sich die faszinierende Dramatik des Werkes. Am Ende erlischt das stolze Coriolan-Thema todesmatt, düster in den tiefen Streichern, den selbstverschuldeten Untergang des Helden ausdrückend. „Von mir kann ich Dir recht Drolliges erzählen. Ich habe nämlich den lustigen Einfall gehabt, ein Konzert für Geige und Cello zu schreiben. Wenn es einiger maßen gelungen ist, so könnte es uns wohl Spaß machen. Du kannst Dir wohl vorstellen, was man in dem Fall alles angeben kann - aber stelle es Dir nicht zu sehr vor. Ich habe das hinterher auch gedacht, aber da war’s fertig", schrieb Johannes Brahms im August 1887 in einem Brief an Clara Schumann. Dieses Werk, das Doppelkonzertfür Violine, Violoncello und Orchester a-Moll op. 102, sollte das letzte Orchesterwerk des Meisters werden. Es entstand 1887 während seines Sommeraufenthalts in der Schweiz am Thuner See und war von ihm als eine Art „Versöhnungskomposition" für seinen Jugendfreund, den berühmten Geiger Joseph Joachim, gedacht worden, da zwischen ihnen - infolge von Streitigkeiten, die den Scheidungsprozeß Joachims betrafen — eine starke Trübung der Freundschaft eingetreten war. Brahms litt sehr unter diesem gespannten Verhältnis und wollte versuchen, durch die Komposition des Doppelkonzertes die einstigen engen Beziehungen zu Joachim wieder zu knüpfen, was ihm auch tatsächlich gelang. Es entspann sich eine ausgedehnte Korrespondenz um das neue Werk zwischen beiden, und am 21. September 1887 konnte Clara Schumann in ihr Tagebuch eintragen: „Joachim und Brahms haben sich seit Jahren zum ersten Male wieder gespro chen." Bereits am 18. Oktober wurde das Doppelkonzert mit Joachim und Robert Hausmann als Solisten unter der Leitung des Komponisten in Köln uraufgeführt. Leider hat das Werk allerdings bis heute im Vergleich zu den übrigen orchestralen Schöpfungen Brahms’ immer einen etwas schweren Stand gehabt, was zum Teil vielleicht an einer gewissen Herbheit liegen mag, zum Teil aber sicher auch darauf zurückzuführen ist, daß das Konzert durch die Notwen digkeit, gleich zwei Solisten von Rang heranziehen zu müssen, seltener als die übrigen Instrumentalkonzerte des Komponisten zur Aufführung gelangt und den